Die Tote von Charlottenburg - Susanne Goga

  • Die Tote von Charlottenburg


    Über die Autorin
    Susanne Goga lebt als Autorin und Übersetzerin in Mönchengladbach. Sie hat außer ihrer Krimireihe um Leo Wechsler mehrere historische Romane veröffentlicht.


    Inhalt
    Sommer 1923. Kommissar Leo Wechsler und seine Freundin Clara Bleibtreu verbringen ihre Urlaubstage auf Hiddensee. Dort lernt Clara die Ärztin und Frauenrechtlerin Henriette Strauss kennen, eine lebhafte, charismatische Frau. Sie ist weitgereist, sozial engagiert und pflegt ein freies Liebesleben. Clara fühlt sich sofort zu ihr hingezogen. Doch im Herbst stirbt Henriette gänzlich unerwartet in ihrer Wohnung in Charlottenburg. Die Todesursache lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Leo beginnt mit seinen Ermittlungen und stößt auf merkwürdige Vorkommnisse in dem Krankenhaus, in dem Henriette Strauss gearbeitet hatte ...


    Meine Meinung
    Schon nach wenigen Seiten war ich gefangen vom Berlin aus dem Jahr 1923, indem die Menschen von der Inflation geplagt werden, die so schlimm ist, dass sie ihr Geld schon morgens vor der Arbeit ausgeben dürfen, weil es abends nichts mehr wert ist. Achthundert Milliarden war ein anständiger Preis für ein Buch, man musste Körbe voll Geld anschleppen um ein Brot zu bekommen und selbst Polizisten waren nicht sicher, ob sie in Zukunft ihre Familie ernähren konnten.
    Im Geschichtunterricht hat man zwar von dieser schlimmen Zeit der Inflation gehört, aber in diesem Buch ist man mitten im Geschehen und merkt wie alarmierend die Situation für die Menschen war und auch wie leicht es durch die plötzliche und ungewohnte Armut der Bevölkerung wurde, Leute gegeneinander aufzuwiegeln, die Juden als Schuldige der Lage hinzustellen oder sich hinterhältige Vorteile zu erschaffen.
    In dieser schweren Zeit stirbt eine Frau. Es ist zunächst unklar, ob sie an einer Lungenentzündung starb oder ermordet wurde, aber Leo Wechsler ist nicht von einem natürlichen Tod überzeugt und beginnt zu ermittlen.


    Der Schreibstil der Autorin ist wie in ihren historischen Romanen sehr beeindruckend. Er lässt ein so detailreiches Kino im Kopf entstehen, wie es nur wenige Autoren schaffen.


    Der Kriminalfall des Buches ist allein schon sehr gut, aber der historische Hintergrund, die vielen einzelnen Informationen aus dieser Zeit, das Denken und Handeln der Menschen in dieser extremen Lage machen das Buch einzigartig. Ich bin begeistert und wünsche diesem Buch sehr viele Leser.

  • Meine Meinung
    Ein toller neuer Roman mit Kommissar Leo Wechsler.
    Er führt uns in das Jahr 1923 in Berlin, ich war gleich gefesselt von dem Hintergrund . Die Wirtschaftskrise mit Hunger, Not und Aufständen konnte ich fast richtig mitempfinden.


    Dann der Mord an der Ärztin Henriette Strauss, der von ihrem Neffen angezeigt wird, weil ihm ihr Tod rätselhaft ist. Kommissar Leo Wechsler und sein Team machen eine gute Arbeit. Den Mörder hatte ich zwar schon früh in Verdacht, aber das Wie und Warum war spannend und sehr interessant.


    Leo Wechslers Familienleben kommt auch nicht zu kurz. Seine Beziehung mit Clara Bleibtreu wirft einige Fragen auf.


    Susanne Goga versteht es wieder alles so so toll zu beschreiben, das man meint ,man ist mittendrin.


    :lesend

  • Meine Meinung:


    Der dritte Krimi mit Leo Wechsler hat mir sehr gut gefallen. Er spielt in Berlin im Jahr 1923 und so erleben wir die Inflation und die Angriffe auf die Juden im Scheunenviertel hautnah mit. Wie auch in den Vorgängerromanen geht es neben dem Kriminalfall auch um das Privatleben der Ermittler. Leo und Clara versuchen ihre Beziehung zu vertiefen, ohne dass Clara ihre Unabhängigkeit verliert und Leos Schwester Ilse möchte sich ein eigenes Leben aufbauen. Im Team von Leo gibt es Neuzugang Sonnenschein, der Ostjude ist und somit persönlich betroffen von den Geschehnissen in Berlin.


    Beim Kriminalfall geht es um eine Ärztin, die Clara kurz zuvor persönlich kennengelernt hat und die unter merkwürdigen Umständen gestorben ist. Zunächst sieht es gar nicht nach einem Mord aus, doch dann verdichten sich die Hinweise. Und obwohl ich meist lange im Dunkeln tappe, war ich dieses Mal doch recht früh auf der richtigen Fährte und habe die Auflösung erahnen können, aber das hat meinem Lesevergnügen keinen Abbruch getan.
    Susanne Goga hat einfach einen wunderbaren Schreibstil, der mich immer wieder begeistert, so dass ich in ihre Bücher abtauchen kann und am Ende nur ungern Abschied von den Figuren nehme.
    Ich würde mich freuen, noch mehr von Leo zu erfahren und hoffe auf weitere Fälle :-)

  • Meiner Meinung nach ist der 3. Fall von Leo Wechsler der stärkste der drei Bände.


    Die geschichtlichen Hintergründe fand ich höchst beeindruckend, füllen sie doch die trockenen Fakten aus dem Geschichtsunterricht mit Leben.
    Daß selbst Polizeibeamten das Wasser irgendwann bis zum Hals stand ist mir erst da bewusst geworden.


    Den Fall fand ich interessant, zeigten doch auch die falschen Spuren Misstände in den Berliner Kliniken auf, die für uns heute unvorstellbar sind und damals aber zum Alltag gehörten.
    Auch der Seitenstrang um den Kollegen Sonnenschein, machte deutlich, daß Judenhass kein Phänomen der dreissiger Jahre war.


    Ich würde mich sehr freuen, wenn es noch einen vierten Fall mit Leo geben würde, auch um die privaten Entwicklungen mit Clara weiter beobachten zu können.


    Von mir 9 von 10 Punkte

  • Der 3. Fall für Leo Wechsler


    Mit ihrem 3. Band um den Berliner Kommissar Leo Wechsler ist Susanne Goga erneut ein historischer Krimi gelungen, der die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts mit ihren politischen Unruhen und gesellschaftlichen Problemen, aber auch mit ihren kulturellen und künstlerischen Umbrüchen lebendig werden lässt. Durch die vielen Nebenschauplätze, die es neben dem eigentlich aufzuklärenden Kriminalfall gibt, entsteht fast wie von selbst ein Bild vom Leben im damaligen Berlin.


    Die Polizei ermittelt im privaten und beruflichen Umfeld einer für die damalige Zeit sehr modernen und selbständigen Frau, die auf eine höchst ungewöhnliche Art zu Tode kam.
    Dass sich der Täter bereits recht früh herauskristallisiert, schadet der Spannung nicht, denn es gibt noch genug zu ermitteln und aufzuklären für Leo Wechsler. Dessen Privatleben sorgt auch in dieser Fortsetzung wieder für reichlich Unterhaltung.


    Die Mischung machts und die stimmt in diesem Krimi. Auch dieser 3. Serienteil mit seinen mir von Anfang an ans Herz gewachsenen Protagonisten hat mir so gut gefallen wie die beiden davor und ich hoffe doch sehr auf ein erneues Wiedersehen.

  • Meinen Vorschreibern kann ich mich nur anschließen: eine gelungene Mischung aus Krimi und historischem Roman mit einem sympathischen Ermittler, dessen Privatleben eine angemessene Rolle spielt.


    Die Krimihandlung ist sehr durchdacht und besticht mit einer ungewöhnlichen Mordwaffe. Die einzelnen Schritte zur Aufklärung der Tat sind sehr nachvollziehbar beschrieben. Als Leser bekommt man aus der Sicht des Neffen des Opfers früher Informationen als die Polizeibeamten, so dass man sich die Lösung des Falles eher zusammenreimen kann und gespannt wartet, wie und wann auch beim Ermittlerteam der Groschen fällt. Schade nur, dass das für mich sehr interessante Leben des Opfers als eine der ersten Ärztinnen und Beraterin für Frauen allzu schnell in den Hintergrund gedrängt wird. Über ihr Erleben als eigenständige und aktiv im Berufsleben stehende Frau hätte ich gern mehr erfahren.


    Sehr gut eingebunden dagegen ist die Zeit, in der der Roman spielt. Unaufdringlich und fast nebenbei erfahre ich als Leser von den Wirrungen dieser Tage, sei es im Small Talk über die erste Rundfunksendung oder über die schmerzlichen Erfahrungen jüdischer Mitbürger während erster Ausschreitungen. Dabei hält sich das zeitgeschichtliche dezent im Hintergrund und bildet die Rahmenhandlung, während der Krimi merklich im Vordergrund steht.


    Leo Wechsler ist ein sehr sympathischer Kommissar, der mir auch ohne Vorkenntnisse schnell vertraut geworden ist. Seine privaten Probleme sind damals so aktuell wie heute immer noch, nur schade, dass wir dafür keine Auflösung bekommen. Vielleicht im nächsten Band!


    Fazit: Unterhaltsamer Krimi der auch einen gelungen Einblick in die damalige Zeit bietet!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Die Tote von Charlottenburg - Leo 3


    Inhalt:
    Auf Hiddensee lernt Clara, die Freundin von Kriminalkommissar Leo Wechsler, im Jahre 1923 die faszinierende Henriette Strauss bei einem Strandspaziergang kennen. Sie ist beeindruckt von der unabhängigen Ärztin, die sie auch zu einem Treffen gleichgesinnter Frauen in Berlin einlädt.
    Doch so weit wird es nicht kommen, denn Henriette stirbt unter merkwürdigen Umständen. Die Todesursache ist unklar, und so ist Leo gezwungen zu ermitteln. Ist der Täter im Krankenhaus zu suchen, oder ist er doch im familiären Umfeld zu finden?


    Meine Meinung:
    Das Treffen mit Henriette auf Hiddensee ist so anschaulich geschildert, dass ich gleich in die Geschichte eintauchen konnte. Das Treffen mit Leo hat mich nach Leo Berlin wieder fasziniert, obwohl ich Band 2 bisher nicht gelesen habe. Leo ist ein Mann seiner Zeit, sensibel in dem Bemühen gerecht zu sein, aber menschlich in seiner Ungeduld und mit seinem Fehlern. Ein Teamarbeiter, der sich auch für seine Leute einsetzt und seine Feinde geschickt behandelt. Susanne Goga zeichnet ein anschauliches Bild von Berlin und vor allem fühlte ich mich authentisch eingebettet in die Zeit. Einkaufen mit Taschen voller Geldscheine, die Sorgen und Nöte der einfachen Menschen, Krankenhausbehandlungen aber auch Kunst und Kultur bekommen den Platz, der ihnen gebührt. Krimihandlung, Ermittlungen und Zeitgeist sind in einem wunderbar ausgewogenen Verhältnis geschildert. Endlich einmal sind es die Jahre zwischen den Kriegen, die thematisiert werden, das hat mich besonders gefreut. Hoffentlich dürfen wir Leo, seine Familie und sein Team noch ein wenig durch die Vorkriegsjahre vor dem Zweiten Weltkrieg begleiten. Binchen im Juli 2012

    Binchen
    :write
    Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es nicht unterhält. (William Somerset Maugham) ;-)

  • Der plötzliche Tod der jungen Ärztin Henriette Strauss schockiert Familie und Kollegen. Ein Verbrechen vermutet der erwachsene Neffe der Toten und erstattet Anzeige. Da seine Tante in ihrer Freizeit in einer Beratungsstelle für ungeplant schwangere Frauen aktiv war, fahndet das Ermittler-Team um Leo Wechsler auch in Henriettes Privatleben danach, wer Gründe gehabt haben könnte, die junge Frau zu töten. Leo Wechsler ist nicht nur beruflich mit dem Fall befasst; denn seine Freundin Clara hatte Henriette erst kürzlich kennengelernt. Das ungewöhnlich Motiv für die Tat hat mich nicht überrascht. Cui bono? - fragen sich in diesem Fall nicht nur die Ermittler.


    Der dritte Band um Leo Wechsler spielt im Berlin des Jahres 1923, als es im Berliner Scheunenviertel zum ersten Juden-Pogrom kam. Wechsler wird am Rande der Handlung Zeuge des gezielt geschürten Aufstands aus einer Gruppe Arbeitsloser heraus. Sonnenschein, Leos neuer Mitarbeiter bei der Berliner Kriminalpolizei, ist direkt betroffen als Sohn so genannter "Ostjuden", gegen die sich der Aufstand richtete. Die Ursachen der zunehmenden Judenfeindlichkeit berühren Leo Wechsler und seine Abteilung nicht nur beruflich. Wechsler bewegt sich wieder einmal in den unterschiedlichsten Milieus. Obwohl er als Beamter bisher kaum finanzielle Sorgen kannte, spürt selbst seine Familie die Inflation als Folge des Ersten Weltkriegs inzwischen selbst. Leos Schwester, die nach dem Tod seiner Frau den Haushalt führt, kann angesichts der täglich steigenden Preise nur schwer Lebensmittel für die Wechslers ergattern. Beinahe täglich werden neue Geldscheine ausgegeben; Klassenkameraden seines ältesten Sohnes kommen hungrig zur Schule.


    Historische Personen (Wechslers Chef Gennat, der Rechtsmediziner Dr. Strassmann, die engagierte Ärztin Dr. Alice Vollnhals) und der sorgfältig recherchierte historische Hintergrund fügen sich in "Die Tote von Charlottenburg" zu einer interessanten Darstellung des Alltags während der Weimarer Republik. Seit dem ersten Band der Krimireihe (Leo Berlin, Fortsetzung: Tod in Blau) hat mich Wechslers Privatleben als Witwer mit Kindern interessiert. Kinderbetreuung wurde zu seiner Zeit als Privatangelegenheit betrachtet; Witwen oder Witwer gingen häufig Versorgungsehen ein. Eine unverheiratete Frau wie Leos Schwester Ilse blieb lebenslang finanziell von ihrer Familie abhängig, wenn sie kein eigenes Einkommen erwirtschaftete und keine Beiträge zur Sozialversicherung leistete. Der vorerst letzte Band der Leo-Wechsler-Reihe verdeutlicht eindringlich die gegenseitige finanzielle und moralische Verpflichtung, die dem persönlichen Glück der Geschwister bisher im Wege stand.


    Susanne Gogas dritter Krimi um den Berliner Kommissar Leo Wechsler kombiniert geschickt die Aufklärung eines nicht natürlichen Todesfalles mit der Atmosphäre der Weimarer Republik im Berlin des Jahres 1923.


    9 von 10 Punkten

  • Auch mit diesem dritten ( und wohl leider letzten ) Kriminalroman um den Berliner Kommissar Leo Wechsler trifft Susanne Goga wieder voll ins Schwarze.
    Ihr gelingt es scheinbar mühelos die Zeit in Berlin im Jahre 1923 in eine Geschichte um den rätselhaften Tod einer Berliner Ärztin miteinzubinden. Man fühlt sich hineinversetzt in diese Tage der Weimarer Republik, Armut und Inflation sind allgegenwärtig und greifbar. Die ersten Übergriffe auf Juden finden statt............
    Eine weitere Rolle spielt die Entwicklung im Privatleben von Leo Wechsler. Werden er und Clara als Familie zusammen leben können? Das alles ist unter den gegebenen Umständen zu der damaligen Zeit nicht so einfach.
    Wie und warum die aufgeschlossene Ärztin sterben musste wird nachvollziehbar und überzeugend erzählt.
    Susanne Gogas Schreibstil ist fesselnd und sehr unterhaltsam.
    Ich habe dieses Buch von der ersten bis zur letzten Seite genossen.

  • Die Informationen innerhalb der Spoilermarkierungen kann man mitlesen, muss es aber nicht tun. Sie enthalten keinen Geheimnisverrat, sondern lediglich weitere Informationen zu Personen und Handlungsverlauf.


    * * * * *


    Susanne Goga: Die Tote von Charlottenburg, München 2012, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-21381-3, Softcover, 298 Seiten, Format: 19 x 12 x 2,6 cm, EUR 9,95 (D), EUR 10,30 (A).


    „Wie fasziniert er von ihrem Wesen war, ihren Reisen, ihrem Beruf, ihrer Weltgewandtheit. Buddhismus und Yoga und exotische Gewürze, eine nach Rosenwasser duftende Wohnung (...) – zudem stand sie auch noch mitten im Leben, hatte einen anspruchsvollen Beruf, half anderen Menschen.“ (Seite 276/277)


    Berlin, 1923: Die Ärztin und Frauenrechtlerin Henriette Strauss ist eine eigenwillige und interessante Frau. Auch Bibliothekarin Clara Bleibtreu, die Freundin des Kriminalkommissars Leo Wechsler, ist beeindruckt von ihr, als sie sie im Urlaub auf Hiddensee kennenlernt. Die beiden Frauen tauschen Adressen aus. Doch ehe Clara Gelegenheit findet, zu einem von Frau Dr. Strauss’ Frauentreffen zu gehen, erfährt sie, dass die Ärztin verstorben ist. An einem Lungenödem, heißt es.


    Auch wenn es so auf dem Totenschein steht – der junge Musiker Adrian Lehnhardt, ein Neffe der Verstorbenen, glaubt es nicht. Seine gesundheitsbewusste Tante war viel zu fit, um von jetzt auf gleich an einer Lungenentzündung zu sterben. Dies und eine kryptische Bemerkung, die Henriette Strauss kurz vor ihrem Tod machte, lassen ihn an eine unnatürliche Todesursache glauben. Mit diesem Verdacht geht er aufs Morddezernat zu Kriminalkommissar Leo Wechsler.


    Es stellt sich heraus, dass Henriette Strauss’ Hausarzt sich der Todesursache nicht hundertprozentig sicher ist. Also wird ermittelt. Möglicherweise ist die Ärztin ja tatsächlich vergiftet worden. Dass sie sich Feinde gemacht hat, ist wahrscheinlich.


    Oder liegt das Motiv gar nicht im Beruf, sondern im privaten Bereich? Frau Dr. Strauss war nie verheiratet, hatte aber Liebhaber. Zum Beispiel war sie längere Zeit mit einem Kollegen liiert. Auch ein rätselhafter Brief neueren Datums, der in ihren Unterlagen gefunden wird, könnte von einem Geliebten stammen.


    Ein Freund von ihr, der Arzt und Homöopath Dr. Paul Dahlke, deutet private Probleme an. Henriette Strauß hatte bei ihm Rat gesucht, sich dabei allerdings so verklausuliert ausgedrückt, dass er ihr nicht helfen konnte.


    Kriminalkommissar Leo Wechsler lässt seine Mitarbeiter dem beruflichen und persönlichen Umfeld der Toten gründlich auf den Zahn fühlen. Vor allem der neue Kollege, Jacob Sonnenschein, erweist sich dabei als findig und ehrgeizig.



    Da wird ein Kollege der Ermordeten überfallen und niedergestochen. Hat dieses Attentat etwas mit Henriette Strauss‘ Tod zu tun? Was der verletzte Arzt zu erzählen hat, ist überaus aufschlussreich und lenkt Kommissar Wechslers Ermittlung in eine ganz neue Richtung …


    DIE TOTE VON CHARLOTTENBURG ist ein geradliniger Krimi, der ohne achtunddrölfzig verschiedene Handlungsstränge auskommt. Eine unbequeme Frau kommt auf ungeklärte Weise zu Tode und Kommissar Leo Wechsler ermittelt. Das tut er natürlich nicht im luftleeren Raum, sondern im Rahmen seines berufliche, persönlichen und gesellschaftlichen Umfelds.


    Was das Berufliche angeht, hält sein Vorgesetzter, Ernst Gennart, der Leiter der Zentralen Mordinspektion, große Stücke auf ihn, auch wenn Wechslers Methoden manchmal etwas unkonventionell sind. Mit seinen Mitarbeitern kommt er gut zurecht. An den neuen Kollegen, Kriminalassistent Jakob Sonnenschein, muss sich das Team erst noch gewöhnen. Er ist freundlich interessiert und ehrgeizig. Der Neue ist Jude, aber das nimmt nur Wechslers bestgehasster Kollege Herbert von Malchow zum Anlass, mobbende Bemerkungen zu machen. Für die anderen ist das kein großes Thema. Dass Sonnenschein in der Gormannstraße zu Hause ist, mitten in der Spandauer Vorstadt, wo die orthodoxen Ostjuden leben, das überrascht Leo Wechsler doch.
    „Ich …“ Er suchte nach den richtigen Worten, um den Kollegen nicht zu kränken. „Ich wusste nicht, dass Sie aus dieser Gegend kommen.“
    Zum ersten Mal, seit Leo ihn kannte, wurde Sonnenschein sarkastisch. „Das sollten Sie auch nicht. Es war ein hartes Stück Arbeit, das zu werden, was ich jetzt bin.“
    (Seite 172)


    Als es im Scheunenviertel zu einem Pogrom kommt, will Leo seinem Kollegen und dessen Familie zu Hilfe eilen. Weit und breit ist er der einzige Polizist, der versucht, gegen den Mob einzuschreiten …


    Die Situation im Lande ist explosiv. Die Inflation galoppiert. Arbeiterinnen dürfen morgens noch vor Arbeitsbeginn Lebensmittel einkaufen gehen, weil das Geld nach Feierabend noch viel weniger wert ist als in der Früh.


    Dem verwitweten Kommissar und seinen Kindern geht es noch vergleichsweise gut, auch wenn er seine Uhr verkaufen muss, damit seine Schwester Ilse, die ihm den Haushalt führt, die Kinder mit Winterkleidung versorgen kann. Doch das ist nicht sein einziges Problem. Seit einem Jahr etwa ist Wechsler mit Clara Bleibtreu, der Inhaberin einer Leihbücherei liiert. Er würde sie gerne heiraten, aber was wird dann aus seiner unverheirateten Schwester? Ilse müsste sich eine Arbeit und eine eigene Wohnung suchen, und das ist alles andere als leicht in diesen Zeiten. Dazu kommt, dass Clara die Befürchtung hegt, die nach ihrer Scheidung mühsam errungene persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit wieder aufgeben zu müssen, wenn sie Leos Frau wird. Wie kann er ihr diese Angst nehmen?


    Der Kommissar hat also deutlich mehr am Hals als „nur“ einen mysteriösen Todesfall. Doch die Schilderung des Umfelds dominiert den Kriminalfall nicht, er verankert ihn in Zeit und Raum. Das macht manche Geschehnisse erst verständlich – den Fall betreffend und auch die die späteren politischen Entwicklungen. Natürlich kennt man das alles aus dem Geschichtsunterricht. Aber so plastisch und erlebbar wie in diesem Roman konnten uns Schulbücher und Lehrer den Alltag und das Lebensgefühl von damals nicht nahebringen. Und so hat man hier nicht nur einen verzwickten und spannenden Kriminalfall mit interessantem Personal, sondern lernt ganz nebenbei noch allerhand über die deutsche Geschichte.


    Die Autorin:
    Susanne Goga lebt als Autorin und Übersetzerin in Mönchengladbach. Sie hat außer ihrer Krimireihe um Leo Wechsler mehrere historische Romane veröffentlicht.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Ich möchte mich den positiven Stimmen meiner Vorredner anschließen.


    Die Zeit die hier geschildert wird, ist einfach spannend. Die Autorin schafft es, diese anschaulich zu beschreiben, so dass man mitten im Geschehen ist. Erschreckend, was damals passiert ist, angefangen von der Inflation über Judenverfolgungen zu Menschenversuchen mit Medikamenten.


    Dazu die Personen, die mir schon vom ersten Roman an wie gute Bekannte erschienen und deren persönliche Entwicklung ich zu gerne verfolge.


    Ein spannender Fall, der vielleicht leicht durchschaubar war, dennoch interessant durch die Art des Mordes.


    Alles in allem einfach ein sehr gutes Buch, von mir 10 Punkte.
    Ich wünsche Leo und Susanne Goga so viele Leser, dass es ein weiteren Fall geben wird.

  • Dsa ist eine tolle Nachricht, Susanne. Ich hoffe, das unsere vielen begeisterten Stimmen auch den Verlag überzeugt haben?


    Viel Spaß und Erfolg beim weiterschreiben und viele gute Ideen. :wave

  • hier schon mal der Link zum Vorbestellen, ist ja nicht mehr lange hin ;-)


    Kurzbeschreibung


    Erscheinungstermin: 1. Februar 2014


    Berlin 1926. Im Hof einer eleganten Wohnanlage in Kreuzberg wird die Leiche einer Frau entdeckt, die mit einer Scherbe aus rotem Glas erstochen wurde. Kommissar Leo Wechsler muss am Tatort erkennen, dass es sich bei der Toten um seine ehemalige Geliebte Marlen Dornow handelt, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Er erzählt niemandem von seiner Verbindung zu der Toten, auch nicht seiner Frau Clara, sondern stürzt sich verbissen in die Ermittlungen. Wie sich herausstellt, hatte Marlen sich von wohlhabenden Männern aushalten lassen, zuletzt von einem Politiker, der ein enger Mitarbeiter des Außenministers Gustav Stresemann ist. Kurze Zeit später gibt es einen zweiten Toten: Viktor König, der gefeierte Filmregisseur, wurde ebenfalls mit einer roten Glasscherbe erstochen …