Suzie Wong - Richard Mason

  • Suzie Wong - Richard Mason



    ISBN: 3293205364


    Verlag: Unionsverlag


    Erscheinungsjahr: 2011 (die vorliegende Ausgabe; der Originaltitel erschien 1957)


    Seitenzahl: 400


    Übersetzer: Edmund Th.Knaur


    Über den Schriftsteller:
    Richard Mason, geboren 1919 nahe Manchester, war ein britischer Schriftsteller, der u.a. für ein Filmmagazin arbeitete.
    Während eines Aufenthaltes in Hongkong wurde er zu seinem bekanntesten Roman "The world of Suzie Wong" inspiriert, der im Jahr 1957 erschien, weltweit Erfolge feierte und mit Nancy Kwan und William Holden verfilmt wurde.
    Nach einer Krebserkrankung verstarb Richard Mason im Jahr 1997 in Rom.


    Über den Inhalt:
    Der Engländer Robert Lomax verbringt einige Zeit als Arbeiter auf einer Plantage im britischen Malaya. Als absehbar ist, dass seine künstlerischen Erfolge einträglich sind, beschließt er für ein Jahr nach Hongkong zu gehen und zu malen. Die Suche nach einem Zimmer gestaltet sich schwieriger als gedacht und so findet sich der junge Engländer in einem Hotel wieder, dessen Zimmer stundenweise an Barmädchen vermietet werden.
    Dort schließt der junge Maler nicht nur Freundschaft mit den Prostituierten, sondern lernt auch Mee-ling kennen,
    die sich als Suzie vorstellt und den jungen Engländer schon bald fasziniert.


    Meine Meinung:
    Wer eine Reise nach Hongkong plant, stößt in der Reiseliteratur unweigerlich auf den knapp fünfundfünzig Jahre alten Roman "Suzie Wong", der nicht nur die Liebesgeschichte der bezaubernden Chinesin Suzie Wong und des Malers Robert Lomax erzählt, sondern auch von einer Stadt berichtet, die Anziehungspunkt für Menschen unterschiedlichster Herkunft ist.
    Der junge Robert Lomax, der genug von England und vom Studieren hat, geht nach Malaya und verdient sich dort zunächst seinen Unterhalt auf einer Zuckerrohrplantage. Neben seiner Arbeit beginnt er zu malen. Als Roberts Arbeiten Bestätigung durch eine Galerie finden, setzt er alles auf eine Karte. Mit seinen Ersparnissen, die für ein Jahr reichen, reist er nach Hongkong und sucht nach neuer Inspiration für seine Bilder. Nachdem sich seine Zimmersuche in der Millionenmetropole schwieriger als gedacht gestaltet, findet er ein neues Zuhause in einem billigen Hotel im Amüsierviertel Wanchai und schließt Bekanntschaft mit den Bar-Girls, die die Zimmer stundenweise mieten.
    Da er den Mädchen schon bald Freund und Vertrauter ist, sind sie es, deren Leben er in seinen Bildern erzählt.
    Als Robert beginnt, sich in die selbstbewusste Suzie zu verlieben, verkompliziert sich das Leben im Hotel.


    Die Grundidee dieser Geschichte ist zugegebenermaßen simpel und es bleibt fraglich, ob ein solcher Roman heute noch eine Chance auf Veröffentlichung hätte. Dass er dennoch auf einer Backlist eines Verlags steht und nachgefragt wird, ist der wunderbaren Umsetzung Richard Masons zu verdanken, der eine zeitlose Liebeserklärung an Hongkong und an das Leben geschrieben hat.
    Der knapp 400 Seiten starke Roman schafft es, eine Szenerie ohne übertriebene Exotik zu beschreiben, in der die Protagonisten mit ihren starken und schwachen Seiten - aber immer menschlich - dargestellt werden und ihr Handeln von einem außergewöhnlichen Gerechtigkeitsgefühl geprägt ist.


    Richard Mason hat seinen Roman in drei Abschnitte eingeteilt:
    Die Mädchen - Die Männer - Die Liebenden


    In Die Mädchen widmet sich Richard Mason in besonderem Maße den Bar-Girls im Nam Kok Hotel. Neben den Beschreibungen des Hotels mit Hafenblick und seiner Angestellten, wie dem Etagenkellner und dem Barkeeper, erzählt Mason mit großer Güte von der mageren Gwenny, von der einzigen Halbchinesin Donnerstags-Lulu, von Minny und der Kleinen Alice und gibt den Mädchen, die ihren Lebensunterhalt mit käuflicher Liebe verdienen, ein Gesicht. Jedes dieser Schicksale verläuft anders; jedes der Mädchen stammt aus einem anderen Teil Chinas und ist nach Hongkong geflüchtet, um dort das Glück zu finden.
    In besonderem Maße nutzt Richard Mason die unterschiedliche Herkunft seiner Protagonistinnen, um auf ihre Andersartigkeit einzugehen und zu zeigen, wie sich die Größe Chinas auf die Kultur der einzelnen Mädchen auswirkt.
    Genau diese Eigenheiten sind es, die Robert faszinieren und die er in seinen Bildern einfängt. Nach und nach entsteht so
    zwischen dem klugen, wenig lebenserfahrenem und doch immer weltoffenem Robert und den naiven und doch wissbegierigen Bar-Girls eine herzliche Freundschaft, die von gegenseitigem Interesse geprägt ist.
    Dass ein Mädchen heraussticht, überrascht nur wenig. Mee-ling, die sich Suzie nennt, ist von Robert ebenso fasziniert wie er von ihr. Aus Sympathie und Loyalität hatte Robert sich bisher mit keinem Mädchen eingelassen und steht nun vor der Frage, wie er sich gegenüber Suzie verhalten soll, ohne den Groll der anderen auf sich zu ziehen.


    Verliebt in die temperamentvolle Suzie erzählt Richard Mason in Die Männer von den Männern, die das Nam Kok Hotel besuchen.
    Mehrheitlich um Matrosen handelt es sich bei den Gästen, doch auch Geschäftsleute mischen sich unter die Kundschaft von Suzie. Solange Robert Suzie ein Freund war, nimmt er die Liebesdienste mit großer Toleranz auf, doch mit zunehmendem Gefühl mischen sich die Eifersucht und Geldsorgen des ungleichen Paares.
    Richard Mason vesteht es auf besondere Weise, die Kunden des Nam Kok Hotels nicht als armseelige Verlierer, die ein wenig Glück in der käuflichen Liebe suchen, darzustellen, sondern beschreibt ihr Leben als normal und nach Abwechslung suchend und mit einem Verständnis für die Bedürfnisse seiner Figuren, unabhängig von ihrem Stand als einfacher Matrose, der Unterhaltung in Wanchai sucht oder als gestandener Geschäftsmann, der in Hongkong lebt.
    Überhaupt wird in diesem zweiten Abschnitt auf das Leben in Wanchai eingegangen, das bei Engländern nicht sonderlich beliebt ist und sie sehnsuchtsvoll auf das andere Ufer nach Kowloon schauen lassen.
    Wenn Robert Geld besitzt, fahren die beiden mit der Dschunke nach Kowloon, gehen aus und vergessen für einen Moment ihre Sorgen, die sie alsbald einholen, als Robert auf seine schöne Begleitung und ihre Tätigkeit angesprochen wird.
    Für die Größe dieses Romans spricht, dass Richard Mason seinen Protagonisten stolz auf seine Begleitung mit einem zweifelhaften Beruf sein lässt und er sich zu ihr bekennt, während Suzie sich weit mehr um Roberts Ansehen in der Gesellschaft Gedanken macht.
    Gerade diese wechselnden Innenansichten der ungebildeten Analphabetin Suzie, die versucht, in ihrer Liebe zu Robert klug und weitsichtig zu handeln und der intellektuelle Robert, der sich bedingungslos seinem Gefühl hingibt, heben diesen Roman in bemerkenswerter Weise von anderen Büchern dieses Genres ab.


    Im dritten Teil schildert Richard Mason in besonderem Maße die Widrigkeiten, denen das Paar ausgesetzt ist.
    Suzie gibt zwar ihre Tätigkeit im Hotel auf und steht nun Modell für Robert, der beide ernährt. Gleichzeitig ist Suzie hin- und hergerissen zwischen ihrem Leben mit Robert und der Fürsorge zu ihrem Kind, das von einer Amme aufgezogen wird.
    Als Robert während eines Aufenthalts in Japan die Nachricht erhält, dass Suzie ein anderes Barmädchen tätlich angegriffen hat, erreicht die Geschichte einen ungeahnten Höhepunkt.


    Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass der Unionsverlag in lobenswerter Weise bei der Gestaltung des Covers nicht auf eine farbenfrohe Landschaft und Blüten setzt und diesen Roman damit in die Nähe von Love and Landscape rückt, sondern auf ein Szenenbild aus dem gleichnamigen Film setzt, das Suzie in einem Cheongsam zeigt und das dieser Geschichte gerecht wird.


    Mit seinem Roman "Suzie Wong" hat Richard Mason eine ungewöhnliche Liebesgeschichte vorgelegt, die von Freundschaft und von Standesunterschieden erzählt, von Zweifeln und vom Leben in einer kosmopolitischen Stadt wie Hongkong, in der alles möglich zu sein scheint.


    Wer sich also in diesem regnerischen und kühlen Sommer 2012 (wenigstens literarisch) verlieben möchte, dem kann der großartige Klassiker "Suzie Wong" nur wärmstens empfohlen werden.

  • Habe vor 20 Jahren "Denn der Wind kann nicht lesen" von Richard Mason gelesen - und als Film gesehen - und fand dessen Schreibstil eindringlich und zu Herzen gehend ohne kitschig zu sein. Fühle mich also von Suzie Wong und der schönen Rezi sehr angesprochen. :anbet

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Die Hexenholzkrone 2 - Tad Williams

    Foundation - Isaac Asimov

    ab 10.2. LR - Fernwehland - Kati Naumann



    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Vielen Dank für diese kluge und verständnisvolle Rezi, Salonlöwin. "The world of Suzie Wong" gehört seit vielen Jahren zu meinen absoluten Lieblingsbüchern (bisher siebenmal gelesen, zuletzt im Frühjahr, als ich eine vertraute, beruhigende Lektüre brauchte), und ich habe schon mehrfach bei den Eulen nach einer Rezi gesucht. Kein Wunder, dass sie ausgerechnet von dir kam. :knuddel1 Selbst geschrieben habe ich sie nicht, weil mir dieser Roman zu nahe steht, um ihn öffentlich zu analysieren - das mag man verstehen oder nicht.


    Ob diese Geschichte zu simpel ist, um heute noch veröffentlicht zu werden, mag in Anbetracht diverser, kommerziell erfolgreicher, aufgeblasener Groschenromane im (u.a.) Fantasy- Horror- und Liebesschnulzenbereich dahingestellt bleiben. Vielleicht ist sie einfach altmodisch, doch genau wie du finde ich sie hinreißend und glaubwürdig erzählt. Sie nimmt mich emotional mit, wie es mir nur selten passiert.


    Bemerkenswert finde ich, wie der Autor mit dem Thema Prostitution umgeht. Hier wird weder moralisch noch überheblich auf die Mädchen eingedroschen, sondern mit Respekt und Verständnis von ihren Schicksalen erzählt. Der Autor verurteilt weder, noch dass er glorifiziert - die Frauen werden mit menschlichen Vorzügen wie Defiziten dargestellt - als MENSCHEN eben. Selbst 50 Jahre später wünsche ich mir einen so vorurteilsfreien Umgang mit Frauen dieser Berufsgruppe oft vergeblich. Geschickt finde ich, dass er sich zwischendurch (aus persönlicher Enttäuschung) auf die gängige Sicht einlässt, um sie dann wieder zu entlarven.


    Ich muss zugeben, dass dieser Roman mein eigenes "Werk" mehr beeinflusst hat als jeder andere - wer dies für einen Offenbarungseid hält, hat das Buch nicht in meinem Sinne verstanden. :-)


    LG harimau :wave

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

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  • Hallo,


    nach allem was ich hier lese, werde ich das Buch wohl doch nicht einfach aussortieren, ich hab es aus einem Nachlass bekommen, sondern doch selber lesen ....

    liebe Grüsse melanie


    Wenn man Engeln die Flügel bricht, fliegen sie auf Besen weiter !
    :keks


    :lesend )