Am Ufer der Träume (14 - 17 J.) - Thomas Jeier

  • Am Ufer der Träume, Thomas Jeier, Ueberreuter Verlag, Berlin – Wien, 2012, ISBN 978-3-8000-5688-0


    Zum Autor (lt. Klappentext):
    Thomas Jeier wuchs in Frankfurt am Main auf und lebt heute bei München und „on the road“ in den USA und Kanada. Seit seiner Jugend zieht es ihn nach Nordamerika, immer auf der Suche nach interessanten Begegnungen und neun Abenteuern. Im amerikanischen Fernsehen wurde er als „einer der besten Amerika-Kenner der Alten Welt“ vorgestellt. Seine Bücher wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet. Als ersten deutschen Autor gelang es ihm, zwei Romane über den amerikanischen Westen in den USA zu platzieren. Mit seinen Romanen hat er auch bei Erwachsenen großen Erfolg. Unter dem Pseudonym „Christopher Ross“ veröffentlicht er romantische Abenteuerromane.


    Thomas Jeier erhielt mehrere Preise, darunter den Friedrich-Gerstäcker-Preis für das beste Abenteuerbuch des Jahres, den Elmer-Kelton-Award und eine Auszeichnung der texanischen Regieerung. Für seinen Roman „Sie hatten einen Traum“, der 2003 bei Ueberreuter erschien, wurde er für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.


    Homepage des Autors: www.jeier.de


    Altersempfehlung: 14 - 17 Jahre


    Meine Meinung:
    Mein Interesse an Romanen über Irland und Auswandererromanen führte mich zu Thomas Jeiers Jugendbuch „Am Ufer der Träume“. Angenehm überrascht stellte ich fest, dass im Gegensatz zu anderen Auswandererromanen, die den gleichen Zeitraum beleuchten, mehr als die Hälfte des Romans tatsächlich die Erlebnisse der Protagonisten im Irland des Jahres 1846 beleuchtet und damit den Fokus nicht ausschließlich auf die Erfahrungen und Schwierigkeiten der Einwanderer in der Neuen Welt legt.


    Irland, 1846: Erneut führt die Kartoffelfäule zu einer großen Hungersnot in Irland. Rose Campbell wird mit ihren Töchtern Molly und Fanny von Bediensteten ihres Pächters der Farm, die sie viele Jahre mit dem Vater der Familie bewirtschafteten, verwiesen. Der Vater hat seine Familie bereits zuvor in der beginnenden Hungersnot verlassen. Von heute auf morgen ihrer Existenz beraubt, flieht Molly mit ihrer kranken Mutter und ihrer hübschen Schwester nach Norden und findet zunächst in einer Höhle Zuflucht. Doch ohne Geld und ohne Erfahrung ist es schwer zu überleben. Glücklicherweise lernt Molly den jungen Bryan kennen, dem ein ähnliches Schicksal beschieden ist, der aber bereits gelernt hat, sich geschickt durchzuschlagen. Mit Bryans Hilfe überstehen Molly und ihre Familie den Herbst, und aus der sich entwickelnden Vertrautheit entwickelt sich Verliebtheit zwischen Bryan und Molly. Doch der Winter des Jahres 1846 ist hart, und letztlich sind die Campbells und Bryan doch gezwungen in einem der Arbeitshäuser Zuflucht zu suchen. Einziger Hoffnungsschimmer, um die Härte des Arbeitshauses ertragen zu können, ist das gemeinsame Ziel, im Frühjahr nach Amerika auszuwandern. Obwohl sich Bryan und Molly im Arbeitshaus aus den Augen verlieren, gelingt es den Campbells und Bryan im Frühjahr gemeinsam, an Bord eines Auswandererschiffs zu gehen, doch nicht alle Campbells erreichen New York lebend und Bryan ist bei der Hafeneinfahrt spurlos verschwunden. Molly und ihre Schwester haben nur noch ihre Träume. Mollys größter Traum ist, Bryan wiederzufinden und mit ihm in den fernen Westen zu ziehen, doch das ist in New York ein schwieriges Unterfangen…


    Aufgrund Thomas Jeiers angenehm flüssigen und lockeren Sprachstils gelingt es, schnell in seine Erzählung der Geschichte von Molly und Bryan einzusteigen. Auch wenn man die Situation Irlands zur Zeit der Hungersnöte kennt, ist es interessant, den Roman „Am Ufer der Träume“ zu lesen, da der Autor ein bis ins Detail gut recherchiertes, plastisches, wenn auch drastisches Bild des damaligen Lebens in Irland, aber auch des Lebens in der Neuen Welt, zu gestalten weiß. Daher habe ich mit Interesse verfolgt, wie sich Bryan, Molly und ihre Familie durchschlagen und habe auch gerne die Entwicklung von Molly verfolgt, die, ganz auf sich gestellt, ungeahnte Fähigkeiten und Stärken entwickeln muss, und die vor allem lernt, welche Werte ihr wichtig sind, und welche Schwierigkeit es bereitet, nach diesen Werten zu leben und zu handeln. Die eine oder andere Vorhersehbarkeit zugunsten des Ziels des Autors, diese Persönlichkeitsentwicklung bei seiner Protagonistin zu zeigen, habe ich gerne hingenommen.


    „Am Ufer der Träume“ von Thomas Jeier ist ein interessanter, spannender und kurzweiliger Jugendauswandererroman, an dem auch Erwachsene Lesespass haben können, den ich gerne weiterempfehlen und verschenken werde.


    9 von 10 Punkten

  • Ich habe bisher zwei Bücher von Thomas Jeier gelesen und war sehr auf dieses neue von ihm gespannt. Aber entweder bin ich auf Grund des Covers und des Verlagstextes mit einer falschen Erwartungshaltung an das Buch herangegangen, oder ich bin einfach nicht die Zielgruppe, denn ganz glücklich bin ich mit dem Buch nicht geworden. Das Erzähltempo war durchgehend hoch, der Roman sehr handlungsgetrieben; beides Merkmale die ich in Büchern eher weniger suche, zumal das bei mir meist zu einer gewissen Distanz zu den Figuren - und zum Buch führt.


    Der Roman teilt sich in zwei Abschnitte: Irland, der den größeren Teil ausmacht, und dann Amerika. Während Letzterer einiges aus Western und anderen Büchern bekanntes brachte, war der Irland-Teil für mich weitgehend Neuland. Von der dortigen Hungersnot, in Folge deren viele Iren nach Amerika auswanderten, wußte ich zwar. Aber hier im Buch wird die drastisch beschrieben - das ist kein Zuckerschlecken, weder für die Figuren (und umsomehr für die damals lebenden Menschen) als auch für den Leser, der sich manches vielleicht plastischer vorstellen kann, als ihm lieb ist. Hinzu kommt das feindliche Verhalten der Engländer gegenüber den Iren, das die Not noch zusätzlich vergrößert.


    Der Autor hat gut recherchiert; wie er an anderer Stelle schrieb, waren die Verhältnisse damals mindestens so, wie sie im Buch auftauchen, eher bisweilen noch schlimmer. Das trifft auch auf das Arbeitshaus zu, in dem die Schwestern mit ihrer Mutter den Winter verbringen.


    Die im Buch beschriebenen Verhältnisse haben auf mich den deprimierenden Eindruck gemacht, den sie wohl auch auf die damaligen Menschen hatten. Daß da nur starke Persönlichkeiten überleben konnten, wird mehr als deutlich. Über weite Strecken konnte ich mich mit dem Buch nicht wohl fühlen, einfach weil die beschriebenen Verhältnisse alles andere als zum wohl fühlen waren. Molly ist durch das ganze Buch hinweg eine starke Persönlichkeit und Sympathieträgerin. Geschickt eingestreute Hinweise, wie sie die aktuelle Situation mit dem Abstand von ein paar Jahren betrachten wird, helfen über die dunkelsten Stellen hinweg, und auch beim Lesen durchzuhalten.


    Der Amerika-Teil hat mir besser gefallen, obwohl es auch dort in New York erst mal ähnlich schlimm weiterging. Geholfen hat dazu sicherlich, daß ich da denn doch etwas Vorwissen hatte, und manches (naturgemäß) wie aus einem Western erschien - kein Wunder, das spielt dann ja auch im Wilden Westen.


    Positiv ist mir an dem Buch aufgefallen, daß der Autor - obwohl das, das sei ausdrücklich betont, kein „christliches Buch“ ist - das Thema Religion nicht wie heute weithin üblich ausgeblendet hat. So, wie er das beschrieben hat, scheint es mir einen hohen Realitätsgrad zu haben: genau so könnten die Menschen damals gedacht und gehandelt haben. Religion war Bestandteil des Lebens, bei manchen Menschen mehr, bei anderen weniger. Exakt so findet es sich hier im Buch. Ich wünschte, daß ließe sich von mehr Büchern sagen.


    Etwas zu abrupt kam mir das Ende; nach so viel Leid und Elend hätte ich doch ein paar Seiten mehr (oder einen Epilog) zum „langsamen Ausklingen“ gebraucht, wenngleich der letzte Absatz aus dem Drehbuch eines Westerns sein könnte und ein prima Schlußbild abgibt.


    Alles in allem ein interessantes Buch, das Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen ansprechen kann. (Der Autor ließ an anderer Stelle verlauten, daß er es als "All-Age-Buch" geschrieben hat.)



    Kurzfassung


    Aus der Not Irlands ins „gelobte Land“ Amerika: ein düsteres Kapitel der irischen Geschichte wird lebendig.



    Edit hat mit ein paar Tagen Abstand noch insgesamt drei Ergänzungen hinzugefügt. Mit der Rezi kämpfe ich anscheinend genauso wie mit dem Buch beim Lesen. Aber jetzt sollte alles fertig sein. Hoffentlich. ;-)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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