Eine Geschichte unter vielen

  • hallo an alle, die das lesen. Das ist eine Art Geschichte die mir vor kurzem in den Sinn kam, und die ich wie schon oft schnell aufschreiben musste. Bitte nehmt euch die zeit, lest und schreibt eure Gedanken dazu. Danke.


    Als er fortging...


    Die scharfen Kanten des Metallgeländers bohrten sich kalt in seine Hände. Die Finger umschlossen krampfhaft die Brüstung. Er sah lange auf die schwarze Fläche unter sich. Leise glucksend brachen sich die sanften Wellen des Flusses an den bemoosten Steinen der Mauer. Das Wasser war wirklich schwarz. Schwarz, bodenlos, undurchdringlich. Seine dunkle Tiefe erinnerte ihn stark an die eigene Seele. Ein schwacher Windhauch kräuselte leise die Wasseroberfläche. Noch immer stand der Mann unbeweglich am Geländer und blickte hinab. Seine Gedanken kreisten um das Ende. Hier würde es abschließen, sein kleines, blasses, verschwommenes Leben. Die eisige Kälte des Elements würde ihn empfangen und umschließen wie einen lange Vermissten. Kein Mensch würde es bemerken, keiner nach ihm suchen. Er lächelte bitter in sich hinein. Denn die Verlorenen sucht niemand.
    Plötzlich hörte er langsame Schritte hinter sich. Leise klangen sie, denn der Schnee dämpfte das Geräusch. Er sah sich nicht um. Wer sollte das schon sein. Wer konnte schon etwas von ihm wollen. Auch als die Schritte genau hinter ihm abbrachen, sah er sich nicht um. Ihm war es eher, als tönten sie aus seinem Inneren. Langsam schaute er nach oben. Es schneite. Der nächtliche Winterhimmel wirkte rötlich-orange, was wohl dem warmen Licht der alten Straßenlaterne zuzuschreiben war. Es war kalt. Aber dieses Gefühl erschien dem Mann schon beinahe vertraut. Ihm war immer kalt, denn die weinende Kälte kam tief aus seiner Seele. Er sprach langsam. Den Toten gehört die Zeit. Er konnte sie beliebig dehnen und spannen. „Jeder Mensch hat am Anfang seines Lebens einen Weg. Hier endet meiner.“ Er holte tief Luft. In dem Atemzug schwangen tausend unerzählte Geschichten, bedeutungsvoll aneinander gereihte Wörter. Er sprach zu den Schritten, und zu sich selbst. Es war gleich. „Ich gehöre nicht in diese Welt. Sie hat mich nie gebraucht. Und sie wartet auch nicht auf die Unglücklichen, die langsamer laufen. Sie ist nur für die anderen da, die Bleichen und Stummen. Die, die Kälte nicht wahrnehmen können.“ (...) Der Mann lächelte bitter. „Trotzdem laufe ich langsamer als die Zeit. Ich bin zu oft am Wegesrand stehen geblieben. Und nun möchte ich nicht mehr warten, ohne zu wissen worauf. Ich will nur noch anhalten und vergehen. Im Leben zerlaufen, um endlich Ruhe zu finden.“
    Langsam strich er mit den Fingern über das Eisen. Er lief ruhig am Geländer entlang. Der Schnee knirschte. Es erinnerte ihn an ein leises Stöhnen. Die verschneiten Straßen stöhnten.
    Durch das Schneegestöber waren die schmale Straße und die kleinen angrenzenden Häuser kaum mehr auszumachen. Es schien als kauerten sich die Gebäude vor lauter Kälte eng aneinander. Nur vereinzelt brannte schummriges Licht in den Fenstern.
    Er ging Schritt für Schritt durch den Schnee am Flussufer entlang. Tappende Schritte hinter ihm. Manchmal klangen sie wie das klopfende Schicksal: lauernd und verfolgend. Dann wieder wie eine Armee von Millionen, die wie schon so oft zuvor mit ihren Klagen kamen. Diese Meute hatte er nie losbekommen. Schon früh war ihm diese besondere Gabe, die nur er zu besitzen schien, aufgefallen. Er hörte Wesen, Menschen flüstern.
    Gleichgültig tastete er sich weiter am Geländer entlang. Er empfand nichts mehr angesichts der lautlosen Stimmen. Zu oft schon hatte das Raunen dieser Einsamen seine Seele überflutet und geschwemmt. Nun war sie ausgebrannt von Tränen und von Flammen durchdrungen. Wie jeden Tag, wie jede vergangene Sekunde seines Daseins, erzählten die Verdammten auch jetzt ihre Geschichten. Sie waren immer anders, aber er kannte alle. Manchmal waren sie voller Schreie, die dann in seinem Kopf wiederhallten. Dann wieder wie ein stetiges ruhiges Tropfen von irgendwoher und irgendwohin.
    Es schneite wieder stärker. Er blinzelte beim Laufen in den Himmel und die Flocken kamen wie Sterne auf ihn zu. Er lächelte. Nur auf ihn kamen sie zu. Und das war schon immer so gewesen. Auch wenn das niemand verstanden hatte. Darin lag seine kleine Berechtigung hier zu sein. Es schneite heute Nacht nur für ihn.
    Er ließ das Metall los, schritt über die Straße, auf die Hauswand zu. Er trat mit seinem kalten Fuß dagegen. Viele Male. Ohne etwas zu spüren.
    Wie sollte er nur mit dieser kreischenden Ungerechtigkeit klarkommen. Ungerecht, ungerecht. So war ihm immer die ganze Welt vorgekommen. Er hatte gewartet. Aber das Leben hatte ihn nie dafür belohnt, dass er diese Ungerechtigkeit stumm erlitten hatte. Ungerechtigkeit. Wenn alle anderen schwiegen. Er tastete sich die raue Wand entlang. Mörtel an seinen Händen. Wenn keiner sprach. Dabei war auch das Sprechen der Menschen wie Schweigen, nur plumper. Sie redeten von Blumen und Sonne. Immer wieder von der Sonne. Wo war sie. Er hatte sie nie gesehen und nie mitreden können. Dafür hatte er die Gespenster gesehen. Bleiche, tote, händeringende Gespenster. Gespenster, mit Blut statt Tränen in den Augen. Seine Hand berührte tastend kalten Stein.
    Lachen erklang in ihm, von den unzähligen Malen, als er selbst immer wieder ausgelacht wurde. Jedes Schmunzeln ein Dolchstoß. Dafür hatte er getötet. Meistens sich selbst.
    Nichts mehr denken, nichts sehen. Aber vor allem nichts denken.
    Nur stur weitergehen. Bald musste es vorbei sein.
    Und er ging weiter. Immer an des Hauswänden entlang. Er sah nur auf den eintönigen Schnee vor seinen Füßen. Sein Geist war wie leergefegt. In ihm war keinerlei Gefühl zurückgeblieben, weder Hass, noch Wut oder Trauer. Es schien, als entweiche mit jedem weiteren Schritt ein Stück Gefühl. Auch die Schritte hinter ihm wurden allmählich leiser. Bis sie schließlich ganz verklangen. (....) Mit jedem Atemzug atmete er die schwere Einsamkeit. Sie kroch zitternd unter allen Ritzen und Türspalten hindurch und lagerte wie ein süßer Duft in allen Räumen seines Herzens. Im Dunkeln konnte er darin baden. Die Einsamkeit tat nur weh, wenn er mit anderen Menschen zusammen war. Dann steigerte sie sich in einen Schmerz, der wie gleißendes, stechendes Licht war. Und für diese Schmerzen gab es keine Entschädigung. Da war nie jemand gekommen, der ihn in sich selbst bestätigte, ihm dankte und für alles durchlebte Leid belohnte. Schwer, dafür nicht zu hassen.
    An keinem Ort dieser Welt fühlte er sich zu Hause. Er hatte keine Heimat. Von überall hatte man ihn weggelächelt. Deshalb lief er. Deshalb lief er auch jetzt mühevoll durch den Winter. Das ruhelose Wandern in der Einsamkeit war seine einzige Heimat.
    Also lief er weiter. Wurden die Windböen, die eisige Kristalle mit sich wirbelten, stärker, ging er einfach langsamer. Immer an den Häusern entlang, ohne stehen zu bleiben.
    Später tauchte er in eine kleine schmale Gasse ein. Die Laternen standen hier weiter voneinander entfernt, und es gab weniger erleuchtete Fenster. Plötzlich verlor seine linke Hand die Mauer des Hauses und tastete ins Leere. Hier war ein kleiner, dunkler Durchgang, eine enge Lücke zwischen zwei Gebäuden. Er blieb stehen, ohne recht zu wissen, warum. Er fühlte keinerlei Kälte mehr.
    Behutsam kauerte er sich in den schmalen Durchgang. Es war fast vollkommen dunkel. Die Vorstellung eines stillen, schwarzen Saals gefiel ihm am besten. Er kroch noch tiefer in die Dunkelheit. Seltsamerweise nahm ein Bild aus dem Dunkel langsam Konturen an. Er schob sich noch ein Stück weiter nach vorne, und bald war es ihm möglich, etwas zu erkennen. Alle Farben waren deutlich auszumachen. Aufmerksam musterte er das Bild.
    Er sah eine karge Berg- oder Mondlandschaft, eine stille und friedliche Seinwüste mit vereinzelten Felsen und Kratern. Es war Nacht und die Sterne standen im glitzernden Schweigen über dem Landstück. Obwohl kein Mond zu sehen war, so malte sein silbernes Licht doch feine Schatten auf den Steinen der Ebene. Im Hintergrund ließen sich gewaltige Gebirge erahnen. Doch das seltsamste Gebilde nahm den Mittelpunkt des Bildes ein: Da war ein riesiger Turm abgebildet, bestehend aus lauter Büchern. Sie bildeten Wände, Balkone, Türen, Fenster, Terrassen und sogar die große Eingangspforte. Menschen waren nirgendwo zu sehen. Die Fenster waren nicht erleuchtet. Das weiße Mondlicht übergoss sich auf alle Bücher.
    So unrealistische, in sich abstoßend das Gemälde auch wirkte, fügten sich doch auf eine skurrile Art alle Einzelteile zusammen. Die Puzzleteile fügten sich harmonisch zu einer Einheit. Nichts wirkte überflüssig oder unpassend. Das gesamte Bild strahlte einfache Ruhe und stillen Frieden aus.
    Unbeweglich hockte er davor. Eine lange Zeit, in der er kaum zu atmen wagte.
    Es war, als bewege sich langsam etwas in seinem Inneren. Irgendetwas Altes, Schweres brach auf. Er fühlte nichts mehr, und doch zum ersten Mal in seinem Leben alles. Als würden alle Gefühle ihn überschwemmen. Er empfand, wie er begann sich aufzulösen. Und er sehnte sich. Es verlangte ihn mit seiner ganzen, weiten Seele zu diesem Bild. Diese Sehnsucht nahm all sein Denken und Fühlen ein. Er wollte nichts anderes, als hineinstürzen und für eine Ewigkeit darin leben. Ja, er hatte es schon immer gewollt. Alle Puzzlestücke seines Lebens fügten sich in dieses Bild. Nur hierher gehörte er. Hier war er zu Hause. Viele Jahre, unendliche, lange, schmerzende Jahre, eine Ewigkeit hatte er gesucht. Das Bild beantwortete alle seine quälenden Fragen und sprach mit tausend Stimmen. In diese harmonische und friedliche Einsamkeit gehörte er. Dieses Bild zeigte nichts anderes, als einen leisen, weiten Ort in seinem Herzen.
    Er kauerte leise vor dem Bild. Er kauerte in Kälte, in einem warmen Winter, in Frieden.
    Über sein Gesicht rannen Tränen.

  • Hallo, Fabienne,


    'Das ist eine Art Geschichte ', schreibst Du, 'die mir vor kurzem in den Sinn kam und die ich wie so oft schon schnell aufschreiben mußte. Bitte nehmt euch Zeit...'


    Ich bin gleich über deine Einführung gestolpert. Sie enthält mindestens drei Vergehen.


    1. Eine ART Geschichte. Was ist das? Eine Geschichte? Keine Geschichte? Willst Du etwas erzählen? Etwas sagen? Oder nicht?
    Schreiben heißt, unter anderem, etwas so genau wiederzugeben, wie es nur geht. Den präzisen Ausdruck zu finden, aber heißt, darüber nachzudenken.


    2. Es kam Dir in den Sinn und Du mußtest es schnell aufschreiben.
    Einfälle schreibt man schnell auf, Ideen, sogar ausformulierte Sätze, manchmal ganze Abschnitte. Das kann schnell gehen. Bevor man das Produkt dann der LeserInnenschaft vorlegt, sollte man aber noch einen Moment der Langsamkeit einschieben und den schnell notierten Text durchgehen. Die rohe Rohfasung ist nichts für die Augen Dritter. Die dritte, vierte Rohfassung vielleicht.


    Schließlich forderst Du
    3. von den LeserInnen Zeit. Die steht Dir zu.
    Verlangen kann sie jemand, die schreibt, aber nur, wenn sie vorher selber Zeit investiert hat. Einfach eine Frage der Gerechtigkeit.

    Also: nicht gedacht, aufs Papier geknallt und dann sollen die LeserInnen sich damit auseinandersetzen?? :grin
    Ach und weh!
    Tip: Solltest du mal eine Geschichte an eine Redaktion einschicken, mit der Bitte um Abdruck, dann vermeide unbedingt das, was du in der obigen Einführung angestellt hast.


    Zur Geschichte:
    Du hast recht, es ist 'eine Art Geschichte'. Hier finden sich verschiedene Themen, die sich aber nicht richtig zusammenfügen. Du hast 'Einsamkeit', du hast diesen Mann und sein Leben und diesen Turm aus Büchern.
    Man hat beim Lesen nur Fragen. Die Situation scheint klar, er will sich umbringen und tut es dann doch nicht. Warum?
    Er beklagt 'Ungerechtigkeit'. Was ist ungerecht? Das Leben an sich? Sein Leben? Ist ihm Ungerechtigkeit widerfahren? Oder empfindet er subjektiv Ungerechtigkeit, ohne daß das etwas mit seinem realen Leben zu tun hat?
    Wer sind diese Gespenster? Er hört die Toten. Kein schlechtes Motiv. Aber ich als Leserin würde sie auch gern hören. Was sagen sie denn nun? Warum sagen sie es? Den ganzen Schmerz der Welt da auszupacken, ist viel zu vage.
    Vor allem, warum soll ich als Leserin das glauben? Vielleicht spinnt der Typ nur. Und wenn er ein Irrer ist, warum soll ich ihm zuhören?
    Du sagst, sein Leben sei blaß und vage. So schreibst du auch. Du mußt aber so farbig und intensiv schreiben, daß wir beim Lesen fest davon überzeugt sind, daß dieses Leben, das du uns da vorstellst, blaß ist.
    Verstehst du das??
    Schließlich die Bedeutung dieses Bücherturms. Die Kunst? Kultur? Die alles besser und schöner macht?
    Na, komm! So ein altes Motiv. Wenn ich dir das abkaufen soll, mußt du mich dazu bringen. So präsentieren, daß LeserInnen es glauben. Hier glaubt man nicht, man schüttelt im Gegenteil ungläubig den Kopf.


    Du hast ein großes Vokabular. Das ist gut. Du kennst viele Wörter. Aber du benutzt sie, wie sie schon ganz viele vor dir benutzt haben.
    Wellen sind immer sanft und glucksen, Wasser in Winternächten ist immer schwarz, Licht ist schummrig oder gleißend. Einsamkeit und Kälte kommen immer im Doppelpack, Blut und Tränen auch. Gespenster sind immer bleich. Und alle lächeln bitter, glaub's mir.


    Eigene Wortkombinationen, die mich auch stolpern ließen:
    stöhnende Straßen??
    bedeutungsvoll aneinandergereihte Wörter???
    kreischende Ungerechtigkeit? Mal was Neues, gebe ich zu, aber nicht so glücklich.
    atmet schwere Einsamkeit?
    Die Seinwüste ist hoffentlich ein Tipfehler für STeinwüste
    Karge Berg - oder Mondlanschaft: entscheide dich. Das können nicht die LeserInnen tun.
    Und die Beschreibung des Turms schließlich: warum abstoßend??
    Fazit:
    Es steckt was drin, aber du mußt eine Menge Mörtel abschlagen, bis es rauskommt. Sichtbar wird. Denk darüber nach, was du sagen willst. Und dann erzähle es uns mit Worten, die ganz genau wiedergeben, was du erzählen willst.
    Bin schon gespannt
    :wave
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Also, ich kann mit so einem Metapher-reichen Text nichts anfangen..zuviele Adjektive, zu schwülstig das Ganze....was dabei für mich herauskam..ich habs nur etwa zu einem Drittel gelesen..... :wowNoch was..bei so einem langen Text (fürs I-net) bitte mehr Absätze einfügen, zur besseren Lesbarkeit :wave

  • Mmmh - ich würde Fabienne empfehlen, wirklich alle Adjektive aus diesem Text zu streichen und danach beim Lesen diejenigen Stellen zu markieren, an denen dann wirklich ein Adjektiv fehlt - und nur diese einzusetzen. Der Text ist gnadenlos überfrachtet, dicht an der völligen Unlesbarkeit.

  • Zitat

    Original von hinterwäldlerin
    Ach magali, wie soll das denn gehen: Einerseits soll sie neue Adjektiv-Substantiv- Kombis finden, andererseits aber nicht solche wie sie hat? Bitte erkläre, was du meinst, denn deine Tipps sind immer brauchbar. :-)


    Hej, ich habe nicht gesagt, daß sie neue Adjektiv-Substantiv-Bildungen finden soll. Und wo ist überhaupt die Autorin??
    Ich sagte, überlegen, was gesagt werden soll
    und dann das sagen.
    Ganz genau. Mit dem jeweils paßgenauen Wort. Sonst nichts.
    Im Moment ertrinken sowohl die andeutungsweise vorhandenen Spuren einer Handlung als auch die vagen Andeutungen einer Aussage in einer Überfülle von Wörtern. In einer Überfülle von Gefühl.
    Denkt doch mal nach, Kinners.
    Da ist ein Typ. Er will sich umbringen. Warum?
    Er tut es nicht. Warum?
    Dann passiert - was?
    Ich hab nicht gesagt, daß es leicht wird.
    magali

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    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Ines
    Ich habe den Eindruck, dass das Weglassen von Adjektiven einem allgemeinen Trend, der derzeit vorherrscht, entspricht. Was wäre Zola ohne Adjektive?


    Ines, Zola mit 15 hätte uns auch nicht gefallen, okay?
    Und wenn das Weglassen von Adjektiven einem heutigen Trend entspricht, dann freue ich mich drauf, demselben bald zu begegnen.
    :-]
    magali

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    K. Kraus

  • Hallo, Ines.


    Das Weglassen von Adjektiven wird von einigen Autoren als das Nirvana des Schriftstellerseins propagiert - so zum Beispiel von der Gruppe "Hamburger Dogma" (Gunter Gerlach und andere). Dem würde ich mich nicht anschließen, aber es gibt beschreibende Adjektive, die wichtig sind, um eine Geschichte atmosphärisch voranzubringen, und behauptende, mit Hilfe derer sich der Autor der leidigen Notwendigkeit, Dinge zu zeigen und eben nicht zu behaupten, entledigen will. "Er sah sie erwartungsvoll an" - das ist so ein Konstrukt. Fabienne macht nicht nur das, sie zwingt außerdem Atmosphäre herbei, und sie schießt m.E. am Ziel vorbei. Es geht nicht darum, auf Adjektive zu verzichten - ich liebe sie nachgerade -, sondern das richtige Maß zu finden.

  • Hallo, Ines.


    Zitat

    Aber, Tom, wie willst du denn sonst ausdrücken, dass er sie erwartungsvoll ansah? "Er sah sie an und trat unruhig von einem Bein auf das andere?"


    Beispielsweise - hängt von der Situation ab. Sobald Du auf diese Art bewertest, wechselst Du quasi temporär die Perspektive, denn (das Beispiel ist nicht so prickelnd) Du lieferst eine Information, die eigentlich nur die Person liefern kann, die in diesem Fall erwartungsvoll schaut, oder es ist eine Bewertung durch diejenige Person, die angesehen wird (was wiederum zulässig sein kann). Man muß sowas nicht auf die Spitze treiben, aber es kann gefährlich werden. Und, wie gesagt, das Beispiel ist nicht so super. :-)


    Edit: Letztendlich geht es um das berühmt-berüchtigte "Show, don't tell" - zeige, behaupte nicht. Wenn wir jemanden ansehen, der die Augenbrauen hochzieht, die Mundwinkel herunter, zwinkert, lächelt usw. usf., dann nehmen wir zunächst nur das wahr, der Rest ergibt sich aus unserer Bewertung (aufgrund der Situation und unserer Vorkenntnisse über die Person). Im Idealfall schafft es der Autor, daß ein Leser erkennt, daß die dieserart agierende Person erwartungsvoll schaut, ohne daß der Autor es explizit erwähnt. Denn im schlimmsten Fall liest der Leser etwas, das er nicht (mehr) glaubt, weil die Behauptung ohne Beweis dasteht.

  • @ magali: ich finde deine stellungnahme "erste sahne".
    du zeigst die schwachpunkte anhand von beispielen auf, du machst konstruktive vorschläge und regst zum eigenen denken an. du machst nicht einfach nieder, sondern ermutigst auch.
    ein leseerlebnis der besonderen art!! danke. :anbet


    nach edit: ich wollte jetzt die anderen kritiker keinesfalls herabsetzen!
    nur: gäbe ich jemals eine eigene kurzgeschichte o.ä. zur beurteilung frei, wünschte ich mir einen kritiker wie magali.

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von frosch1 ()

  • Tom
    Eben, meine Rede seit anno 18. Der präzise Ausdruck ist das Ziel.
    Wenn man den mit 17 Adjektiven erreicht, schreibt man halt 17 Adjektive.
    In der Geschichte oben aber verwischen die Adjektive die Geschichte.
    am Anfang hängt man eben an Klischees und Trivia. Ist auch Erfahrungssache. Warum es allerdings immer Expressionismus sein muß, seufz...
    Danke für den Hinweis auf das Hamburger Dogma. Kannte ich noch nicht.
    Man kommt einfach nicht nach. Gelegentlich muß ich auch was anderes tun, als meinem Mißfallen und Leiden als geplagte Leserin Ausdruck zu verliehen ;-)
    magali

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    K. Kraus

  • Hallo, Ines.


    Zitat

    Warum ist es denn schlimm, die Perspektive zu wechseln?


    Weil die Erzählung dadurch inkonsistent wird. Wenn Du auktorial erzählst - kein Problem (m.E. aber eine nicht so gute Variante). Bei personaler Perspektive weißt Du immer nur von einer Person, was sie denkt und interpretiert.


    Zitat

    War auch gerade auf der Homepage von Dogma - und bass erschrocken! Alles, was die dort ankreiden, betreibe ich mit Vorliebe.


    Das ist nur ein möglicher Ansatz, und die Gruppe hat nicht gerade viele Anhänger. Aber mal spaßenshalber diese "Regeln" zu befolgen kann ein echter Eye-Opener sein. :grin

  • hi, frosch,
    mit Niedermachen ist auch nichts gewonnen.
    Und das ist ja Gute an diesem Forum, im Unterschied zu anderen, daß es nicht drum geht, einander einzumachen, wenn man mal was geschrieben hat.
    Sonst würde sich ja keiner mehr trauen.
    Ich bin in erster Linie auch bloß Leserin. Da habe ich hier mal die Gelegenheit direkt zu meckern, wenn mir was Geschriebenes nicht gefällt. Sonst sitze ich immer bloß im Lesesesel und knottere in mich hinein.
    :wave
    magali

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    K. Kraus

  • Habe einen Blick auf das Dogma geworfen.
    Joyce und Proust sind out, sehe ich.
    Mal wieder?? :grin
    Sicher reizvoll, mal damit zu experimentieren.
    magali

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    K. Kraus

  • Hallo, Magali.


    Ist nur ein möglicher Ansatz, und der Name - Dogma - sagt schon aus, worin seine Schwierigkeiten bestehen. Die beteiligten Autoren unterwerfen sich diesem Dogma auch nicht immer. Manchmal muß einfach ein Adjektiv her, und manchmal müssen 17 Adjektive her, vielleicht sogar in einem Satz. Das Gefühl dafür zu entwickeln und zwischen all diesen Regelungen und (bedeutungslosen!) Vorschriften seinen eigenen Weg und Stil zu finden, das ist die große Aufgabe. Bezogen auf die Geschichte - die ich mir nachher noch in aller Ruhe zu Gemüte führen werde - sind die Adjektive aber ein Problem, weil sie, wie Du feststellst, die Geschichte ersticken.


    BTW: Ich habe einige dieser und anderer "Regeln" in der Sektion "Schreibtips" auf meiner Site zusammengefaßt.

  • Liebe Kritiker,
    seit Tagen lese ich nun regelmäßig eure Aussagen zu meiner Geschichte. Erst einmal möchte ich euch danken, vorallem dir, magali.
    Danke, dass ihr alle euch so intensiv mit dem Text beschäftigt habt, euch zeit genommen habt. Ihr analysiert und analysiert, und alles klingt sehr wissenschaftlich. Ihr habt Recht mit eurer Kritik. Die Geschichte explodiert beinahe vor Beschreibungen und Adjektiven. Sicher hätte ich da viel streichen müssen. Aber genau durch diese Adjektive lebt ein Text auch irgendwie. Adjektive machen ihn bunt, und mein Text erscheint mir wie ein riesiger Farbstrudel. Vielleicht stehen in modernen Geschichten heute weniger Adjektive, und es ist ungewohnt und seltsam meine Geschichte zu lesen. Aber heißt das etwa, das es so nicht auch geht?
    Auch das Fragen offen bleiben, ihat vielleicht einen tieferen Sinn. Die verworrrenheit und Unklarheit erscheint mir fast als eine Art Grundprinzip meiner geschichte.