So, jetzt kann ich auch das eine oder andere Wort loswerden. Wo fange ich an? Als bekennende Nachwort-zuerst-Leserin müsste ich ja mit Seite 603 beginnen, aber, nun ja, lass ich das lieber und fange vorne an, also mit dem Cover. Abermals nun ja, vermutlich bin ich eine der wenigen Leserinnen (oder Bloß-Buch-Angucker), denen es nicht gefällt. Tut mir leid, aber mir sagt es schlicht nicht zu. Die Innenseite ja, aber ohne die Blümchen.
Die Überschrift von Teil I, noch mehr aber das Zitat haben mir außerordentlich gut gefallen, besonders als ich mit dem 1. Abschnitt fertig war. Ich musste ganz stillvernügt vor mich hin grinsen, Jacobina hätte es sicherlich ebenso gefreut. Überhaupt Jacobina: Ich mag sie sehr, sie ist mir außerordentlich sympathisch. Floortje ist mir noch ein wenig zu … wie soll ich sagen? Wenn ich das Cover und die Innenseite (ohne Blümchen) vergleiche: Floortje vorn, Jacobina versteckt sich und zeigt sich erst, wenn man hinter die „Fassade“ (sprich Umschlagseite) schaut. Floortje will neugierig machen, vielleicht auch locken oder gar prunken, Jacobina ist, was sie ist und genügt sich (na gut, nicht in allem, aber im Großen und Ganzen doch wohl – so verstehe ich sie zumindest).
Mir gefallen die Beschreibungen, gleich auf Seite 11 geht es ja damit los, setzt sich fort und fort, mir gefällt, dass Nicole sich so viel Zeit und Raum dafür nimmt. So muss das sein – für mich wenigstens. Nicht gleich Action, sondern langsames Eintauchen in eine andere Welt. Gerade dieses Behutsame, dass mir das langsame Aufnehmen des Textes sehr erleichtert, kommt mir jetzt gerade recht, denn: Wenn ich ehrlich bin, der erste Satz war wie ein Schock für mich. „Freiheit“, das Wort kommt darin vor, auch „Duft“. Vielleicht ist ein Leserundenbeitrag auch dafür da, einzugestehen, dass ich fast ein bisschen Angst hatte, das Buch anzufangen, denn die Materie, mit der ich mich derzeit beschäftige, beinhaltet alles andere als „Freiheit“, und der „Duft“ ist der Gestank verbrannten Fleisches. Würde ich überhaupt hineinkommen – das war schon eine Befürchtung, die ich hegen musste.
Dieser erste Teil an Bord des Schiffes hat es mir zwar nicht leicht gemacht (Entschuldigung, aber ich bin zu alt, um belastende Bilder einfach so beiseite zu schieben), aber immerhin erleichtert, so dass ich mich nun ein wenig heimisch fühle im Buch.
Die Beschreibungen der beiden Frauen und auch der übrigen Fahrgäste haben mir sehr gut gefallen. Da braucht es oft nur weniger Worte, und schon weiß ich um die Einsamkeit beider, weiß ich um ihre Sehnsüchte, glaube ich, sie zu kennen, könnte ich ihnen auch andere Namen geben. Jacobina jedenfalls halte ich keineswegs für „freudlos“ und schon gar nicht für „kalt“ (Seite 19), das möchte sie aber anscheinend von sich selber glauben. Floortje halte ich für ein Missbrauchsopfer, vermutlich innerhalb der Familie geschehen. Aber wir werden sehen, wie gut es um meine Raterei bestellt ist.
Meine Frage zu Seite 23: Gab es das für „die Kolonien“ häufiger, dass auf „Zeugnisse keinen Wert“ gelegt wurde? Und galt das für Niederländer? Weil, Entschuldigung, aber für Deutschland kann ich mir das wahrlich nicht vorstellen.
Die nächste Frage gilt Seite 28 dem „schleichenden Verfall“ Neapels. Zu der Zeit schon? In dieser Region Europas kenne ich mich nicht aus und ich bin zu faul um nachzuschauen: Was war denn der Grund dafür?
Für den Schatten in diesem Abschnitt sorgt Herr Ter Steege auf Seite 34, das klingt nicht gut, was er da zum Besten gibt. Aber Kolonialherren waren wohl immer stramm national eingestellt, die meisten jedenfalls.
Noch einmal zurück zu Jacobina – in Bezug auf die Seiten 40, 41: In reichen Familien waren Töchter resp. Schwestern doch immer „Mittel zum Zweck“; sicherlich hat Tine sie auch sehr verletzt. Trotzdem kam in mir der Gedanke auf, was man dem armen Mädchen – vielleicht, doch ich glaube seit früher Kindheit an – vermittelt hat. War sie gewohnt, abgelehnt zu werden – das denke ich. War sie aus bitterer Erfahrung bereit, sich sofort zurückzuziehen und nur negativ zu denken – auch das denke ich. Wenn Tine doch eigentlich einen guten Einfluss auf sie hatte und sie aus sich herausging … ach, ich weiß, ich träume, aber hätte sie das dort und von ihr „Gelernte“ nicht behalten können? Aber wie so häufig, das Gegenteil tritt ein: Es wird schlimmer. Und es tut mir im Herzen weh, dass sie so wenig zu lachen hatte – aber verlernt hat sie es nicht (Seite 69/70). Gut, dass Floortje so hartnäckig ist! Aber erstaunlich, dieses Menschenkind. Ich werde immer neugieriger auf sie.
Auf Seite 54 steht die zauberhafteste Beschreibung, die ich je für einen Sturm (auf See) gelesen habe.
Edit: Immer diese Buchstaben, die man irgendwo herkramen muss, damit sie da stehen, wo sie hingehören ...