Ich mag diesen Geradeaus-Fun-Punk, den Bands wie Blink-182, Green Day, The Ataris, The Offspring (teilweise), die von mir heiß geliebten The Presidents of the USA, in Deutschland aber auch The Bates (gibt es nach dem Tod des Sängers "Zimbl" nicht mehr) und - eingeschränkt - Die Ärzte machen. Minimalbesetzung, simple, aber originelle Riffs, knochenhartes Schlagzeug, lustige Texte. Deshalb freute mich auch die Nachricht, dass Blink-182, die sich 2005 aufgelöst hatten, im Jahr 2009 ihre Wiedervereinigung ankündigten. Ende 2010 wurden die Tourdaten veröffentlicht; ich kaufte Karten für die Berliner Wuhlheide, also eine Open-Air-Arena, gesetzter Termin: 22.6.2011. Ein paar Wochen oder Monate später wurde angekündigt, dass das Konzert um einige Tage verschoben werden und auf dem Areal der Zitadelle Spandau (auch Open Air) stattfinden sollte. Und dann kam noch eine Mail: 30. Juni, Max-Schmeling-Halle. Okay, dachte ich, dann las ich die Jahreszahl: 2012. Es gab Probleme mit dem neuen Album, also hatte man die Tour um ein ganzes Jahr verschoben. Ich behielt die Karten.
Am vergangenen Samstag also war es dann endlich so weit - ich setzte mich mit gemischten Gefühlen in die S-Bahn, erwartete nichts, außer vielleicht Hitze: Das Thermometer zeigte 30 Grad. Vom Nordbahnhof fuhr ich mit der Straßenbahn zum Mauerpark, über dem die Schwaden von Grillfeuern schwebten und in dem hunderte halbnackter Menschen das Wetter genossen. Vor der Halle, die 1996 eröffnet worden ist und seit der kürzlich darauf erfolgten Eröffnung der größeren, aber verkehrstechnisch auch sehr viel besser platzierten O2-World ein Schattendasein fristet, standen viele sehr junge Menschen in Shirts und kurzen Hosen an. Ich trug Jeans und T-Shirt, schwitzte aber bereits. Es war 19.20 Uhr, das Konzert sollte um 19.30 Uhr beginnen.
Und das tat es auch. Ich schaffte es gerade noch in den Innenraum der gut gefüllten Halle (ungefähr 12.000 Menschen), dann begannen The All-American Rejects, eine nicht ganz unbekannte Band, die mit "Gives You Hell" 2009 auch in Deutschland eine Chartplatzierung hatte. Der 30-minütige Auftritt war gefällig, wenn auch etwas sehr mit Posen durchsetzt, unterm Strich aber durchaus okay. Kein Must-Hear oder Must-Have, zuweilen etwas albern, doch in Ordnung. Das Publikum hatte Spaß, die Temperatur in der Halle stieg bereits auf über 40 Grad. Es stank nach Schweiß und Bier und hin und wieder nach heimlich gerauchten Zigaretten. (Erstaunlich) Kurze Umbaupause, dann traten Royal Republic auf, eine Metal-Band aus Schweden, die mir außerordentlich gut gefallen hat. Erinnerten ein wenig an die frühen Metallica, alles sehr hart, aber auch knochentrocken, druckvoll und mit viel Spielfreude. Das durchweg ziemlich junge Publikum geriet in Feierlaune, das Thermometer näherte sich der 50-Grad-Marke. Wieder dreißig Minuten, danach zwanzig Minuten Umbau - und ab ging die Post.
Ich habe wirklich schon viel gehört und gesehen, aber der Auftritt von Blink-182 gehört zu den lautesten Konzerten, die ich je erlebt habe. Heilige Scheiße. Von Anfang bis Ende hinterließ jeder Schlag auf die Trommeln, jede Berührung einer Basssaite die Haut beben und den Magen vibrieren. Leider ging dadurch der Gesang von Mark Hoppus zuweilen etwas unter, aber Tom DeLonges etwas näselnde Stimme kam immer noch durch. Zu einem spektakulären Effektfeuerwerk spielte die Drei-Mann-Combo einiges vom neuen und, ehrlich gesagt, etwas belanglosen Album, aber auch alle Kracher von "I Miss You" über "Feeling This" bis hin zu "All The Small Things". Blink-182 hatten auch in Deutschland zwei Nummer-eins-Alben, und das aktuelle - "Neighborhoods" - schaffte es im September 2011 immerhin auf Platz 6.
Sound und Lautstärke waren, wie gesagt, bis auf wenige Momente exzellent, und auch die Bühnenshow konnte beeindrucken, allerdings empfand ich diese irgendwann als etwas überzogen, zumal es praktisch keine Pausen oder zurückhaltenden Momente und inhaltlich auch kaum Bezug zu den Songs gab. Großartig gefiel mir, dass während der ersten halben Stunde alles in Schwarz-Weiß war, also auch nur weiße Licht- und Videoeffekte eingesetzt wurden, um dann nach und nach in ein farbigeres Bühnenbild überzugehen. Die Inszenierung erinnerte an Green Day, die aber wesentlich stärker mit den Inhalten ihrer Stücke spielen - und, ehrlich gesagt, auch wesentlich charismatischer wirken. Tom DeLonge und Mark Hoppus führten zwar gelegentlich ein paar Dialoge, die vermutlich lustig sein sollten, es aber nicht waren - wer Die Ärzte live erlebt hat, weiß, wie so etwas sein kann, weshalb es mir in diesem Fall bestenfalls ein müdes Lächeln abzuringen in der Lage war.
Nach anderthalb Stunden und einer Zugabe kam Tom DeLonge allein auf die Bühne zurück und daddelte mit seiner Bassgitarre herum, während er sich vom Publikum verabschiedete. Dann sagte er etwas, das ich als "Now prepare for the final beat" verstand, aber es war schwer zu hören. Jedenfalls schlug er abschließend einen so brachialen Bass an, dass es durch Mark und Bein ging - noch zwei Sekunden länger, und mir wäre schlecht geworden, und ich stand gute zwanzig Meter von Bühne und PA entfernt. Meinen Nachbarn tränten die Augen. Dann ging das Licht an, es war vorbei - und die Luft draußen, obwohl immer noch sehr warm, empfand ich als die frischeste Brise seit langem.
Tja. War das ein Konzert, das fast zwei Jahre Wartezeit gelohnt hat? Ich weiß nicht so recht. Das ganze hatte etwas Steriles, wirkte auf mich überinszeniert. Vielleicht war ich aber auch nur sauer, dass sie kein Wort darüber verloren haben, dass einige zwei Jahre warten mussten. Wie auch immer. Das Highlight des Abends war für mich Royal Republic, aber Blink-182 ist eine feine, wenn auch sehr mainstreamige Fun-Punk-Band, die immer noch rockt. Held des Abends aber war fraglos Travis Barker, der Schlagzeuger, der einerseits bewies, dass eine Schießbude tatsächlich ein melodietragendes Instrument sein kann - und andererseits demonstrierte, dass man nie glauben sollte, dass es lauter nicht geht. Doch. Tut es. 115 dB zeigte die Schalldruckpegel-Mess-Applikation auf meinem Telefon zeitweise. Kategorie Kampfflugzeug. Gut, vielleicht gab es Messfehler. Aber keine großen.