Das wird ein bisschen weh tun - Stefan Schwarz

  • Inhalt (Klappentext):
    Max' Leben verlief 45 Jahre lang vollkommen vorhersehbar: Er bekam die Frau, die er wollte - Dorit, resolut und erfolgreiche Werbeagentur-Frau.
    Er arbeitet weitgehend unbemerkt als leicht chaotischer Redakteur bei einem Fernsehsender, geht regelmäßig mit seiner schönen türkischen Kollegin Nergez essen und schafft es doch nicht zum Seitensprung.
    Er hat einen 18-jährigen Sohn kurz vorm Abitur, Konrad, und seine Eltern, die ruhig das Renterdasein genießen.
    Doch alles ändert sich, als Naddi einzieht, Konrads erste und chaotisch-prollige und ziemlich psychotische Freundin. Naddi kann 'mein' und 'dein' nicht unterscheiden, versaut zum Einstand das Badezimmer, krümelt das elterliche Ehebett mit Chips voll, bringt Konrad den Genuß bunter Pilze bei und schürt bei Max und Dorit die ständige Furcht vor einer Schwangerschaft.
    Zur gleichen Zeit verwandelt sich der Vater in einen unleidlichen Pflegefall, ein unbekannter Verfolger beschädigt ihm täglich das Auto und Max bekommt einen Vertretungsjob bei der Serie 'Ihnen kann geholfen werden' - mit einem Einstiegsengagement, das alle Voraussetzungen für eine Katastrophe erfüllt.
    Plötzlich ist nichts mehr vorhersehbar und Max befindet sich von einem Tag auf den anderen im freien Fall ...



    Meine Meinung:
    Ich habe eine längere Phase keine Comedy mehr gelesen (vielleicht, weil mir das meiste, in das ich die letzten Jahre reinlas, plakativ, ziemlich erzwungen und aufgesetzt vorkam, oder Schenkelklopferhumor, den man ab Seite 14 nicht mehr lustig findet).
    Über 'Pinguinwetter' bin ich wieder auf das Genre gekommen, und auch wenn ich das Buch eher flach und aufgesetzt fand, kam ich darüber wieder auf den Geschmack und wagte noch mal einen Versuch. Es wurde dann 'Das wird ein bisschen weh tun', weil die ersten drei Seiten so brüllend komisch und gleichzeitig klug geschrieben sind, dass man gar nicht anders kann, als weiterzulesen.


    Um es kurz zu machen: Ich finde das Buch grandios.


    Von Anfang bis Ende schafft es der Autor nicht nur, zum Kaputtlachen lustige Momente einzufangen, bei denen man laut herauslachen muss, sondern auch eine richtig gute und anrührende Geschichte zu erzählen, die Tiefe und Bedeutung hat und viel berührender ist, als so mancher sentimentalitätstriefende Schicksalsroman. All die Charaktere im Buch wirken zutiefst wahrhaftig und echt, wie aus dem Leben geschnitten, kein bisschen aufgesetzt oder künstlich. Mit jeder Faser leben sie, und deshalb ist es auch so unglaublich komisch, selbst in tragischen Momenten, mit ihnen durchs Leben zu stolpern.
    Der Humor in diesem Buch ist keine Aneinanderreihung erzwungener Gags, und auch keine Übersteigerung von Klischees, wie man sie in anderen Genre-Vertretern oft findet, sondern wunderbare Situationskomik und das unwillkürliche Kichern, das einen befällt, wenn jemand Dinge ausspricht, wie sie sind, ganz ungeschminkt. Seien es die absurden Momente beim Dreh der Reality-Show, bei denen um jeden Preis der Schein aufrecht erhalten werden muss. Sei es der ungebremste Wahnsinn trifft auf angestrengte elterliche Vernunftbemühungen im Hause Max&Dorit, wenn eine sechzehnjährige Punk-Göre sich in den Werten bürgerlichen Etablissements verheddert und der achzehnjährige, von Pilzen überforderte und spät-pubertierende Schlacks nur stammeln kann: Abba üch lühbe sie doch! Oder seien es die tragisch-komischen und zugleich sehr berührenden Momente, wenn Max bei seinen Eltern zwei Stunden lang damit zubringt, seinen schwerkranken, zweieinhalb Zentner schweren, sozialistische Arbeitsethik predigenden Vater vom Balkon aus dem strömenden Regen ins Trockene zu bugsieren, ohne sich dabei das Kreuz zu verreißen.



    Eine meiner Lieblingsstellen (zwischen Max und Dorit, nachdem die Naddi-und-Konrad-Liebeskatastrophe eskaliert):
    "Liebe ist doch wirklich das letzte!", sagte ich wütend. [...] "Alles geschieht aus Liebe! Eine Ausrede für Wahnsinn und Egoismus!" [...]
    "Das zwischen uns ist also keine Liebe?", fragte Dorit.
    "Nein", sagte ich. "Natürlich nicht. Es ist mehr. Deswegen hält es auch. Lieben kann doch jeder Idiot!"



    Noch mal: ein ganz, ganz tolles Buch. Wunderbar komisch, berührend erzählt und mit einer richtig guten Geschichte, die sogar ein paar unerwartete Wendungen bereithält.
    Konkurrenzlos gut!
    Unbedingt lesen!
    10 Punkte und noch ein Extra-Sternchen.


    --
    LG, Elena

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!

  • Das klingt ja mal toll und das Cover ist auch echt goldig. :-)


    Setze es gleich mal auf meine Amazon-WL. :-]

    Zündet man eine Kerze an,erhält man Licht.Vertieft man sich in Bücher,wird einem Weisheit zuteil.Die Kerze erhellt die Stube, das Buch erleuchtet das Herz.


    (Sprichwort aus China)

  • Ich durfte das Buch im Bett nicht mehr lesen, weil meine ständigen Lachanfälle die holde Gattin am Einschlafen hinderten. Also hab ich's auf einer Bahnfahrt zu Ende gelesen. Und ich kann nur bestätigen: Es ist wirklich ein lustiges Buch, gut geschrieben und ohne oberflächliche Comedy-Gags, mit denen heute gewisse "Comedians" die Säle füllen. Natürlich hat es keine Handlung, die weiterer Erwähnung bedürfte - muss es auch nicht haben -, aber es ist voller urkomischer Szenen, die ständig zu Heiterkeitsausbrüchen führen.
    Ich kann es jedem empfehlen, dem der Sinn einmal wieder nach einem mehr als nur witzigen Buch, also nach gutem Humor steht.
    Man kann dabei sogar noch spontaner (und herzlicher sowieso) lachen, als über die aktuelle Mac Donald's-Diskussion im Fred "Allerlei Buch"(!) ... :lache

  • Ja! Ich habe das Buch jetzt gelesen. Habe zwar zwei Wochen für gebraucht, aber das liegt eher an meinem Lese-Zeit-Mangel derzeit. Ich habe es immer mal vor dem einschlafen gelesen. Sehr schön fand ich auch die kurzen Kapitel. Da ich oft nach einem schon müde bin, war es diesmal sehr angenehm. So habe ich fast alle abends zu Ende lesen können und oft musste ich, weil es so spannend war, noch mehr lesen.


    Das war sicherlich nicht mein letztes Buch von Stefan Schwarz.


    Ich habe auch mehrmals laut lachen müssen. Und wenn ich in Anwesenheit meines Freundes gelesen habe, durch witzige Stellen lachen musste, und er dann: "Hm?" gemacht hat, habe ich ihm die ein oder andere Passage auch vorgelesen. Da musste er dann durch. :zwinker.


    Also. Das Buch ist echt empfehlenswert! 10 von 10 Punkten. Ich muss sehen, dass ich auch eine Reszension bei Amazon schreibe.

    Zündet man eine Kerze an,erhält man Licht.Vertieft man sich in Bücher,wird einem Weisheit zuteil.Die Kerze erhellt die Stube, das Buch erleuchtet das Herz.


    (Sprichwort aus China)

  • Selten habe ich einen irritierenderen Blurb auf einem Buchrücken gelesen:


    Schlicht und ergreifend der komischste Comedy- Autor im Moment.
    Jürgen von der Lippe


    Stefan Schwarz ist ganz, ganz sicher kein "Comedy- Autor", was immer das auch genau ist. Herr Schwarz hat ein Buch geschrieben, das traurige Themen geschickt verpackt. Vieles wirkt komisch (oberflächliche Menschen denken dann vielleicht lieber nicht weiter), aber im Grunde genommen ist das Meiste davon ziemlich tragisch. Tragisch, weil es der unausweichliche Gang der Dinge ist.


    Der verheiratete Protagonist Max befindet sich in der sogenannten "Rushhour des Lebens." Sein bisher gut gelungener Sohn Konrad wird langsam flügge, ausgerechnet an ein gepiercstes, schlampiges Mädchen, das sich der Familie eines Morgens am Frühstückstisch in Shirt und Shorts mit den Worten: "ich bin die Naddi!" vorstellt. Gegen Kinder hätte sie nichts und von Verhütung hält sie nicht viel. Konrad steckt mitten im Abi und findet Naddis Idee nicht übel,sich mal beim "Supertalent" zu bewerben.


    Max steht beruflich ganz gut da, obwohl er glücklich verheiratet ist, kann er die Augen nicht von seiner hübschen, türkischen Kollegin lassen. Außerdem pflegt er seinen Vater, dem es im Laufe des Buches immer schlechter geht.


    Der Autor schreibt sprachgewand und sehr gelungen. Ja, ich habe gelacht, aber es hat mich auch bewegt. Wer denkt schon nicht daran, was mal aus seinen Kindern wird, in wen sie sich verlieben. Was ist, wenn man erst mit fünfzig Jahren den Partner fürs Leben findet, der auch genetisch und wissenschaftlich nachgewiesen wirklich zu 99% zu einem passt? Was ist, wenn aus dem stolzen,sturen, immer riesenhaften Vater plötzlich ein stammelnder Mensch wird, der seine Körperfunktionen nicht mehr unter Kontrolle hat, der gefüttert, gewaschen und aufs Klo gehoben werden muss? Ja, es ist lustig, wenn der Protagonist versucht, sich durch die Telefonhotline eines Seniorenservices zu telefonieren, um Inkontinenzartikel zu bestellen, weil seine Mutter daran verzweifelt. Aber es ist gleichzeitig auch todtraurig, weil es so wahr ist. Die Welt dreht sich immer schneller und sie wird auch nicht damit aufhören, weil jemand nicht mehr mitkommt. Sie rotiert rücksichtslos weiter. Wenn der Kundenservice fragt, welches Fassungsvermögen die "Windeln" haben sollen: ... 3,7 Liter Fassungsvermögen, wenn Sie sich zB mal eine Zeitlang weniger intensiv um eine Pflegeperson kümmern können",ist das alles andere als komisch.


    Dieses Buch ist tiefgehend und schön. Es sollte meiner Meinung nach in eine andere Rubrik verschoben werden und von all denen gelesen werden, die vergessen, dass wir alle mal alt werden.


    10 Punkte.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Liebenswürdige Un-Geschichte


    Max Krenke ist Mitte vierzig, Redakteur beim Landfunk, Ehemann der resoluten Erfolgsfrau Dorit sowie Papa von Mascha und Konrad. Letzterer betritt soeben die Volljährigkeit - und bringt eines Tages Naddi mit nach Hause, ein unaufhörlich plapperndes Piercingmonster, dem Max kein einziges Wörtchen glaubt. Die überschaubare und bislang heimelige häusliche Welt wird auf eine harte Probe gestellt.
    Außerdem ist da noch Max' Vater, der mal ein hoher Funktionär in der DDR-Agrarindustrie war und pausenlos von alten Zeiten erzählt, während er körperlich verfällt, was er allerdings nicht wahrhaben will.
    Abgerundet wird die Angelegenheit durch die reizvolle Kollegin Nergez, mit der Max, wie ein Reportagegast quasi en passant festgestellt hat, genetisch ideal harmoniert, so dass die beiden eigentlich unbedingt Kinder zeugen müssten. Deshalb kauft sich der Held ein Kondom, denn früher, als er noch jung war, führte das unweigerlich dazu, dass es keinen Sex gab. Dieses Kondom allerdings findet die Ehefrau Dorit. Zu allem Überfluss führt ein anonymer Täter rätselhafte Anschläge auf Max' Auto durch.


    Unterm Strich spielen Geschichte und Verwicklungen aber kaum ihre Rollen, zumal von einer Geschichte Schrägstrich Handlung im eigentlichen Sinn überhaupt nicht gesprochen werden kann. Insofern sei dem Autor auch verziehen, dass die Auflösungen auf eher tönernen Füßen stehen, um es vorsichtig auszudrücken, denn bei diesem kurzen, vergnüglichen und überaus liebenswerten Roman ist eindeutig und sprichwörtlich der Weg das Ziel. Stefan Schwarz legt seiner sympathisch-chaotischen Hauptfigur so wunderbare Sätze in den Mund und Gedanken in den Kopf, dass es eine wahre Freude ist, zudem skizziert der Autor sein überwiegend schrullig-originell-hinreißendes Personal präzise, anschaulich und mit erkennbarer Zuneigung zu seinen Figuren. "Das wird ein bisschen wehtun" ist eine clevere und humorige Liebeserklärung an die Familie, das Dasein, die Merkwürdigkeit der Welt und ihre Passagiere. Schwarz macht sich an keiner Stelle über irgendwen lustig (okay, die dicke Vroni kriegt durchaus ihr Fett weg), und dennoch muss man oft lachen oder schmunzeln - und fortwährend nicken. Der Autor führt den Beweis, dass Comedyliteratur kein simples Haudrauf sein muss, in dem Figuren zu reinen Pointenlieferanten werden, sondern dass man sich ihnen auch ... äh ... ernsthaft zuwenden kann, ohne auf Humor zu verzichten. Man könnte sogar sagen, dass Schwarz' Max Krenke ein klassischer Entwicklungsromanheld in bester Wilhelm-Meister-Tradition ist - nur eben sehr viel lustiger als beim ollen Goethe.

  • Zitat

    zudem skizziert der Autor sein überwiegend schrullig-originell-hinreißendes Personal präzise, anschaulich und mit erkennbarer Zuneigung zu seinen Figuren.


    Absolut. Meine Lieblingsnebenfigur ist dieser Fernsehmoderator, der irgendwann durchdreht, sein Sexleben kommentiert und bei Vroni nochmal voll durchstartet! :lache

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Ein schönes Buch zum Ausspannen, Lachen, Nachdenken, sich über Männer wundern und im Hinblick auf die Zukunft, was die Teenies betrifft, auch ein bisschen Angst empfinden. :-]


    Ich empfand es als ziemlich lebensnah, nicht so durchgeknallt und "slapstick-ig", wie man anhand des Klappentextes vielleicht glauben könnte.


    Auf jeden Fall ein gutes Lese-Erlebnis, wenn ich auch den Anfang sehr stark fand, das restliche Drittel aber eher als durchschnittlich.


    Von mir gibt es 8 Punkte.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“