'Alias Grace' - Kapitel V - VI

  • In diesen Kapitel erzählt Grace von ihrer Jugend. Die Familie hat in Irland sehr ärmlich gelebt und die Reise nach Kanada war für sie die einzigste Rettung (vor allem, da ihre Tante schwanger war und ihnen finanziell nicht mehr so sehr unter die Arme greifen konnte). Grace's Mutter überlebt die Reise nicht - und Grace muß sich jetzt allein um ihre Geschwister kümmern. Da ihr Vater alles Geld und die wenigen Gegenstände versetzt, um sie in trinkbare Güter umzusetzen, geht es der Familie immer schlechter. Aber Grace hat Glück, sie kommt als Dienstmädchen weg von ihm. Und dort lernt sie auch Mary Whitney kennen, ein Dienstmädchen wie sie. Von Mary lernt Grace sehr viel - doch leider verstirbt diese nach einer Abtreibung....


    Das Buch gefällt mir sehr gut, ich habe mittlerweile festgestellt, daß die Kapitelnamen Muster von Patchwork-Decken sind (und auch die kleinen Bilder diese Decken zeigen). Grace tut mir richtig leid - sie hatte wirklich eine schwere Kindheit und hat immer unter Mangel gelitten. Jetzt (als Dienstmädchen) hat sie endlich eigenes Geld - und kann sich mal etwas davon kaufen. Aber sie hat weiterhin sehr schwere Arbeit zu verrichten... :wave

  • Mary Whitney hat es also tatsächlich gegeben. Schade ... ich hatte mich gerade mit Roshas Idee der multiplen Persönlichkeitsstörung angefreundet. :lache


    Aber mentale Aussetzer scheint Grace dennoch zu haben. Nach Marys Tod fällt sie in eine 10-stündige Ohnmacht, wacht kurz auf, hält sich für Mary und fällt in die Ohnmacht zurück, ohne sich später an irgendetwas erinnern zu können. Hat sie vielleicht im Hause Kinnear aus irgendwelchen Gründen unter solch einem psychischen Stress gestanden, daß sie die Morde während solch eines Aussetzers begangen hat ? Denn daß sie diese bewußt begangen hat, mag ich irgendwie nicht glauben, dafür ist mir Grace einfach zu sympathisch.


    M.A. hat Grace wirklich mit einem feinen trockenen Humor versehen, dessen sich Grace überhaupt nicht bewußt zu sein scheint. Sie hat eine wunderbare Art Dinge und Personen zu beschreiben. Z.B. die Parkinsons: er sieht aus wie ein Apfel mit zwei Stöcken drin; sie ist so in ihrem Korsett eingeschnürt, daß sie auf ihrem Busen ein Tablett balancieren könnte, ohne eine Tropfen Tee zu verschütten. :lache


    Zitat

    Original von bibliocat
    Das Buch gefällt mir sehr gut, ich habe mittlerweile festgestellt, daß die Kapitelnamen Muster von Patchwork-Decken sind (und auch die kleinen Bilder diese Decken zeigen).


    Wow ... wie bist du denn darauf gekommen ? Nachdem ich ein Kapitel gelesen habe, blättere ich immer zum Titel zurück um zu sehen, ob er zum Inhalt paßt ( mache ich immer ... ist so eine Marotte von mir :rolleyes ). Aber daß es sich bei den Überschriften um Muster für diese Quilts handelt, darauf wäre ich nie gekommen.

  • Zitat

    Original von -Christine-


    Wow ... wie bist du denn darauf gekommen ? Nachdem ich ein Kapitel gelesen habe, blättere ich immer zum Titel zurück um zu sehen, ob er zum Inhalt paßt ( mache ich immer ... ist so eine Marotte von mir :rolleyes ). Aber daß es sich bei den Überschriften um Muster für diese Quilts handelt, darauf wäre ich nie gekommen.


    Mir fiel es auch eher durch Zufall auf - die Bilder, die Kapitelüberschriften und dann die Geschichten, die Grace erzählt (und da ich in englisch lese, konnte es auch keine Übersetzungsprobleme geben) :chen

  • Zitat

    Original von bibliocat
    Das Buch gefällt mir sehr gut, ich habe mittlerweile festgestellt, daß die Kapitelnamen Muster von Patchwork-Decken sind (und auch die kleinen Bilder diese Decken zeigen).


    Ui, danke bibliocat für deinen scharfen Blick! Das ist mir bisher völlig entgangen. Ich habe immer schnell weiter geblättert bis zum nächsten Text.


    Die Informationen über Grace' Kindheit und die Reise übers Meer sind ja fruchtbar traurig. Eine Erklärung dafür, wie verrohte und gefühllose Menschen entstehen können. Mich wundert nur, dass es damals nicht viel mehr ermordete Ehemänner gab. Hilfe, so ein Trunkenbold war ja einzig der Mühlstein um den Hals einer Frau! :yikes


    Mary Whithey scheint es also wirklich gegeben zu haben. Auch wenn Simon selbst anmerkt, dass er diese Informationen nicht verifizieren kann, weil er nur die Aussage von Grace hat.


    Tieftraurig die Abtreibung und der Tod von Mary. Der Vater des ungewollten Kindes war bestimmt der Sohn des Hauses. Als die Mutter das kapiert, ist es plötzlich nicht mehr ihr Bestreben, den Schuldigen an den Pranger zu stellen. Miese Welt!


    Der Hausierer Jeremiah ist eine schillernde Figur. Gefiel mir gut.


    Ich kann dir nur zustimmen, Christine. Grace hat einen feinen Humor. Neben ihr erscheint mir auch Simon regelrecht naiv. Was mir besonders gefällt: Grace scheint durch ihr hartes Schicksal trotzdem nicht verbittert geworden zu sein. Unglaublich!

  • Zitat

    Original von Rosha
    Ich kann dir nur zustimmen, Christine. Grace hat einen feinen Humor. Neben ihr erscheint mir auch Simon regelrecht naiv. Was mir besonders gefällt: Grace scheint durch ihr hartes Schicksal trotzdem nicht verbittert geworden zu sein. Unglaublich!


    Ich überlege die ganze Zeit, wie Grace es schafft, so "normal" zu bleiben. Wenn sie tatsächlich unschuldig ist, müßte sie das doch immer wieder beteuern und mit ihrem Schicksal hadern, unschuldig hinter Gittern zu sitzen. Bisher sagt Grace immer wieder, daß sie sich an den Mord nicht erinnern kann. Ist es vielleicht möglich, daß sie tief in ihrem Innern ahnt, daß dort etwas Dunkles lauert und sie durchaus etwas damit zu tun haben könnte und die Gefängnisstrafe als die ihr von Gott auferlegte Strafe sieht ?

  • Zitat

    Original von Rosha
    Tieftraurig die Abtreibung und der Tod von Mary. Der Vater des ungewollten Kindes war bestimmt der Sohn des Hauses. Als die Mutter das kapiert, ist es plötzlich nicht mehr ihr Bestreben, den Schuldigen an den Pranger zu stellen. Miese Welt!


    Der Hausierer Jeremiah ist eine schillernde Figur. Gefiel mir gut.


    Ich hatte auch den Sohn im Verdacht. Aber leider interessiert das niemanden - die Schuldige ist die arme Mary, die für die Liebschaft ihr Leben läßt...


    Jeremiah gefällt mir auch sehr gut! :wave

  • Zitat

    Original von -Christine-
    Ich überlege die ganze Zeit, wie Grace es schafft, so "normal" zu bleiben. Wenn sie tatsächlich unschuldig ist, müßte sie das doch immer wieder beteuern und mit ihrem Schicksal hadern, unschuldig hinter Gittern zu sitzen.


    Vielleicht hat sie am Anfang ihre Unschuld beteuert. Inzwischen ist sie ja bereits etliche Jahre eingesperrt und ist abgestumpft. Sie hat gemerkt, es hört ihr ohnehin niemand zu, es glaubt ihr keiner. Wozu sollte sie sich noch in die Unschuldsbeteuerungen hineinsteigern? Zumal sie vielleicht wieder als verrückt abgestempelt wird, wenn der Zorn über die Ohnmacht und die Ungerechtigkeit hochkocht.


    Ich sehe in ihrem Verhalten eine Art Kapitulation.


    Und befürchte eigentlich, dass uns die Autorin keine Antwort liefern wird. Ich glaube, der Roman läuft darauf hinaus, dass jeder für sich selbst entscheiden muss, ob er Grace für schuldig oder unschuldig hält.

  • Zitat

    Original von Rosha
    Mich wundert nur, dass es damals nicht viel mehr ermordete Ehemänner gab. Hilfe, so ein Trunkenbold war ja einzig der Mühlstein um den Hals einer Frau! :yikes


    Das Problem war doch, dass Frauen keine Alternative hatten. Die Ehe war ihre wirtschaftliche Absicherung, der Mann ihre Haupteinkommensquelle, brachte eben das Brot auf den Tisch, wenn auch oft nur in unzureichenden Portionen. Als Frau mit Kindern hatte man damals nicht sonderlich viele Moeglichkeiten Geld zu verdienen - ausserhalb der Prostitution. Dienstmaedchen geht ja auch nur ohne Anhang. Man sieht es doch auch am Beispiel von Simons Vermieterin, die ohne ihren Mann in Gefahr kommt von einer doch eigentlich guten Situation praktisch ueber Nacht obdachlos zu werden.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von Beatrix
    Das Problem war doch, dass Frauen keine Alternative hatten. Die Ehe war ihre wirtschaftliche Absicherung, der Mann ihre Haupteinkommensquelle, brachte eben das Brot auf den Tisch, wenn auch oft nur in unzureichenden Portionen.


    Am Beispiel von Grace Mutter war es ja eher so, dass der "werte Herr", das bisschen Geld, das er verdiente gleich wieder versoffen hat. Die Frau musste mit Näharbeiten für das Essen der Kinder sorgen. Vom Mann bekam sie Schläge, Vorwürfe und ein um das andere Kind angedreht.


    Für mich hat es sich so dargestellt, dass sie als Witwe besser dran gewesen wäre. Die Arbeit wäre für sie die gleiche geblieben, aber der Ärger hätte deutlich nachgelassen.


    Die Frauen der damaligen Zeit hatten absolut die denkbar schlechtesten Karten. Es bereitet mir Atemnot, wenn ich mir vorstelle, so ein Leben führen zu müssen. :yikes

  • Zitat

    Original von Rosha


    Am Beispiel von Grace Mutter war es ja eher so, dass der "werte Herr", das bisschen Geld, das er verdiente gleich wieder versoffen hat. Die Frau musste mit Näharbeiten für das Essen der Kinder sorgen. Vom Mann bekam sie Schläge, Vorwürfe und ein um das andere Kind angedreht.


    Für mich hat es sich so dargestellt, dass sie als Witwe besser dran gewesen wäre. Die Arbeit wäre für sie die gleiche geblieben, aber der Ärger hätte deutlich nachgelassen.


    Definitv ! Zumal sie dann mit ihren Kindern sicher auch weiterhin von ihrer Schwester Pauline und ihrem Schwager hätte Hilfe erwarten können und gar nicht erst hätte auswandern müssen. Das diese sich irgendwann nicht mehr dazu in der Lage sehen ( wo doch eigentlich auch ein Ernährer da war ! ) kann man verstehen. Eine Frau zu sein war damals wirklich kein Zuckerschlecken.

  • Zitat

    Original von -Christine-
    Eine Frau zu sein war damals wirklich kein Zuckerschlecken.


    Allein schon die Vorstellung mit dem Unterrock, den sie sich zwischen die Beine klemmen müssen, wenn sie ihre Tage haben. *schauder*


    Und diese Vorstellungen, dass zu häufiges Haarewaschen schädlich ist und krank macht. :yikes


    Ich bin ja nur froh, dass die Gerüche nicht aus Büchern auferstehen. :lache

  • Zitat

    Original von Rosha
    Und diese Vorstellungen, dass zu häufiges Haarewaschen schädlich ist und krank macht. :yikes


    Yep, da kann man sogar davon sterben. :wow


    Aber ich muß gestehen, daß ich diese Naivität manchmal richtig süß finde. :grin

  • Zitat

    Original von -Christine-


    Yep, da kann man sogar davon sterben. :wow


    aehm, waehrend eines kanadischen Winters koennte das vielleicht tatsaechlich passieren. Mir sind naemlich auch schon mal die Haare gefroren, als ich mit noch leicht feuchtem Haar raus musste. Die kann man dann einfach so abbrechen :yikes

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich