Michael Frayn, Willkommen auf Skios

  • Michael Frayn zeigt, wie Komödie geht


    Ach, wir armen Deutschen. Mit Humor und Unterhaltung haben und hatten wir immer schon unsere Probleme. Nicht, dass wir humorlos wären - aber Humor wird hierzulande doch eher als "unkulturell" betrachtet, und läuft nur selten zur Höchstform auf. In angelsächsischen Ländern sieht man das erfreulicherweise anders. Michael Frayn tritt hierfür den denkbar besten Beweis an - er schreibt eine Komödie, die auch literarischen Ansprüchen genügt, die ebenso unterhält wie kritisiert, die hinter Kulissen blickt und Zwerchfelle erbeben lässt, und - die in einem wahren Feuerwerk der Abstrusität endet. Jedoch nicht ohne eine gehörige Portion Augenzwinkern.


    "Selten so gelacht"; endlich stimmt dieser Ausspruch wieder einmal. Schon allein durch die Struktur des Buches wird die humoristische Absicht unterstützt: mit ein paar klaren Strichen und aussagekräftigen Szenen werden die Hauptpersonen vorgestellt, bevor sich die einzelnen Ebenen immer schneller verwirren. Da wäre einerseits Nikki, die persönliche Assistentin der Fred-Toppler-Stiftung, welche auf der griechischen Insel Skios ihren Sitz hat. Einerseits gefangen in ihrem anspruchsvollen, doch auch langweiligen Beruf. Dann Mrs. Fred Toppler selbst, sowie das gesamte Personal, das nur mühsam die Kulisse einer leicht versnobten internationalen Stiftung aufrecht erhält. Jeder hofft auf Posten und Pöstchen - die einzige Freude, die einem hinter dieser glänzenden Fassade noch bleibt. Dann wären da noch Dr. Norman Wilfred, der diesjährig eingeladene Redner des Abschlussabends. Lässig seinen Champagner schlürfend, sitzt er in der Business-Class des Flugzeugs, und ahnt noch nicht, in welche Wirren er bald gezogen werden wird. Und - derjenige, der das Chaos ins Rollen bringen wird: der Hallodri und Lebemann Oliver Fox. Er ist eigentlich auf dem Weg zu einem amourösen Abenteuer, das er aber schon bereut, noch bevor es begonnen hat. Halb unbewusst sucht er nach einem Ausweg aus seiner verfahrenen Situation - und greift nur allzu gern zu, als Nikki ihn am Flughafen für den prominenten Gast hält...


    Nach der erfreulich kurzen und klaren "Exposition", der Einführungsphase also, geht es so richtig rund in diesem Buch. Nahezu spiegelbildlich werden aus den verschiedenen Perspektiven der Beteiligten die fortschreitenden Etappen der heraufziehenden Katastrophe geschildert. Der Autor hält dabei immer voll und ganz zu der Figur, bei der er sich gerade aufhält - und kommt dennoch mit wenigen Worten aus. Er findet immerzu die treffende Pointe, das entlarvende Detail. Man hat als Leser Verständnis mit nahezu allen; ja, auch mit Oliver Fox, der sich unversehens in der Rolle eines Prominenten wiederfindet, und dies zunehmend genießt.


    Keine einzelne Szene wirkt dabei jedoch überladen - immer geht es nur genau einen Schritt weiter, ein kurioses Detail kommt hinzu, eine Verwirrung mehr. Nahezu klassisch ist hier das Motiv der Koffer-Verwechslung; belebt wird das Ganze aber auch ungemein von den herrlich ausgesuchten Nebenfiguren. Da wären z.B. die schreiend komischen griechischen Taxifahrer Stavros und Spiros, die durch ihr grauenhaftes Englisch nicht unwesentlich zur Verwirrung beitragen. Die Telefonistin Elli, die den echten Dr. Norman Wilfred unwissentlich in der Pampa herumschickt. Die eifersüchtige Ex-Freundin von Oliver Fox. Es werden hysterische Telefonate geführt, SMS geschickt, Taxis rasen über die Insel, im verzweifelten Versuch, endlich diverse Koffer und deren Besitzer zueinander zu bringen. Und alles steuert unweigerlich auf den einen Moment zu, an dem der ominöse Vortrag in der Stiftung gehalten werden soll...


    Der Autor hat sich zum Glück nicht der platten Versuchung hingegeben, den Hochstapler auffliegen und das Buch erwartbar enden zu lassen. Nein, er schiebt genüsslich noch eine Parenthese ein, in der er sich an den Leser wendet - und dann endet alles völlig anders, als man gedacht hat. Und zwar noch chaotischer, als befürchtet. Nur der Leser hält am Schluss alle Fäden in der Hand, während die Figuren durch die Trümmer ihrer Existenz taumeln. Oder während sie schon auf dem Weg zum nächsten Abenteuer sind. Aber wer ist dabei wer? Das werde ich nicht verraten!


    Endlich ist es einmal keine Phrase, wenn ich zugebe, mich köstlich amüsiert zu haben. Michael Frayn hat mich von seinem Talent als Komödienschriftsteller völlig überzeugt. Auf hohem Niveau nimmt er menschliche Schwächen aufs Korn, und unterhält gleichzeitig seine Leser auf das Beste. Ich fürchte nur, dass der Sprachwitz in der Originalversion noch besser wirken würde - aber auch die deutsche Übersetzung funktioniert gut bis sehr gut. Herrlich, bitte mehr davon! Dies ist der beste Beweis dafür, dass Humor und Unterhaltung eben doch Stil haben können.

  • Willkommen auf Skios


    Nikki Hook organisiert für Mrs Toppler das jährliche Treffen der Fred Toppler Stiftung. Ihre Gedanken über sich und Andere spielen hier den Anfang. Sie hat alles unter Kontroll, denkt sie.
    Nikki will den bekannten und erfolgreichen Dr Normann Wilfred, derauf dem Event einen Vortrag halten soll, vom Flugplatz abholen. Sie hat ein Schild mit seinem Namen, aber dann kommt der Lebemann Oliver Fox, der sich eigentlich mit einer Frau treffen wollte, und meint warum nicht Normann Wilfred ist ein guter Name für ihn.


    Damit fängt das Chaos an. Norman Wilfred, steht ziemlich verloren da und wartet, dann ist auch noch sein Koffer verschwunden. Er ist hilflos, er versteht die Sprache nicht und weiss noch nicht mal wie die Stiftung heisst. Die beiden Taxifahrer auf Skios sind ziemlich skuril, sie helfen bei den ganzen Verwechslungen enorm. So wird Norman Wilfred in das Domizil, in das Oliver Fox wollte, gefahren. Dort trifft er auf Georgie, das ist ein lustiges Kuddelmuddel. Die Teilnehmer des Treffens sind alle reich und snobistisch.


    Michael Frayn ist für mich bis jetzt unbekannt. Er versteht es aus dem allen eine schöne Komödie zu basteln. Der Roman liest sich sehr gut. Ich hatte mir unter englischem Humor zwar etwas anderes vorgestellt, aber dieser ist viel besser.
    :lesend

  • Inhalt:


    Dr. Norman Wilfred- Experte für Szientometrie- reist auf die griechische Insel Skios, um für die exklusive Fred Toppler Stiftung, den alljährlichen Gastvortrag zu halten. Am Flughafen soll ihn Nikki, die rechte Hand von Mrs. Toppler abholen. Sie erwartet einen der üblich verknöcherten Wissenschaftler. Überraschend erscheint ein attraktiver Charmebolzen, dessen Unterhaltungsgrad den Rahmen der Fred Toppler Stiftung aus gediegener Langeweile und Abgehobenheit sprengt. Sie ahnt nicht auf einen Betrüger hereingefallen zu sein. Oliver Fox kann gar nichts anders. Er ist der geborene Hochstapler und Womanizer. Durch eine Verwechslung landet der echte Dr. Wilfried bei Nikkis Freundin mitten in der Pampa. Georgie hatte eigentlich Oliver Fox in die Arme nehmen wollen.


    Meinung:


    Mich erinnerte der Roman spontan an Tom Sharpe Romane, der im Humorfach Maßstäbe gesetzt hat. Skios beginnt humorvoll, die Figuren werden dem Leser gestochen scharf mit knappen sehr amüsanten Formulierungen näher gebracht. Michael Frayn brilliert zu Beginn mit einem fulminanten Romanaufbau, seiner exzellenten Sprache und mit einer Handlungsintensität, die seinesgleichen sucht. Auf den ersten Hundert Seiten habe ich mich oft schlicht weggelacht. Wie er diesen zivilisatorischen Stiftungsblödsinn einer ehemaligen Las Vegas Tänzerin zerlegt, das hat was.


    Leider konnten mich Mittelteil und Ende des Romans nicht sonderlich beeindrucken. Ich habe lange überlegt, woran es liegt. Skios ist sauber durchkomponiert, der Schluss wartet mit einer Überraschung auf, aber irgendwie hakt es für mich, bei den Figuren. Ich habe bei keinem dieser Menschen mitgefiebert oder Sympathie empfunden. Von Oliver Fox erfahren wir eigentlich nur, dass er hinter jedem Frauenrock her ist. Dr. Wilfred macht für mich keine interessante Wandlung durch. Außerdem fand ich die vielen Zufälle in dem Buch unglaubwürdig und das Ende ist konfus erzählt.


    Skios mag in schreibtechnischer Hinsicht eine Meisterleistung sein oder anders gesagt: eine gut geölte Maschine. Für mich fehlt es an Seele. 7 von 10 Punkten

  • Nichts ist wie es scheint:
    Erwartet habe ich einen kurzweiligen, sommerlichen Urlaubsroman zum Nebenbei-Lesen.
    Bekommen habe ich einen kurzweiligen, sommerlichen, intelligenten und rasanten Roman, den man nicht ebenso nebenher, sondern konzentriert lesen musste. Ansonsten entgeht dem Leser nicht nur Situationskomik, sondern auch auch das ein oder andere Missverständnis (und davon gibt es viele!) und kommt so nicht mehr mit.
    Geradezu philosophisch kommt das Buch daher, spielt die Geschichte mit den Erwartungen der Leser und der Protagonisten. Ist sich einer einer Sache ganz sicher, kommt alles ganz anders. Die Missverständnisse und Verwechslungen beruhen meist auf falschen Erwartungen, die auf Grund fehlender Kommunikation nicht ausgeräumt, sondern verstärkt werden.
    Der Vortrag des Dr. Norman Wilfred spielt eine zentrale Rolle, geht es darum doch um die Kausalität von Ereignissen. Alles hängt zusammen, seit dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren. Auch die Ereignisse auf Skios. Oder etwa nicht? Kann ein einziges Ereignis - wie zum Beispiel eine Verwechslung am Flughafen - alles durcheinander bringen? Ja es kann, und das auf durchaus witzige Art und Weise.

    "Leben, lesen - lesen, leben - was ist der Unterschied? (...) Eigentlich doch nur ein kleiner Buchstabe, oder?"


    Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher

  • Der langweilige und etwas dröge Dr. Norman Wilfred reist auf die Insel Skios, um als Gast der Fred-Toppler-Stiftung einen seiner Vorträge über Szientometrie zu halten.
    Ebenfalls unterwegs auf diese Insel ist Oliver Fox, ein Hochstapler wie er im Buche steht, um sich in einem abgelegenen Ferienhaus mit einer Frau zu treffen, die er erst kürzlich kennen gelernt hat. Am Flughafen entdeckt er die bezaubernde Organisatorin der Lesung und beschließt, sich als Dr. Wilfred auszugeben. Und so landet der bedauernswerte Wissenschaftler in einem einsam gelegenen Ferienhaus, während der Hochstapler in der Fred Toppler-Stiftung für Unruhe sorgt…


    Der Autor dieser Verwechslungskomödie ist nicht nur Romancier, sondern auch Theaterautor und das merkt man der ganzen Handlung an. Die Sprünge zwischen einzelnen Szenen, bzw. Personen sind genau wie im Theater genau durchdacht und erinnern auch an ein Theaterstück.
    Das „Stück“ kann mit kluger Sprache und intelligentem Witz punkten, allerdings hat es mich nicht wirklich einfangen können. Die handelnden Personen wirkten auf mich wie Figuren auf einem Schachbrett, die immer gut durchdacht, vom Autor exakt dahin geschoben wurden, wo sie eine möglichst effektive Wirkung erzielen. So stelle ich mir das Vorgehen des Autors beim Schreiben dieses Buches vor.


    Auf der Bühne hauchen die Schauspieler dem Stück Leben ein, im Buch ist es Aufgabe des Autors dafür zu sorgen, doch genau das ist hier zu kurz gekommen. Keine der Figuren ist besonders sympathisch, ihnen fehlen Charakter und Authentizität und so wirken sie wie etwas hölzerne Statisten in einem gut ausgeklügelten Theaterstück, das auf der Bühne sicherlich mehr Erfolg gehabt hätte.


    Mein Fazit: Eine gut durchdachte Verwechslungskomödie bei der der Schreibstil mehr Freude macht, als die handelnden Personen.

  • Titel: Bäumchen wechsle dich - eine Verwechslungskomödie


    Der Inhalt ist eigentlich nicht neu, denn es hat schon zahlreiche Romane und Filme zu dem Thema Verwechslung gegeben, aber die Umsetzung des Ganzen ist einfach genial.


    Oliver Fox flieht vor einer Frau, um sich mit einer anderen, wenn auch durchgeknallten und leicht irren (so wie er auch) Frau zu treffen. Doch als er am Flughafen angekommen ist und er keinen sieht, der ihn abholen will, ist er schon fast am Aufgeben. Doch da sieht er plötzlich eine attraktive Blondine mit einem Schild, auf dem Dr. Norman Wilfred steht und entscheidet sich kurzerhand, sich als eben dieser Doktor auszugeben. Auch die Blondine, Nikki, ist begeistert, denn eigentlich hatte sie gedacht, dass ihr engagierter Gastredner schon etwas älter ist und nicht so ein Schönling, in den man sich glatt verlieben könnte. Der Andere, der echte Doktor, wird somit unfreiwillig in die Rolle Olivers gedrängt, auch wenn dieser noch nicht ahnt, dass hier etwas gewaltig schief läuft. Kaum sind die beiden jeweils auf dem falschen Weg, geht es auch schon los mit den Irrungen und Wirrungen. Da haben die handelnden Protagonisten nicht ihre eigenen Sachen, sondern müssen mit der falschen Kleidung bzw. gar keiner über die Runden kommen. Da ist das Frühstücksbuffet einfach nicht auffindbar. Wildfremde Leute hängen einem wie Kletten am Hosenbein und fragen einen Dinge, von denen kein normaler Mensch je etwas gehört hat.


    Michael Frayn hat eine sehr ansprechende Art die Ereignisse zu schildern. Als Leser wird man regelrecht mitgerissen. Der Autor hat es zumindest geschafft auch mich reichlich zu verwirren, denn bei den vielen Frauen wusste ich auch so manches Mal nicht, welche denn da nun gerade beschrieben wird. Besonders schwer fiel es mir bei Annouk und Georgie, die ich erst auseinander halten konnte als sie sich begegnen, vorher kam mir die Handlung doch sehr rätselhaft vor.


    Besonders gefallen hat mir, dass der Autor die Reichen und Superschlauen auf die Schippe nimmt, denn viele zweifeln an der Echtheit des Doktors, doch keiner will dies offen ansprechen, sondern verfällt lieber in Staunen und lässt sich mit Nichts begeistern, ich sag nur Kaffeetassenorakel...


    Dass die Geschichte in Griechenland handelt, spielt eigentlich keine Rolle, da die beschriebenen Ereignisse auch an jedem anderen Ort der Welt so passieren könnten. Als Leser wartet man wie gebannt auf die Auslösung und die Begegnung aller Beteiligten und zu gern möchte man live dabei sein, um die erstaunten Gesichter zu sehen.


    Fazit: "Willkommen auf Skios" bereitet trotz altbekannten Themas unheimlichen Spaß und unterhält erzählerisch auf sehr hohem Niveau. Über manch Missgeschick kann man herzlich lachen und die gebeutelten Protagonisten hangeln sich von einem Fettnäpfchen zum anderen. Mir hat es gefallen, einfach toll!


    Bewertung: 8/10 Eulenpunkte