Das Herz der Feuerinsel - Nicole C. Vosseler

  • Kurzbeschreibung
    Ein farbenprächtiger Roman, der das Fernweh weckt


    Amsterdam 1882. Auf der Überfahrt von Amsterdam nach Batavia schließen zwei Frauen Freundschaft, die unterschiedlicher kaum sein könnten: die ernsthafte Jacobina, Tochter aus gutem Hause, und die temperamentvolle Floortje aus einfachen Verhältnissen. Beide träumen vom Glück in der Ferne, und berauscht von der exotischen Schönheit der Tropen wähnen sie sich im Paradies. Nach und nach jedoch offenbart der Garten Eden seine Abgründe, und während auf Jacobina ein böser Verdacht fällt, gleitet Floortje ab in die Prostitution. Als der bislang so friedliche Vulkan Krakatau ausbricht, beginnt für die beiden Freundinnen ein Kampf um Leben und Tod …


    Über den Autor
    Nicole Vosseler stammt aus Villingen-Schwenningen. Sie studierte Vergleichende Literaturwissenschaft und Psychologie in Tübingen und Konstanz. Sie lebt und arbeitet in Konstanz.


    Meine Meinung


    Halte mich, dass ich dich halte, auf dass wir den Berg erklimmen


    sagt ein griechisches Sprichwort. Halte mich, dass ich dich halte, auf dass wir unsere Ängste bezwingen - so könnte das Motto dieser Geschichte um die zwei so völlig unterschiedlichen Frauen Jacobina und Floortje lauten, die sich auf einer Schiffspassage nach Batavia kennenlernen und aus deren zunächst flüchtiger Bekanntschaft im Laufe der zwei Jahre, die diese Geschichte umfasst, eine lebenslange Freundschaft erwächst. Steinig ist der Weg, den die beiden Frauen gehen müssen, zunächst jede für sich allein, denn auf Batavia angekommen, trennen sich ihre Wege vorerst. Während Jacobina langsam in ihre Stelle als Gouvernante hineinwächst, scheint Floortje ihrem Ziel, auf Batavia einen Ehemann zu finden, ebenfalls näher zu kommen. Sie glauben sich im Paradies, doch wie man schon aus der Bibel gelernt hat: nichts ist so perfekt, wie es zunächst scheint denn in jedem Paradies lauert bekanntlich eine Schlange. Bei beiden Frauen entpuppt sich die Schlage als ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit, das die Träume und Wünsche zunächst zunichte macht. Während beide um ihr persönliches Glück bittere Kämpfe ausfechten müssen, scheint sich auch die Natur zu verschwören, denn ein längst erloschen geglaubter Vulkan erwacht zu neuem Leben und bricht aus.


    Mit welcher Erwartungshaltung geht man an ein Buch von Nicole Vosseler? Was glaubt man zu bekommen, wenn man ein neues Buch der Autorin das erste Mal in der Hand hält, das Cover betrachtet, den Titel auf sich wirken lässt? Spontan denkt man: Schöne Lesestunden, gute Unterhaltung, eine farbenprächtige, bildhafte Geschichte, vollgepackt mit Gerüchen, Gefühlen und der Sehnsucht nach fernen Ländern. All dies bekommt man, wenn man "Das Herz der Feuerinsel" liest, keine Frage, aber wer nur heile Welt und nette oberflächliche Unterhaltung sucht, der wird mit diesem Buch vielleicht nicht so ganz glücklich werden, denn man bekommt noch so viel mehr! Selten hat mich eine Geschichte derart herausgefordert und an meine emotionalen Grenzen geführt wie das Herz der Feuerinsel. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass dieses Buch das schonungsloseste und härteste ist, das die Autorin bislang geschrieben hat. Dies betrifft nicht nur das deutliche und nicht geschönte Bild, das hier vom Umgang der holländischen Kolonialherren mit der einheimischen Bevölkerung gezeichnet wird: der völligen Gleichgültigkeit den Menschen und ihrer Schicksale gegenüber, sondern auch die menschlichen Abgründe und finsteren Seiten einzelner Figuren, sodass man beim Lesen wirklich bis zum Letzten mitleidet.
    Nicole Vosseler erzählt diese Geschichte mit einer ganz eigenen Stimme, die man bislang so noch noch von ihr kannte. Aber genau so muss eine Geschichte für mich sein: Ich möchte mir die Geschichte erarbeiten, mich in sie hineinfühlen, mich an den Figuren reiben, mit ihnen wachsen und am Ende ein bisschen Glück mit ihnen erleben. Zu meiner großen Freude verzichtet die Autorin gänzlich auf Stereotypen und schöpft statt dessen die gesamte Palette des menschlichen Wesens aus, sodass jede der liebevoll ausgestalteten Figuren seine Licht- und Schattenseiten hat, die man im Laufe der Geschichte zu lieben lernt oder auch zu hassen, sich vorsichtig an sie herantastet um sie am am Ende der Geschichte schweren Herzens wieder ziehen zu lassen.


    Nicole Vosseler hat ein Buch über die Freundschaft geschrieben, über Freundschaft, die manchmal dort erwächst, wo man sie nicht vermutet. Freundschaft zwischen Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch bedingungslos für einander einstehen. Freundschaft, die manchmal zu Entscheidungen zwingt, die am Ende vielleicht bitter bereut werden, weil man andere Menschen dadurch verliert. Sie hat ein Buch geschrieben über Leidenschaften, die bis an die Grenzen der Besessenheit gehen und zerstörend sein können, über die Freiheit und den Mut, den Lebensweg so gestalten zu können, wie man sich das erträumt und das Glück, diesen Lebensweg mit den Menschen gehen zu können, die man liebt. Ein Buch über Licht und Schatten und eine Hommage an das Leben selbst.


    Jacobina und Floortje werden mir fehlen. Ich habe die beiden so gerne ein Stück auf ihrem Lebensweg begleitet und mich dabei fast schon als Dritte im Bunde gefühlt. Durch das Mitfühlen ihrer Schicksale ist mir erneut klar geworden, wie wichtig Freundschaften im Leben sind.


    Halte mich, dass ich Dich halte, auf dass wir den Berg erklimmen - oder um es mit dem von Nicole Vosseler im Buch verwendeten Zitat zu sagen: Niemand ist eine Insel!

  • Jetzt freue ich mich gleich noch mehr darauf, das Buch zu lesen. :-)


    Eine wunderschöne Rezension, die du, was ich von deiner und Nicoles Erzählungen bereits gehört habe, sehr gut auf den Punkt gebracht hast.

  • Halte mich, dass ich dich halte, auf dass wir den Berg erklimmen ...


    So ein schönes Zitat, liebe Bouquineur, und es passt wirklich unglaublich gut auf die Geschichte von Jacobina & Floortje.


    Ich danke Dir von Herzen für diese traumhafte Rezi. Dafür, dass Du das in Worte gefasst hast, wovon ich mir klammheimlich gewünscht hatte, jemand würde einmal so über dieses Buch denken und es so empfinden.
    Und natürlich dafür, dass Du Jacobina & Floortje begleitet hast, auf ihrem steinigen Weg den Berg hinauf.


    Danke. :knuddel1

  • @ Bouquineur: Du hast mich mit deiner Rezension sehr berührt. Danke sehr!
    Ich werde mir das Buch kaufen und an der Leserunde teilnehmen und freue mich sehr darauf. :wave

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Hallo Blackie :wave,


    das kann ich gut verstehen, und ich hätte da auch durchaus noch locker 100 Seiten zusammengebracht (und sehr, sehr gerne geschrieben :-] ).


    Ich hatte nur das Gefühl, das mir dann der Handlungsbogen der Geschichte nach diesem großen, dramatischen Naturereignis zu sehr verplätschert, wenn ich das Danach zu breit erzähle. Obwohl es dann doch sehr viel ausführlicher geworden ist, als ich es ursprünglich geplant hatte ...


    Ich freu mich sehr, dass Dir das Buch insgesamt trotzdem gefallen hat - vielen lieben Dank für Deine Rückmeldung! :knuddel1

  • Mir hat das Buch auch sehr gefallen. Der Schreibstil war flüssig und schön zu lesen. Die Charaktäre haben mir wunderbar gefallen. Es hätten durchaus noch ein paar Seiten mehr sein dürfen, sprich den Schluss ausführlicher gestalten.


    Ich habe ja noch Jenseits des Nils vor mir, welches ich allerdings erst lese, wenn ich frei habe.


    Ich vergebe 9 tolle Eulenpunkte :-]

  • Hallo tweedy39 :wave,





    Zitat

    Original von tweedy39
    Ich habe ja noch Jenseits des Nils vor mir, welches ich allerdings erst lese, wenn ich frei habe.


    Da wünsche ich Dir schon jetzt erholsame freie Tage und eine gute Reise nach Ägypten und in den Sudan!
    Und ich bin natürlich sehr, sehr gespannt, wie Dir mit diesem Buch dann gehen wird, das ein so ganz anderes ist als die "Feuerinsel" ...


    Danke, dass Du Jacobina und Floortje begleitet hast - und danke für Dein schönes Feedback! :knuddel1



    EDIT: Spoiler reingesetzt

  • Mit Floortje und Jacobina finden zwei junge Frauen zusammen, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Die eine so kühl, gebildet, vermeintlich unweiblich und extrem zurückhaltend (heute würde man sagen verklemmt ;-)) und die andere bildhübsch, temperamentvoll und aufgeschlossen. So verschieden die Frauen, so unterschiedlich auch die Gründe, aus denen sie die Reise nach Batavia antreten, doch beide erträumen sich bessere Zukunft, ein erfüllteres Leben als sich ihnen in Holland bietet. Es hat mich amüsiert und mir sehr gefallen, wie Floortje sich nach und nach über die von Jacobina errichteten Schranken hinwegsetzt und sich einen Platz in ihrem Herzen erobert. Nach und nach erfährt man, wie sehr beide in ihrem bisherigen Leben verletzt wurden und weshalb sie den Entschluss gefasst haben, sich mutterseelenallein in die Ferne aufzumachen. Für die damalige Zeit sicher ein eher ungewöhnlicher Schritt.


    In Batavia trennen sich ihre Wege, beide finden einen Platz in der dortigen Gesellschaft und zunächst scheinen ihre Wünsche in Erfüllung zu gehen. Doch beide werden im vermeintlichen Paradies mit den grausamen Seiten des Lebens konfrontiert und übel vom Schicksal durchgerüttelt. Sie brauchen allen Mut und Kampfgeist, den sie aufbringen können und finden letztlich in ihrer Freundschaft die Kraft zu überleben – und gehen ihren Weg in ein Leben etwas abseits der Konventionen.


    Der Rahmen der Geschichte ist im Prinzip nichts Besonderes, ein klassischer Plot für dieses Genre. Außergewöhnlich wird dieses Buch zum einen durch den wunderbaren Erzählstil von Nicole. Es ist einfach unglaublich, wie plastisch und eindringlich die Protagonisten in all ihren Facetten vor dem inneren Auge Gestalt annehmen. Die verschwenderische Fülle des Landes, der Regen, die Gerüche und …, alles scheint zum Greifen nah, man fühlt sich mittendrin. Und zum anderen durch den schonungslosen Blick hinter die Fassaden der kolonialen Gesellschaft, ihre Abgründe und ihre dünkelhafte, menschenverachtende Grundeinstellung. Angesichts der stimmungsvollen und wunderschönen Beschreibungen war es für mich manchmal frappierend, mit welch deutlichen Worten und ohne jegliche Beschönigung die Dinge auf den Punkt gebracht wurden. Aber gerade das hebt diese Geschichte für mich aus der breiten Masse und macht ihren Reiz aus.


    Im zweiten Drittel wird es dann richtig spannend, man kann das Buch kaum noch aus der Hand legen. Aber das Ende kommt dann wirklich ein bisschen plötzlich, die Ereignisse werden wie im Zeitraffer relativ schnell abgehandelt, und ist ein wenig zu glatt und perfekt . Obwohl ich mich tweedys Meinung nicht anschließen mag, die beiden haben wirklich genug mitgemacht und ich bin heilfroh über das Ende.

  • Liebe Lumos,


    ganz, ganz herzlichen Dank für diese wunderschöne Rezi! :knuddel1


    Zitat

    Original von Lumos
    Die eine so kühl, gebildet, vermeintlich unweiblich und extrem zurückhaltend (heute würde man sagen verklemmt ;-) )


    Das kann man wirklich mit Fug und Recht so sagen, ja. :zwinker Was ich übrigens sehr reizvoll zu schreiben fand, auch gerade im Kontrast zu Floortje. :-)


    Zitat

    Original von Lumos
    Und zum anderen durch den schonungslosen Blick hinter die Fassaden der kolonialen Gesellschaft, ihre Abgründe und ihre dünkelhafte, menschenverachtende Grundeinstellung. Angesichts der stimmungsvollen und wunderschönen Beschreibungen war es für mich manchmal frappierend, mit welch deutlichen Worten und ohne jegliche Beschönigung die Dinge auf den Punkt gebracht wurden. Aber gerade das hebt diese Geschichte für mich aus der breiten Masse und macht ihren Reiz aus.


    Das freut mich ganz unglaublich, dass Du das so empfindest! :-)
    Ich hatte da schon immer mal meine Magenschmerzen, ob das so gut und richtig ist, so darüber zu schreiben (bzw. hab diese Magenschmerzen immer noch ein bisschen) und vor allem, wie das dann nachher bei der Leserschaft ankommt.
    Aber für mich war von Anfang an trotzdem klar: über solche Dinge will ich nur ungeschönt und direkt schreiben - weil es für mich anders nicht geht, sonst ist es nicht mehr "echt".



    Vielen Dank für all das schöne Lob zum Buch und genauso für die kritischen Anmerkungen zum Ende! :knuddel1




    Edit: Ein überzähliges "e" rausgeklaubt ...

  • Ein tolles Buch!
    Anfänglich wirkte es wie ein guter typischer Auswanderer-Roman, ein wenig fühlte ich mich an in meiner Jugend gelesene Bücher von Gwen Bristow ("Kalifornische Sinfonie", "Alles Gold der Erde") erinnert, aber dann kamen die exotischen Elemente dazu und diese wurden ausnehmend gut geschildert.
    Wie hier schon gesagt wurde, fühlt man sich durch die hervorragenden Beschreibungen der Atmosphäre, Geräusche, Gerüche, Farben, Menschen, Sitten und Gebräuche an die Schauplätze versetzt.
    Die Spannung wird geschickt aufgebaut und gekonnt gesteigert.
    Ja, das Ende kam ein wenig abrupt, aber wenn man ehrlich ist, war doch eigentlich alles gesagt, was zum Schicksal aller ans Herz gewachsenen Protagonisten zu Wissen wichtig ist (sogar des kleinen Sohnes der Dienerin wurde gedacht!) - und ein wenig kann man doch der Phantasie des Lesers überlassen bzw. sich selbst ausmalen.
    Und: Ja, das Ende ist gut so. Die zwei Frauen haben echt genug durchlitten.
    Danach fragt das wahre Leben zwar auch nicht immer, aber hier war es vollkommen richtig. Außerdem sind ja - man denke an den eben erwähnten kleinen Jungen und vor allem seinen Bruder - nun wahrlich nicht alle mit heiler Haut davon gekommen, und auch Jacobina und Floortje haben noch immer einiges zu verkraften, wenn man die Reaktionen ihrer Verwandten bedenkt.
    Nö - ich war rundherum zufrieden.
    Lediglich eine Karte der Reiseroute hätte ich mir gewünscht, wenn auch einige Anlaufhäfen aufgezählt wurden. Aber die vorhandenen Karten waren schon für den wichtigsten Teil eine große Hilfe.


    10 Punkte


    EDIT ergänzte ein fehlendes Wort

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

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  • Hallo maikaefer :wave,


    Zitat

    Original von maikaefer
    ein wenig fühlte ich mich an in meiner Jugend gelesene Bücher von Gwen Bristow ("Kalifornische Sinfonie", "Alles Gold der Erde") erinnert


    Da freu ich mich jetzt tierisch drüber, denn ich hab diese Bücher auch so sehr geliebt! :anbet :-]


    Zitat

    Original von maikaefer
    Lediglich eine Karte der Reiseroute hätte ich mir gewünscht, wenn auch einige Anlaufhäfen aufgezählt wurden. Aber die vorhandenen Karten waren schon für den wichtigsten Teil eine große Hilfe.


    Ah, das stimmt, das wäre wirklich eine gute Idee gewesen - wir waren tatsächlich ganz auf die eigentlichen Schauplätze fixiert. :-)


    Vielen, vielen Dank für diese schöne Rezi zum Buch - freu mich sehr darüber und darüber, dass Du damit eine solch schöne Lesezeit hattest! :knuddel1

  • Ich muss gestehen, dass ich dieses Mal während des Lesens hinten nachgeschlagen habe um zu sehen wie es ausgeht. Normalerweise mache ich das nie, aber hier war ich ziemlich beunruhigt und es ließ mir einfach keine Ruhe ;-).