'Lycidas' - Seiten 001 - 145

  • Hi,


    das hier ist meine zweite Leserunde - und sie macht bis jetzt richtig Spaß.


    Was ich faszinierend finde - viele haben die gleichen Ansichten und Schwierigkeiten wie ich.


    Eine ganz neue Leseerfahrung.


    bis dann :wave
    Jules

  • Hab mal ein bißchen in den antiken Quellen zu Lykidas gestöbert:


    1. Athener, Ratsherr, der 471 v.Chr. riet, sich den Persern zu unterwerfen, weshalb er und seine Angehörigen zum Tod durch Steinigung verurteilt wurden (Herodot 9,5)
    2. Aitoler, 332/331 von Alexander als Söldnerkommandant in Memphis eingesetzt (Arrian Anabasis 3.5.3)


    Hmm ... und dann hätten wir abgesehen von John Miltons Elegie Lycidas, die sich auf einen ertrunkenen Kommilitonen namens Edward King bezieht, noch den Hirten/Kleinbauern Lycidas aus Vergil Ecloge 9 (lat. Text, dt. Übersetzung von Voss).
    Hmmm ... mal sehen, was Christoph dazu sagt. :gruebel

  • Diese unterschiedlichen Eindrücke finde ich faszinierend :-)


    Ich hätte niemals gedacht, dass jemand etwas negatives an *diesem* Buch finden kann. :lache


    Und das obwohl ich a) eigentlich immer irgendwas zu meckern habe :grin und b) eigentlich gar kein waschechter Fantasy-Freund bin.

  • Also ich denke, man sollte das Buch manchmal nicht so auseinanderbröseln. Auch, wenn es einem zu Anfang komisch vorkommt, dann rate ich nur: Abwarten! Alles löst sich irgendwann auf. Das Buch hat schließlich viele viele Seiten. Ich habe das Buch bereits ganz gelesen und ich kann euch versprechen, ihr werdet für alles eine Erklärung kriegen. Aber man sollte sich nicht an Kleinigkeiten stören, da sie wenig später ebenfalls wichtig sind für die Handlungen.
    Ich fand das Buch als ein Meisterwerk!
    :anbet :anbet :anbet


    PS: Ich sehe das Werk übrigens auch als Mitglied der "phantastischen Literatur"

  • Ich finde es ein bisschen schade, dass mir die meisten literarischen Anspielungen durch die Lappen gehen. Drum ist es gut, wenn ich sie dann hier von euch aufgeklärt bekomme! :-)


    Ich guck grad noch meine gelben Zettelchen zum ersten Teil durch:


    - "Hyronimus" - ist das eine gebräuchliche Schreibweise? Ich hätte eher "Hieronymus" erwartet. Aber vielleicht ist's der englische Name?


    - z.B. S. 23 - wenn es schneit, sieht die Stadt aus wie ein "Wintermärchen". Der Vergleich ist wunderschön - aber er wird mir ein bisschen zu sehr überstrapaziert. Mindestens zweimal schon im ersten Teil, und als es ein Jahr später wieder schneit, ist schon wieder "Wintermärchen".


    - S. 33 - "da haste dich aber schwer jetäuscht". Witzig, dass Larry berlinert. Schon bei "My Fair Lady" wurde Cockney mit Berlinerisch wiedergegeben - was in einem Standardwerk der Übersetzungswissenschaft bös kritisiert wurde. Mich stört es auch ein bisschen. Cockney ist nicht wirklich "Londoner Dialekt", es ist vor allem auch eine Kennzeichnung der Gesellschaftsschicht. Das kommt durch Berlinerisch (in einem ansonsten sehr "englischen" Buch nicht wirklich raus. Allerdings habe ich keine Patentlösung parat. :-(


    - S. 89 - "Später denn ertrank er..." - ich nehme an, es müsste heissen "später dann". Ansonsten aber finden meine kritischen Augen erfreulich wenige Fehler. :-)


    - S. 93 - "ich beschäftige mich mit der Natur der Natur". Warum nicht "mit dem Wesen der Natur"? weil es auf Englisch "the nature of..." heisst? :gruebel


    - S. 97 - "Emily schien sich bereits an Antworten dieser Art gewöhnt zu haben. Jedenfalls verliess kein Wort der Missbilligung ihre Lippen." Genial, der Zeilenumbruch zwischen diesen beiden Sätzen. Es hätte auch einfach ein Semikolon stehen können oder sogar ein Komma. Aber durch diese Pause kommt eine wunderbar humorvolle Distanz in das Ganze rein. Ich mag Wittgenstein sehr! :-)


    Der nächste gelbe Zettel hängt erst wieder auf S. 344. ;-)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    z.B. S. 23 - wenn es schneit, sieht die Stadt aus wie ein "Wintermärchen". Der Vergleich ist wunderschön - aber er wird mir ein bisschen zu sehr überstrapaziert. Mindestens zweimal schon im ersten Teil, und als es ein Jahr später wieder schneit, ist schon wieder "Wintermärchen".


    Gibt es eigentlich sooft Schnee in London?
    Ich dachte nämlich immer, dass London ein ziemlich mildes Klima hat.

  • So habe gestern Abend endlich mit dem Buch anfangen können und bin bereits bis Kapitel 11 vorgestoßen. So spannend fand ich es.


    Am Anfang war ich erst ein bisschen skeptisch, da ich gedacht habe: " Oh nein, nicht schon wieder dieses Klischee vom armen kleinen hilflosen Mädchen..."
    Aber mittlerweile bin ich dahinter, das Emilie gar nicht so hilflos ist... :grin
    Ich habe mich auch sofort gefragt, warum Emilie lesen konnte, da sie ja anscheinend in diesem Waisenhaus keinen Unterricht o.ä. erhält


    Mit den Zeitsprüngen hatte ich am Anfang auch kleinere Probleme, die sich aber schon ziemlich am Anfang in Luft aufgelöst haben. Womit ich etwas länger Probleme hatte, sind die Unterschiede zwischen dem realen London und der alten Metropole. An ein oder zwei Stellen, war ich mir nicht mehr ganz so sicher wo wir uns gerade befinden. Aber das dauerte Gott sei Dank auch nur eine Seite lang an, dann war ich wieder im Bilde.


    Habe mich auch sofort in Wittgenstein und seinen Humor verliebt.
    "Dieses Kind" und "Fragen Sie nicht" hat sich auch für mich zu einem richtigen Running- Gag entwickelt. Irgendwie, finde ich, wäre die Geschichte ohne Ihn nur halb so viel Wert.


    Der Erzählstil gefällt mir sehr. Hatte auch, bis auf die oben beschriebenen kleineren Problemchen, keine Mühe reinzukommen. Ich finde die Geschichte sehr spannend geschrieben und erzählt. Bin schon sehr gespannt wie es nachher weiter gehen wird.


    Ansonsten bedauere ich es sehr, das mir wahrscheinlich jede Menge literarische Anspielungen flöten gehen werden, da ich bis jetzt noch nichts von Dickens o.ä. Autoren gelesen habe.
    Was ich aber in naher Zukunft nacholen werde.

  • Hallo, ihr Eulen!


    Erst mal vielen Dank für die Genesungswünsche (mit den Steinen hab ich es tatsächlich noch nicht versucht) :wave. Ich habe mir gerade eben die Leserunde angeschaut und werde wieder einige Antworten geben. Aber: ich werde keine Antwort geben, wenn sich die gestellte Frage beim späteren Lesen bzw. weiter hinten im Buch beantwortet (das würde ja zuviel Spannung rausnehmen, oder?).


    Ob es reale Personen gibt, die im Buch verewigt wurden? Hm, hm, hm. Nein eigentlich nicht. Hm, hm, hm. Emily hat einige Eigenschaften/Eigenheiten, die ich meiner Tochter abgeguckt habe. Dies auch als Antwort auf die Frage, ob Emily sich ihres Alters entsprechen verhält. (@Demo) Hey, hier bei mir läuft `ne Neunjährige herum, die tut`s. Soviel also dazu. Und Wittgenstein hat einiges von mir (nein, nicht die Frisur, und auch nicht die Steine). Wir teilen sozusagen einen ähnlichen Humor (den, auch das sei angemerkt, nicht jeder lustig findet – Gruß an meinen LK, sofern sich jemand hierher verirrt). Schöne Grüße also an diejenigen, die Wittgenstein nicht leiden können – ich denke, wir hätten viel Spaß miteinander. :fetch :lache


    Warum Emily lesen kann? Warum sollte sie es nicht können? Ich bin still und heimlich davon ausgegangen, dass sie die Owl`s School for Higher Daughters in der Askalot-Street besucht hat (diejenigen, die Wittgenstein nicht mögen werden jetzt kaum lachen, oder?!) :lache. Mehr zur Vergangenheit Emilys schreibe ich mir gerade von der Seele…


    Hyronimus? Woher der Name? Master Bosch hätte zu hart geklungen, oder? Die Schreibweise ist etwas seltsam, gefiel mir aber.


    Und was den Raubzug durch die Fantasy angeht: es ist durchaus legitim, sich Anspielungen zu bedienen. Herrje, Miss Rowling hat sich ganz eindeutig bei Neil Gaiman`s Books of Magic bedient (immerhin erschien da auch schon ein Zauberlehrling mit Brille) und doch hat sie mit Potter was ganz eigenes geschaffen. Ich mag beide, auf jeden Fall. Neil Gaiman fand die Anschuldigung der Muggel-Lady (damit meinte er die böszüngige Reporterin, die darüber berichtete) jedenfalls nicht so gut. Außerdem gibt es viele Charaktere, die ein Leben in mehreren Romane führen: der Marquis deCarabas, Long John Silver, etc. …


    Und was Anspielungen angeht: es ist schön, wenn sie jemand erkennt. Deswegen werden sie verwendet. Wenn jemand danach googelt, dann ist das doch klasse.


    A propos: es gibt einen Dialog in „Lycidas“, der fast Wort für Wort einem Film von John Landes nach empfunden wurde. Na, wer findet die Stelle? Wer mir als erstes eine Mail mit der Antwort schreibt (und Nennung der beiden Schauspieler, die den Dialog im Film sprechen) bekommt ein signiertes Exemplar von mir. Anmerkung: Christian H. aus M., DU NICHT!!!


    Schreibt euch auch weiter alles von der Seele. Einige empfinden das Buch wohl als etwas brutal. Eine Journalistin der Saarbrücker- Zeitung sah sogar einige sadistische Stellen. Na ja, die Verlagsbeschreibung mit „der kleinen Emily, die eine sprechende Ratte trifft“ hat wohl einige Leser auf die falsche Fährte geführt. Hoffe trotzdem, ihr haltet durch.


    Und an MaryRead gerichtet: das Berlinerische war wirklich in Anlehnung an My Fair Lady entstanden. Die "Natur der Natur" ist eben Wittgensteins Ausdrucksweise. Hyronimus wollte ich so beibehalten (meine Lektorin wollte auch wissen, ob wir den Namen nicht anders schreiben könnten - NEIN, konnten wir nicht. Der gehört so).


    Und was den Schnee angeht. Es schneit eben in London und das hat wirklich nichts mit dem real existierenden Wetter dort zu tun. Es schneit, weil ich es so haben wollte. Wegen der Atmosphäre. Weil es so Danny Elfman-mäßig ist. Es wird auch im nächsten Band hin und wieder schneien. Und regnen.


    Soviel für heute. Jetzt schlucke ich wieder Medizin und huldige unserer neuen Saftmaschine.


    Liebe Grüße,


    Christoph. :write


    Immer noch krank und mürrisch, weil krank. :-(

  • Zitat

    Original von ruthven


    A propos: es gibt einen Dialog in „Lycidas“, der fast Wort für Wort einem Film von John Landes nach empfunden wurde. Na, wer findet die Stelle? Wer mir als erstes eine Mail mit der Antwort schreibt (und Nennung der beiden Schauspieler, die den Dialog im Film sprechen) bekommt ein signiertes Exemplar von mir. Anmerkung: Christian H. aus M., DU NICHT!!!(


    Eine Bitte hätte ich: Teile uns die Lösung dann auch mit, würde mich sehr interessieren. Danke und Grüßle und immer noch Gute Besserung......... :-)

  • Zitat

    Original von ruthven
    A propos: es gibt einen Dialog in „Lycidas“, der fast Wort für Wort einem Film von John Landes nach empfunden wurde.


    Wenn ich nicht schon ein handsigniertes Exemplar hätte, dann würde ich mir jetzt schnell diese DVD kaufen und das Machwerk gründlich studieren:

    Gell, ich bin eine ekelhafte, besserwisserische Spielverderberin!

  • Zitat

    Original von ruthven
    Einige empfinden das Buch wohl als etwas brutal. Eine Journalistin der Saarbrücker- Zeitung sah sogar einige sadistische Stellen. Na ja, die Verlagsbeschreibung mit „der kleinen Emily, die eine sprechende Ratte trifft“ hat wohl einige Leser auf die falsche Fährte geführt.


    Womit sich bei mir wieder meine altbekannte Frage stellt:
    Wer schreibt die Klappentexte in Verlagen, und haben die Leute, die diese Texte schreiben, das Buch überhaupt gelesen?? :lache


    Zitat

    Original von IrisGell, ich bin eine ekelhafte, besserwisserische Spielverderberin!


    Jaaa, bist Du!! ;-)

    Neue Bücher riechen so gut - man kann am Geruch förmlich merken, wie schön es sein wird, sie zu lesen.
    [Astrid Lindgren: "Die Kinder aus Bullerbü"]

  • Zitat

    Original von Capesider
    Wer schreibt die Klappentexte in Verlagen, und haben die Leute, die diese Texte schreiben, das Buch überhaupt gelesen?? :lache


    <flüster> Nein! </flüster>


    Zitat


    Jaaa, bist Du!! ;-)


    Menno!

  • Also ich muss sagen, mir gefällt die Leserunde mit diesem lustigen Trüppchen fast genauso gut wie das Buch selber! *gg*


    Und ich muss dazu sagen, dass ich den Humor von Wittgenstein sehr mag. Er ist trocken und lustig.
    Und die ganzen Anspielungen sind wirklich eine Freude, man entwickelt echt unbändiges Interesse daran, nachzuschauen, ob irgendwas woanders auch vorkommt...

  • Hallo,


    Dass das Waisenhaus von Dombey & Sohn geleitet wird, fand ich lustig, denn es gibt einen Roman von Charles Dickens "Dombey & Sons".


    Und der Vorgänger Murdstone ist ein Böser in "David Copperfield"


    Der alte Raritätenladen von Mr Dickens erinnert an "The old curiosity shop" mit der Hauptperson Little Nell Trent. Ich hab mich an dieser Stelle gefragt, ob der Besitzer zufällig Charles mit Vornamen heisst, aber am Ende weiss man seinen Vornamen. Little Neil Trent ist dann ja klar... :lache


    Und Wittgensteins Haushälterin Peggotty ist ebenfalls Haushälterin in "David Copperfield"


    Und jetzt was ganz weit Hergeholtes :rolleyes


    "mickle" ist ein alter englischer Ausdruck für "great". Micklewhite ist also sozusagen "The Great White", was mich an Gandalf erinnert. Er trägt ja immer weiss. Komisch ist jetzt nur, dass Maurice "schwarz" heisst. :gruebel


    Ach und Mr Fox und Mr Wolf, da dachte ich eigentlich die seien aus Neil Gaimans Niemandsland herübergekommen. Die tauchen ja immer irgendwo auf, warum nicht in einem anderen Buch. Dort gibt es nämlich zwei Herren, deren Namen mir entfallen sind, aber der eine sieht aus wie ein Fuchs und der andere, wie ein Wolf. Oder hat Mr Gaiman sich da auch von Pinocchio inspirieren lassen. :lache


    lg Iris

  • Sooo habe diesen Teil jetzt auch durch und ich muss sagen: TOLL!! :-]


    Ich war sofort in der Geschichte drin, der Stil gefällt mir ausgesprochen gut, der Perspektivenwechsel hat mich überhaupt nicht gestört und auch die vielen "Nicht-Menschen" mag ich sehr (allerdings habe ich immer noch Probleme mit diesen Massen von Spinnen, 1-5 gehen ja noch, aber gleich SO viele? *grusel*).


    Allerdings geht es mir wie einigen anderen, ich überrasche beim Lesen immer wieder, dass die Geschichte nicht im vorletzten Jahrhundert spielt, von der Atmosphäre her hab ich sie automatisch dorthin gepackt. Über die Rolltreppe hab ich großzügig hinweggelesen aber als Frühstück bei McDonalds geholt wurde, da hab ich dann doch gestutzt :lache


    Bisher gefällt es mir sehr gut und ich bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht, ich fürchte, die nächsten Nächte werden kurz ;-)


    Liebe Grüße & auch von hier nochmal gute Besserung!
    milla

  • Hallo Christoph,


    Zitat

    Wer mir persönlich von Anfang an unsympathisch war? Larry, dieser schmuddelige Werwolf. Tut mir leid, aber ich konnte den Kerl von Anfang an nicht leiden.


    Und genau aus diesem Grund beantrage ich, dass Du in den zweiten oder dritten Teil noch einen netten Werwolf reinschreibst!


    lg Iris