Was Übersetzungen leisten - und was sie nicht können

  • Es hat mir keine Ruhe gelassen. Ich wollte dieses Thema doch nochmal aufgreifen. Da dies im Ursprungsthread nicht erwünscht war hier also einen neuen.


    Tannenbernie, ich nehme dich beim Wort mit deiner Bereitschaft weiter zu diskutieren und werfe dir den Stock wieder zu...



    Da du ja so eine schöne Auflistung geliefert hast, werde ich auch Punkt für Punkt darauf eingehen.


    1) Dieses Beispiel finde ich ehrlich gesagt absurd. Ich gehe mal ganz stark davon aus, dass kein Mitglied dieses Forums eine Inuit-Sprache beherrscht. Sollte ich also Interesse an einem Inuit-Text haben, habe ich die Wahl zwischen einem Originaltext, von dem ich NICHTS verstehe, und einer Üersetzung (falls es eine gibt...), bei der zwar die Feinheiten des Schnees in der Sprache der Inuits verloren gegangen ist, ich jedoch einen Eindruck von der Erzähltradition der Inuits bekomme, von ihrer Vorstellungen von der Welt etc pp.
    Mal davon abgesehen stehen mir im Deutschen ja mehr als ein Wort zur Verfügung um Schnee zu beschreiben. Ich kann den Schnee doch näher bestimmen: Schnee, der unter den Füssen quitscht, Schnee, der besonders geeignet ist ein Igloo zu bauen, bläulich leuchtender Schnee, dreckiger Schnee, pulveriger Schnee, grobkörniger Schnee ... was auch immer die Inuits mit ihrem spezifischen Schneebegriff meinen.


    Dazu kommt, dass wir hier bislang ja eigentlich über die europäisch/amerikanischen Klassiker reden, wo es diese massiven sprachlichen Differenzen nicht gibt, ohne sprachliche Unterschiede nivelieren zu wollen.


    2) Da gilt eigentlich alles, was ich zu Punkt 1) schon geschrieben habe auch. Im Übrigen haben wir auch im Deutschen eine ganze Reihe Worte für grün: Olivgrün, smaragdgrün, mint, laubgrün, blaugrün, moosgrün, flaschengrün, tannengrün, grassgrün, schilfgrün, türkisgrün, maigrün, dunkelgrün, blasgrün, farngrün, opalgrün, kieferngrün, minzgrün, pastellgrün. Zumal das Spektrum bei Farben ja grundsätzlich unendlich erweiterbar ist, du kannst eine Farbe ja auch einfach bananenblattgrün oder frühlingsschösslingsgrün nennen.


    3) Wortwitze sind natürlich Tüftelarbeit. Wortwörtlich geht das tatsächlich eher selten. Aber gerade in den europäischen Sprachen gelingt es erstaunlich häufig Wortwitze ziemlich nah am Original zu übersetzen. Man erkennt die Verwandschaft dann doch. Ansonsten gibt es die Geheimwaffe der kompensierenden Übersetzung. Neigt ein Autor (wie Shakespeare) zu sexuellen Anspielungen, kann man die nicht immer an der entsprechenden Stelle mit übersetzen, Manchmal bietet sich jedoch an anderer Stelle ein entsprechendes Wortspiel im Deutschen an und dann setzt man es eben an dieser Stelle an. Um dem Geist eines Textes nahe zu kommen, ist es oft sinnvoller sich nicht sklavisch an die Vorlage zu halten.


    Gerade Wortwitze sind im Übrigen ein besonderes Argument für die Übersetzung, da sie dem ungeübten Leser einer Fremdsprache mit ziemlicher Sicherheit entgehen und so ein ironischer oder humorvoller Unterton dem Leser vollkommen fremd bleiben, wohingegen eine gute Übersetzung so etwas übermitteln kann.


    4) Wortwörtlich kann man solche Redwendungen sicherlich selten übersetzen. Aber es gibt doch in der Fremdsprache oft Redewendungen, die in vergleichbaren Kontexten von vergleichbaren sozialen Gruppen benutzt wird. Das ein Teil der kulturellen Konnotation dabei verloren geht. Aber auch hier wieder die Frage, hätte ein deutscher Leser, der den kulturellen Kontext wenig kennt, das überhaupt aufgeschnappt? Eher nicht...


    5) Dialekte sind extrem schwierig zu übersetzen. Keine Frage. Man hat zwei Möglichkeiten. Man nimmt einen deutschen Dialekt, was ich persönlich schwierig finde, weil eine ganze andere Bedeutung mitschwingt, ob jemand wallisisch oder sächsisch spricht. Gerade bei regionalen Dialekten kommt ein kultureller Kontext mit rein, der die Geschichte ungünstig verfärbt.Anders ist es aber zum Beispiel, wenn man Pigiun-Englisch mit Pigeon-Englisch mit Elementen aus dem Rotwelsch übersetzt. Zweitens gibt es die Möglichkeit einen Phantasie-Dialekt zu erfinden, was zum Beispiel in "Willkommen bei den Sch'tis" wirklich gut gelungen ist.


    Bei Dialekten haben wir außerdem wiederum das Problem, dass sie für einen Nicht-Muttersprachler oft extrem schwer zu verstehen sind. Also, habe ich auch hier oft die Entscheidung zwischen einer Übersetzung, wo ich zumindest etwas verstehe, und vollkommenem oder weitgehendem Unverständniss.


    Du sprichst außerdem vom kulturellen Kontext. Aber es ist doch unsinnig anzunehmen, dass sich der kulturelle Kontext automatisch bei der Lektüre eines fremdsprachigen Textes erschließt. Wenn ich kaum eine Vorstellung von der englischen Klassengesellschaft habe und nicht weiß, in welchem Maße sich Klassenunterschiede in England sprachlich manifestieren, kann ich überhaupt nichts mit dem working class English sprechenden Protagonisten anfangen. Da kann ich die Figur sehr viel besser einordnen, wenn sie in Proldeutsch daherkommt.


    7) Auch hier geht es wieder um außereuropäische Sprachen. Hilfreich ist da eine Fußnote, die die Unterschiede erklärt. Ich finde ja eh, Übersetzungen sollten viel mehr Fussnoten haben...

  • *Fängt den Stock auf*


    Hallo Clio


    Vielem, was du sagst, kann ich mich anschließen. Zu einigen Punkten habe ich aber doch eine andere Meinung. Ich werde versuchen, meinen Standpunkt hier etwas klarer darzulegen.


    @Klassiker:
    Dein Argument, daß wir kaum einen auf Inuit geschriebenen Klassiker finden werden, ist natürlich korrekt. Allerdings habe ich meine Beispiele nicht mehr in Bezug auf Klassiker genannt, sondern auf deine allgemeine These, daß man heute eigentlich alles ganz gut und problemfrei übersetzen kann. Wenn wir also über generelle Leistungen von Übersetzungen sprechen, sollten wir uns an der Stelle von den Klassiker verabschieden.


    Wenn wir das tun, sehe ich meine biden Punkte 1+2, die wie du richtig angemerkt hast, ja irgedwie dasselbe Problem darstellen, durchaus valide. Du kannst natürlich das Wort Schnee durch zusätzliche Adjektive beschreiben, wirst damit aber nie an das Original herankommen. Sollte ein Inuit (warum auch immer) zum Beispiel auf die Idee kommen, den Schnee in seinem Heimatdorf lyrisch zu beschreiben und dabei ggf. noch eine gewisse Versform einhalten (ein 5-7-5 Silben Haiku?), dann kann hier jeder Übersetzer direkt nach Hause gehen.


    Die Probleme "Redewendungen, Slang, Dialekt und Witze" existieren bei Übersetzungen nicht erst seit heute, daher ist mir klar, dass man dort Methoden gefunden hat, um es eben so gut wie möglich zu machen. Aber das Hauptproblem, welches ich damit habe, sagst du hier selbst: ... Um dem Geist eines Textes nahe zu kommen, ist es oft sinnvoller sich nicht sklavisch an die Vorlage zu halten...


    Das heist nichts anderes, als das der Übersetzer für sich den Text interpretiert und versucht zu erfassen, was der Autor damit sagen wollte und diese Aussage dann versucht, im Deutschen abzubilden. Damit macht er eine Vorinterpretation, die dem Leser die Möglichkeit nimmt, selbst zu interpretieren. Ist die Übersetzer-Interpretation korrekt? Oder eben doch nicht? Wer weiß das schon? Dadurch kommt es dann eben auch, das dasselbe Buch, von verschiedenen Menschen übersetzt, zu völlig verschiedenen Ergebnissen kommt. Und genau dessen muß man sich eben bewußt sein.



    An dieser Stelle nochmal zu meiner Originalaussage, da ich diese jetzt besser klar machen kann (hoffe ich): ...Aber bei Klassikern sollte man sich doch schon recht gut überlegen, ob man nicht wirklich das Original liest ...
    Ich habe ganz bewußt die Formuliereng überlegen verwendet, auch wenn das dann von unseren streitfreudigen Mitlesern im Weiteren ignoriert wurde. Ich will und werde auf keinen Fall sagen, daß man immer alles im Original lesen MUß, oder das jemand, der die Übersetzung liest, ein Dummkopf ist. Aber, wenn ich eine Fremdsprache beherrsche, und ein Buch in dieser Sprache lesen will, sollte ich eben zuerst einmal die Überlegung anstellen, ob ich nicht das Original lese. Wenn ich mich nach Überlegung dagegen entscheide, ist das ja vollkommen in Ordnung.


    Wichtig ist mir an der Stelle eins, deswegen habe ich auch in the Thread zu den Klassikern gepostet - Man muß sich dessen gewahrsein, daß man nur eine Übersetzung liest, wenn man tiefer auf einen Text eingeht, ihn analysieren oder interpretieren will. Das ist eigentlich meine Hauptaussage. Wenn ich einen seichten Krimi in der deutschen Übersetzung lese, ist das recht egal. Liest sich vielleicht an der einen oder anderen Stelle etwas hakelig und mir entgeht ein Wortsitz, das spielt keine Rolle.


    Wenn ich aber einen Text richtig auseinander nehmen möchte, einzelne Formulierungen analysiere und ggf. sogar aus Textpassagen versteckte Aussagen herausinterpretieren will (Es war die Nachtigall und nicht die Lerche), dann MUß ich mir darüber klar sein, daß diese Textpassage, auf der ich gerade im Detail herumhacke, eventuell so im Original nicht existiert.


    Natürlich kann man ein übersetztes Werk analysieren und interpretieren, aber man muß einfach von vornheirein wissen, welche Probleme die Übersetzung mit sich bringen kann und welchen Einfluß das auf meine Interpretation haben kann.


    Deine generelle Aussage, daß ein geübter Übersetzer eher erfassen kann, was der Autor mit seinem Witz / Slang / Redewendung / Dialekt sagen wollte wie ein "einfacher Leser" und so seine Wahl der Übersetzung besser ist wie das Original, der widerspreche ich. Schon allein daher, weil viele verschiedene Übersetzer zu verschiedenen Ergebnissen kommen und sie können ja nicht alle recht haben. So wäre ich auf Glück angewisen, ausgerechnet die Übersetzung zu bekommen, die korrekt ist? Kann überhaupt jemand jemals wissen, welche korrekt ist? Ich denke nicht. Da bleibe ich lieber mündiger Leser und mache mir meine eigenen falschen Gedanken. Eine Vorauswahl durch die Übersetzung versuche ich da zu vermeiden.


    Einen weiteren Punkt, den ich bisher noch nicht angesprochen hatte, istdie Atmosphere, die ein Text durch seine Schreibweise aufbaut. Gerade im Bereich des Fantasy ist das sehr wichtig, denn hier will man ja in eine Welt hineingezogen werden und anfangen, zu träumen. So etwas ist auch kaum übersetzbar, was man gerade bei Fantasybuch-Übersetzungen immer wieder schmerzhaft merkt.


    Ein kleines Beispiel, das ich jetzt ohne viel Recherche mal aus Martins "Song of Ice and Fire" nehme:


    Im Original:
    "Until tonight. Somethings was different tonight. There was an edge to this darkness that made his hackles rise."


    und


    "His cloak was his crowning glory; sable, thick and black and soft as sin."


    Im Deutschen:
    "Bis zum heutigen Anend. Heute war irgendetwas anders. Eine Schärfe lag in dieser Finsternis, bei der sich ihm die Nackenhaare sträubten."


    Soso, eine Schärfe lag also in der Finsternis. Da hätte man wohl etwas weniger Chili ins Dunkel streuen soll. Wenn ich sowas lese, kommt mir der Würgereiz, ich werfe das Buch in den Müll und besorge mir das Original, sorry.


    und


    "Sein Umhang war die Krönung. Zobel, dick und schwarz und weich wie die Sünde."


    Das ist überhaupt das beste. Nein, genau genommen ist es DIE KRÖNUNG. Wie ein Übersetzer ernsthaft eine solche Redewendung als Wortübersetzung nehmen kann, da fliegt mir der Hut weg. Gerade bei Martins Schreibstiel in seinem großartigen Epos ist alles voll von solchen "Übersetzungen", die seine Bücer einfach nur grauenhaft entstellen.

  • Von Übersetzungen wünsche ich mir, dass sie nichr nur einen Text "runter"-übersetzen, sondern mir andere Kulturen oder mir fremde Gedankengänge der Figuren vermitteln können. Bei vielen Übersetzungen aus dem Englischen bezweifele ich, dass die Übersetzer eine Vorstellung haben, welche Sitten der Amerikaner oder der Engländer den deutschen Lesern fremd sein könnten.


    Beispiel: Die "Kasserolle", die in Trauerfällen dem Haushalt gebracht wird, in dem jemand gestorben ist. Unter einer Kasserolle verstehe ich einen Stieltopf. Es hat mehrere Romane mit Todesfällen gedauert, bis ich dahinterkam, dass es eine amerikanische Sitte ist, dem trauernden Haushalt eine ganze Mahlzeit - Eintopf im Topf oder Auflauf in der Form - vorbeizubringen. Eine Sitte ist eine soziale oder moralische Verpflichtung, nicht nur ein Topf, der vorbeigebracht wird. Warum wird in 9 von 10 deutschen Fassungen von amerikanischen Romanen eine Kasserolle ins Nachbarhaus gebracht, wenn ein Essen oder eine Mahlzeit die Sitte der Anteilnahme durch Kochen deutlicher zeigen würde? Wenn eine so einfache Szene missverständlich übersetzt wird, traue ich dem restlichen Text auch nicht mehr.

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Von Übersetzungen wünsche ich mir, dass sie nichr nur einen Text "runter"-übersetzen, sondern mir andere Kulturen oder mir fremde Gedankengänge der Figuren vermitteln können.


    Volle Zustimmung - ich erwarte von einem Übersetzer, daß er nicht wie ein Übersetzungsprogramm Wort für Wort gnadenlos übersetzt, sondern auch den Sinn versteht.


    Aber trotzdem muß ich bei Euren Beispielen (Race, Kasserolle) sagen, daß ich es bis jetzt selbst nicht besser gewußt hätte, den Fehler also selbst gemacht und bestenfalls aufgrund des Zusammenhangs bemerkt hätte. Sicher sind solche Fehler ärgerlich und um einen Text bis ins letzte Detail zu analysieren, sollte man sich das Original selbst durchlesen - aber auch das funktioniert imho nur, wenn man das Original praktisch wie seine Muttersprache beherrscht, ansonsten steht man genauso dumm da wie mit einer Übersetzung:


    Zitat

    Original von Tannenbernie
    So wäre ich auf Glück angewisen, ausgerechnet die Übersetzung zu bekommen, die korrekt ist? Kann überhaupt jemand jemals wissen, welche korrekt ist? Ich denke nicht. Da bleibe ich lieber mündiger Leser und mache mir meine eigenen falschen Gedanken.


    Kann Dir zwar gedanklich folgen, aber in diesem Punkt bleibe ich doch lieber dem Motto "ich weiß, daß ich nichts weiß" treu und erwarte, daß ein / jeder Übersetzer den Sinn besser erfaßt hat als ich. Solltest Du tatsächlich den Gepflogenheiten und Sprachnuancen eines fernen Landes sehr verbunden sein, würde ich an Deiner Stelle ebenfalls zum Original greifen, dem "durchschnittlichen" Gewohnheitsleser würde das jedoch in den meisten Fällen wenig nützen.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

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  • Ich denke auch, dass LeSeebär hier einen entscheidenden Unetrschied nochmal klargemacht hat. Ich habe auch keine meine literaturwissenschaftlichen Hausarbeiten mit einem übersetzten Text geschrieben. Beim genauen Lesen, bei der Analyse sind die Unterschiede zwangsläufig zu groß. Aber im Ausgangstext ging es ja darum, klassische Texte erstmal kennenlernen. Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Lesevorgänge.



    Im Übrigen muss man auch bei den Übersetzungen stark unterscheiden. Ich kenne fast keine gute Übersetzung von Fantasy-Romane. Fast alle Genre-Literatur wird grottenschlecht übersetzt. Da kann man den Übersetzern gar nicht mal einen Vorwurf machen, deren Arbeitsbedingungen sind eine Katastrophe. Aber gerade im Bereich der Klassiker (um die es ursprünglich mal ging) ist das nicht so. Man sollte sich mit den verschiedenen Übersetzungen ruhig ein bißchen beschäftigen, mal reinlesen, auch im Feuilleton wird regelmäig über die Qualität von (Neu-)Übersetzungen geschrieben.


    Ansonsten denke ich haben wir uns in dieser Diskussion doch ziemlich angenähert. Zumindest lese ich nichts mehr davon eine Übersetzung sei ein geradezu sinnentleerter Text, der mit dem Original kaum noch fast zu tun hatte. Dass eine Lücke bleibt zwischen beiden Texten, das ist ja nicht abzustreiten.


    Allen, die sich für die Problematik interessieren, sei Walter Benjamins Aufsatz
    Die Aufgabe des Übersetzers ans Herz gelegt. Der sieht nämlich in der Übersetzung viel mehr als eine unzulängliche Übertragung des Originals in eine andere Sprache, sondern eine Art Ahnung einer vorbabylonischen Ursprache.

  • Ich arbeite freiberuflich als Uebersetzerin, allerdings ohne regulaere Ausbildung oder Zertifizierung. Ich mache also nur sehr einfache Texte und muss alles gegenlesen und abstempeln lassen. Ich bin komplett zweisprachig und auch wenn englisch nicht meine Muttersprache ist, so ist mein Schriftenglisch besser als das der meisten Muttersprachler - aber an Uebersetzungen in der einfachsten Form hab ich mich erst nach 20 Jahren rangetraut.


    Literaturuebersetzungen sind da ein ganz anderes Kaliber!!!


    Und doch gibt es tatsaechlich begnadete Uebersetzer, die durchaus ihre Sprachen UND ihr Handwerk verstehen. Zwei komplett verschiedene Dinge! Ich hatte einige Male Gelegenheit mit deutschen Autoren zu reden, die auch Erfahrungen mit (englischen) Uebersetzungen ihrer Titel hatten.


    Thomas Pletzinger hat mit seinem Uebersetzer hunderte von emails hin und her geschrieben und letztlich auf Vorschlag seines Uebersetzers sogar neuere Auflagen seiner deutschen Fassung revidiert, um sie sprachlich zu verbessern. Ein ziemliches Lob wuerd ich sagen!


    Jakob Arjouni hatte zu Beginn seiner Karriere vom Verlag einen "billigen" Uebersetzer bekommen, der/die entsprechend unter Zeitdruck grosse Schwierigkeiten hatte den Humor rueber zu bekommen. "Happy Birthday, Turk" war in der englischen Fassung in der Hinsicht enttaeuschend fuer mich. Mit anhaltendem Erfolg investierte der Verlag mehr in die Uebersetzung und engagierte eine der erfolgreichsten Uebersetzerinnen: Anthea Bell konnte zwar auch nicht den hessischen Dialekt ins englische rueber retten, aber der Humor ist 100% da!! Ich habe beide Fassungen von Kismet gelesen und fand sie super gut gelungen.


    Anthea Bell wurde bekannt fuer ihre Asterix Uebersetzungen. Das ist zwar keine "grosse Literatur" sondern "nur" ein Comic, aber von Wortwitz kaum zu uebertreffen und fuer Uebersetzer eine extrem schwere Aufgabe. Sie hat ihre Arbeit damit mal in diesem Artikel beschrieben und sehr gut erklaert, wie man als Uebersetzer mit sowas umgehen kann.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Ah. Also gab es doch einen. :-)


    Wie ich im "Stil"-Thread schon angedeutet habe, ist das für mich eine zweischneidige Sache. Zum einen ist mir sehr bewusst, dass Übersetzungen den Stil des Autors grundlegend verändern. Eine andere Sprache ist eben eine andere Welt, und der angenehme Lesefluss muss auch für den Leser der Übersetzung gewährleistet werden, sonst würde es ja keine Freude mehr bereiten. So wird doch sehr viel verfälscht.


    Zum anderen ist es aber oft einfach bequemer, die Übersetzung zu lesen. Selbst wenn man eine Sprache ganz solide beherrscht und sich im Alltag in dem Land, in dem sie gesprochen wird, auch zurechtfindet, kann das Lesen sehr anstrengend sein. Vor allem Wörter, die für Beschreibungen genutzt werden sind oft so speziell, dass sie in dem Wortschatz, den man mitbekommt, wenn man eine Sprache in den Grundzügen lernt, einfach nicht vorkommen. Und dauernd nachzuschlagen macht eben auch überhaupt keinen Spaß.


    Hinzu kommt, dass wohl niemand alle Sprache sprechen kann. Deswegen leisten Übersetzungen natürlich auch etwas entscheidendes, indem sie uns überhaupt die Möglichkeit geben, bestimmte Geschichten zu lesen. Diese Möglichkeit möchte ich auf keinen Fall missen.
    Vor der Frage, welche Sprache es nun sein soll, werde ich, zumindest bei englischen Büchern, immer wieder stehen. Ich versuche da, für mich einen Kompromiss zu finden, indem ich die Sachen, bei denen ich glaube, dass der Stil einen sehr großen Teil der Unterhaltung ausmacht (sagen wir mal bei Shakespeare) zum Orginal greife, bei Werken, bei denen ich für mich (!) die spannende Handlung im Vordergrund sehe, die Übersetzung lese (z.B. lese ich gerade den ersten Teil von "A Game of Thrones" in der deutschen Übersetzung).


    Natürlich kann man dann auch nie sicher sein, ob man nicht doch was verpasst, indem man auf das Orginal verzichtet. Letztendlich ist aber ja das Entscheidende, dass die Lektüre Vergnügen bereitet - was, wenn man eine Übersetzung liest, dann natürlich auch vom Übersetzer abhängt, der sein Handwerk ebenso beherrschen muss wie der Autor.