'Biokrieg' - Kapitel 10 - 16

  • Andersons Faszination für Emiko vertieft sich, nachdem er sie vor einem Junkie retten konnte und sie sich ihm, freiwillig, hingegeben hat, zumindest denke ich, dass es dazu gekommen ist.
    Sie verhält sich immer wieder mal konträr ihrer Erziehung, geht nachts auf den Markt, wo sie nicht geschützt werden kann von Raleigh, der ihr Patron ist und reichlich Schmiergelder für ihren Schutz bezahlt. Sie ringt sich sogar dazu durch ihn nach den Dörfern der Aufziehmenschen im Norden zu fragen, wo diese frei unter Ihresgleichen leben. Was hat sie sich nur dabei gedacht? Er ist viel zu sehr Geschäftsmann, als dass er ihr entgegen seinen finanziellen Interessen helfen würde. Und nun wird er sie noch aufmerksamer beobachten...


    Hock Seng versucht, die Spule neuen Typs und ihre Konstruktionspläne an den Kadaverkönig zu verschachern. Das wird wohl nicht gut gehen. Hock Seng ist auch so Jemand, aus dem ich nicht schlau werde. Vor der großen Kontraktion war er ein Unternehmer, verlor dann alles und will wieder jemand werden. Soweit schon klar. Und ein kluger Kopf ist er auch. Die Ursache dafür, dass seine Pläne scheitern oder nicht voran kommen sind wohl wirklich die äußeren Umstände. Am eigenen Engagement kann es nicht liegen, denn er würde über Leichen gehen, da bin ich mir sicher.
    Zu Ende des Abschnittes organisiert er noch in aller Eile, dass zwei Kranke verschwinden, die bei den Algentanks gefunden wurden, damit sie nur keiner sieht und auf die Idee kommt, die Tanks zu kontrollieren. Diese Tanks halte ich so wie so für eine tickende Zeitbombe. Den ganzen bisherigen Roman über ist schon von deren Infizierung die Rede. Da es aber keinen Nachschub gibt, kann man sie nicht auswechseln. Wenn da mal keine neue Seuche herangezüchtet wird...


    Hauptmann Jaidee muss unter Druck (man hat seine Frau entführt) Abbitte leisten und verliert alles...


    Lese ich noch weiter? Ich überlege wirklich.

  • Zitat

    Original von Clare
    Lese ich noch weiter? Ich überlege wirklich.


    Das hoffe ich doch.


    Für mich ist es das, was ich unter guter Science Fiction verstehe:


    Das was heute ist weitergedacht, ob in positiver oder negativer Richtung.


    Und dazu braucht’s für mich keinen Helden, keinen strahlenden Ritter, der am Ende alles zum Guten wendet. Das wäre dann ein besserer Abenteuerroman (sowas mag ich auch zwischendurch ganz gerne).


    Nur sollte man die beiden Arten nicht mit einander vergleichen, da sie unterschiedliches beim Leser ansprechen.


    Vom Begriff „Große Expansion“ ausgehend, die ich heute und in den nächsten Jahrzehnten einordne, wird beschrieben was sein könnte.


    Um den Leser das Argument zu nehmen: „Doch nicht bei uns“, nimmt der Autor einen Teil der Welt, der uns „Westlern“ eh exotisch vorkommt.


    Und um einen „Abenteuer-Roman“ zu vermeiden zeigt der das Dasein von 4 Personen aus unterschiedlichen „Schichten“:


    Anderson Lake – der Westler, der denen angehört, die für den ganzen Schlamassel verantwortlich sind und es immer noch nicht kapiert haben.


    Jaidee und Kanya – die dagegen ankämpfen (Heute würde man sie eher „fundamentalisti-sche Grüne“ nennen


    Hock Seng – aus der Gruppe der großen Verlierer, von ganz oben nach ganz unten


    Emiko – die erst durch die neue, alles gefährdende Technik überhaupt entstanden ist. Als Mensch nicht anerkannt, zu intelligent für ein Tier.


    Diese 4 bilden auch die Haupthandlungsstränge und an ihnen wird die Welt, wie sie sein könnte, geschildert.


    Interessant finde ich bisher, dass die Weißhemden, die sich als einzige wehren ,schon fast faschistoide Züge tragen.
    Für alle anderen geht es mehr oder minder um Geld und Macht. Also auch in mehr als hun-dert Jahren nichts Neues unter der Sonne.
    Und mit Emiko kommt die immer wieder diskutierte Frage auf; Was ist Leben, was ist menschliches Leben?



    Zugegeben, das Buch ist keine leichte Lektüre, aber, wenn man kein Happy End erwartet, lohnt es sich auf jeden Fall.
    Und die meisten thailändischen Ausdrücke klären sich ja im Laufe des Romans und sind in der Regel auch nicht sehr wichtig.


    Auf jeden Fall habe ich einen interessanten neuen Beruf kennengelernt: Gegengewicht für eine Fahrstuhl.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Ich werde schon weiter lesen, schon weil ich dich hier ja nicht allein lassen kann. :wave
    Und weil ich die Herausforderung liebe...


    Vielleicht hatte ich auch nur einen sehr schlechten Start ins Buch, falscher Zeitpunkt oder so. Das gibt es ja.
    Einen strahlenden Ritter erwarte ich nicht, bloß nicht. Ich brauche auch keinen Helden und erst recht kein Happy End. Wir haben noch keine LR zusammen gelesen, oder ;-)
    Das wollte ich nur mal klar stellen. ;-)


    Wenn ich es so betrachte wie du, also den bisherigen Roman in 4 Handlungsstränge teile, dann gewinnt er beträchtlich an Struktur. Das hat sich für mich nicht so klar herauskristallisiert.


    Die Weißhemden sind wirklich die Einzigen, die aus der Masse der Profiteure herausstechen. Erst habe ich sie für eine religiös anmutende Gruppierung gehalten. Nun, sie sind der Arm des Umweltministeriums, aber sie haben auch etwas idealistisch anmutendes, fast religiöses. Sie scheinen, zumindest bis jetzt, einem gewissen Ideal zu folgen und sich nicht der vorherrschenden Profitgier zu beugen.


    Faschistoide Züge? Kannst du das näher erklären?

  • Zitat

    Original von dyke


    Interessant finde ich bisher, dass die Weißhemden, die sich als einzige wehren ,schon fast faschistoide Züge tragen.


    Ist ja auch in der Begrifflichkeit schon angelegt: Weißhemden - Braunhemden (SA Hitlers) Und so strahlend weiß wie ihre Uniform sind die Truppen wahrlich nicht. Rote Hemden wären wohl passender gewesen. Zimperlich sind sie nicht. Im Grunde genommen sticht Jaidee aus der Masse heraus. Er ist Idealist.


    Zitat

    Original von dyke
    Auf jeden Fall habe ich einen interessanten neuen Beruf kennengelernt: Gegengewicht für eine Fahrstuhl.


    :lache Ja, das ist gut! Das fand ich auch sehr apart.

  • In Kapitel 10 erfährt man hier auch, dass die seltsame Motorik der Aufziehmenschen kein "technischer Defekt" ist, sondern bewusst so generiert wurde. Sie sollten sofort und jederzeit als "Neue Menschen" erkennbar sein, um die Kopie nicht besser zu machen als das Original. Diesen Fehler haben die Genfledderer ja bei der Cheshire-Katze gemacht.


    Kapitel 11
    Chaya, Jaidees Frau, wurde entführt. Genau das meinte ich damit, als ich schon zu Anfang Jaidee als sorglos und naiv bezeichnete. Etwas in dieser Art hatte ich befürchtet. Er hat sich für unangreifbar gehalten, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Bei seiner öffentlichen Demütigung habe ich ordentlich mitgelitten. :cry

  • Zitat

    Original von Rosha
    In Kapitel 10 erfährt man hier auch, dass die seltsame Motorik der Aufziehmenschen kein "technischer Defekt" ist, sondern bewusst so generiert wurde. Sie sollten sofort und jederzeit als "Neue Menschen" erkennbar sein, um die Kopie nicht besser zu machen als das Original. Diesen Fehler haben die Genfledderer ja bei der Cheshire-Katze gemacht.
    ...


    Emiko denkt aber, dass es ein technischer Defekt ist, so habe ich es jedenfalls verstanden. Irgendwo sagt sie auch mal, dass bei der Erschaffung der Neuen Menschen wohl noch geübt wurde. :gruebel

  • Zitat

    Original von Clare


    Emiko denkt aber, dass es ein technischer Defekt ist, so habe ich es jedenfalls verstanden. Irgendwo sagt sie auch mal, dass bei der Erschaffung der Neuen Menschen wohl noch geübt wurde. :gruebel


    Nein, das habe ich anders verstanden. Emiko sagt auf Seite 203:


    "Für diese Welt sind sie wohl zu vollkommen, glaube ich. Ein natürlicher Vogel hat jetzt fast keine Chance mehr." Sie lächelt leicht. "Stellen Sie sich vor, sie hätten die Neuen Menschen zuerst gemacht!"


    Funkelt da Schalk in ihren Augen? Oder ist es Melancholie?
    "Was, meinst du, wäre dann geschehen?", fragt Anderson. Emiko erwidert seinen Blick nicht, sondern beobachtet die Katzen, die zwischen den Essenden umherhuschen.
    "Die Genfledderer haben von den Cheshire zu viel gelernt."Mehr sagt sie nicht, aber Anderson kann erraten, was ihr durch den Kopf geht. Wenn ihresgleichen zuerst erschaffen worden wäre, bevor die Genfledderer dazulernten, wäre sie nicht steril gemacht worden Sie würde sich nicht auf diese abgehackte Art und Weise bewegen, die sie immer und überall verrät.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Franz Kafka

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  • Zitat

    Original von Clare
    Ah ja, danke für's auf-die-Sprünge-helfen. :wave
    Vielleicht ist mein Eindruck auch schon zu sehr von dem gefärbt, was es später noch zu lesen gibt...


    Das ist gut möglich. Das geht mir auch so, wenn ich aus Zeitgründen bei einer LR ausnahmsweise mal "vorgelesen" habe. :wave


    Gerade bei diesem Buch ist es so, dass sich die Figuren entwickeln und verändern.