Erinnerungen an einen schmutzigen Engel – Henning Mankell

  • Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
    Verlag: Paul Zsolnay Verlag, 2012


    übersetzt aus dem Schwedischen von Verena Reichel


    Kurzbeschreibung:
    Schweden, Anfang 20. Jahrhundert: Die junge mittellose Hanna muss als älteste von fünf Geschwistern ihr Heimatland verlassen und kommt in die portugiesische Kolonie Mocambique. Sie wird dort ein Vermögen erben, ein Bordell leiten und einige Jahre später spurlos wieder verschwinden. Auf der Grundlage weniger überlieferter Dokumente hat Bestsellerautor Henning Mankell einen spannenden, farbenprächtigen Roman über eine außergewöhnliche Frau geschrieben, die ihren eigenen Weg zwischen den weißen Rassisten und der schwarzen Bevölkerung in Afrika finden muss.


    Über den Autor:
    Henning Mankell geboren 1948 in Härjedalen, ist einer der angesehensten und meistgelesenen schwedischen Schriftsteller, vor allem bekannt durch seine Wallander-Krimis. Er lebt als Theaterregisseur und Autor abwechselnd in Schweden und in Maputo/Mosambique.


    Mein Eindruck:
    Mankell erzählt die Lebensgeschichte einer schwedischen Frau, die 1904 Schweden verlässt und in Mosambik landet. Dass so eine Frau wirklich existierte, lässt sich nachweisen und so basiert Mankells Roman auf einem wahren Ansatz.
    Die Romanstruktur erinnert an Per Olov Enquist, ohne natürlich dessen literarische Tiefe zu erreichen. Aber dennoch sehr atmosphärisch und schön geschrieben.


    Hanna ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Als junge Frau heuert sie als Köchin auf einem Schiff an und heiratet den Steuermann, der aber schon bald an einem Fieber stirbt. Daraufhin verlässt sie schwanger das Schiff und wird bei einer Fehlgeburt als Gast in einem Bordell aufgenommen. Schließlich heiratet sie den Besitzer, der auch bald stirbt und wird selbst Chefin des Bordells. Sie wird anerkannter Teil dieser Welt und schließlich nur noch Ana Branca (Weiße Ana) genannt.
    Hannas Einsatz für eine schwarze Frau, die ihren gewalttätigen Mann erstochen hat, ändert die Situation. Niemand möchte an den bestehenden, ungeschriebenen Gesetzen etwas ändern.
    Daran scheitert auch Hanna. Insbesondere als sie auch noch eine Beziehung mit einem schwarzen Mann beginnt, bricht sie fremde Regeln.
    Diese sozialkritische Komponente, die Mankell sorgfältig herausgearbeitet hat, ist das wichtige Motiv des Romans.


    Es gibt viele schöne Bilder in diesem Buch. Insbesondere die Beschreibungen Afrikas, aber anrührend sind auch kleine einzelnen Szenen, z.B. wie Hanna den Schimpansen Carlos, den sie von ihrem zweiten Mann geerbt hatte, wie ein Familienmitglied behandelte und als Carlos tragisch stirbt, sie ihn feierlich auf dem Meer beerdigt.


    Das Buch konnte mich am Ende richtig überzeugen und bekommt 8 von 10 Punkten.

  • Hanna lebt in Nordschweden in tiefster Armut, 1903, in einem besonders schlimmen Winter schickt ihre Mutter sie in den Süden, zu Verwandten, da nicht mehr genug für die ganze Familie da ist und Hanna so die Chance auf ein besseres Leben erhält. Doch von der Familie ist niemand mehr da. Hanna erhält eine Anstellung als Magd und heuert später auf einem Schiff Richtung Australien als Köchin an. Sie verliebt sich in einen der Steuermänner, heiratet ihn und wird schnell wieder Witwe. Sie verlässt das Schiff in Mosambique und wird schließlich Besitzerin eines Bordells.


    Henning Mankell hat hier eine fiktive Geschichte um einen wahren Kern geschrieben. Anfang des 20. Jhdt. war eine schwedische Bordellbesitzerin der größte Steuerzahler in der Hafenstadt, in der Hanna strandet. Da man über diese Frau sonst nichts weiß, konnte Mankell seiner Fantasie freien Lauf lassen.


    Die Geschichte wird in einer sehr distanzierten Sprache erzählt und zwar aus Hannas Sicht. Durch die sprachliche Distanz zum Geschehen wird eine Objektivität ermöglicht, die sonst hätte nicht erreicht werden können. Mankell, der selbst auch in Mosambique lebt, kennt das Land und hat sich auch mit seiner Geschichte beschäftigt. Die Rassentrennung, der Rassismus, die unterschiedlichen Lebens- und Denkweisen der schwarzen und der weißen Bevölkerung des Landes kommen hier zum Tragen und werden durch Hanna kritisch gebrochen. Es gelingt ihr nicht immer, sich davon zu distanzieren, doch sie bemerkt durchaus, dass da manches im Argen liegt.


    Leider lässt die distanzierte Sprache aber auch nicht zu, mit Hanna (oder auch mit anderen Charakteren) wirklich warm zu werden. Einige Handlungsweisen bleiben nicht nachvollziehbar, einige Handlungsstränge unverständlich. Letztendlich ist es aber ein Buch, das sehr zum Nachdenken anregt und einiges an Diskussionsstoff bietet. Mich hat kurioserweise besonders das offene Ende mit einigen Schwachstellen des Buches versöhnt, sonst mag ich so etwas eigentlich nicht so gerne, hier aber lässt es mir selbst die Möglichkeit, Hannas Leben weiter zu denken.


    Von mir 8 von 10 Punkten