Paul McGreevy: Rex and the City. Modernes Hundeleben im Blick der Verhaltensforschung. (OT: A Modern Dog's Life: How to Do the Best for Your Dog), aus dem Englischen von Gisela Rau, Nerdlen/Daun 2012, Kynos Verlag, ISBN 978-3-942335-58-4, 237 Seiten, Hardcover, mit zahlreichen s/w-Abbildungen, Format: 23 x 17,4 x 2 cm, EUR 19,95.
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“Trainieren Sie den Hund nicht zum Kommen und Vorsitzen, sondern einfach darauf, zu Ihnen zu kommen und etwas Großartiges zu erwarten – wie zum Beispiel einen Ball, dem er nachjagen darf. Auch hier bringt es viel bessere Ergebnisse, wenn Sie zu einem Mitabenteurer auf Entdeckungsreise werden anstatt ein formaler Trainer zu sein.” (Seite 169/170)
Dies ist keine Gebrauchsanweisung für den Hund, kein reines „how-to“-Buch, sondern eher der theoretische Unterbau für die Erziehung und das Training des Hundes. Hier erfährt man, was Hunde motiviert, wie sie lernen, was sie mögen und was nicht, wie sie die Menschenwelt wahrnehmen, in der sie leben (müssen) und welcher Natur ihre Bindung zu uns Zweibeinern ist. Eine Leserin erzählte, sie habe während der Lektüre dieses Buchs immer wieder ihren Hund angeschaut und gedacht: „Ach, deshalb machst du das! Ist ja interessant.“
Was er Autor erreichen will, erläutert er im 1. Kapitel: „Ich hoffe, erklären zu können, warum Hunde drei Grundbedürfnisse erfüllt haben müssen: Spaß, Bewegung und Training. Vor allem aber biete ich frische Ideen an, wie wir als Hundebesitzer unseren Hunden helfen können, an diese tollen Sachen heranzukommen.“ (Seite Wie neu und frisch diese Ideen für den Leser sind, kommt natürlich auf dessen bisherigen Kenntnisstand an. Doch selbst routinierte Hundehalter dürften das eine oder andere Aha-Erlebnis haben.
Räder, Feuer, Elektrizität, Chemie, Treppen, Türen, Fenster, Autos, Fernseher ... der Familienhund lebt in einer für ihn komplett unnatürlichen und unverständlichen Welt. Wenn die Hunde es trotzdem bei uns aushalten, müssen sie Meister der Anpassung sein. Das sind sie, sagt der Autor. Und sie sind noch etwas: Opportunisten. Klingt gemein, ist aber so. Denn was ist Hunden wichtig, was sind für sie „Schlüsselressourcen“? Futter, Wasser, Spaß, Gesellschaft und Komfort. Und genau das kann ihnen der Mensch bieten. An diesem Punkt kann man mit dem Erziehen und Trainieren des Verhaltens ansetzen: „Die Lektion, die wir als Beobachter und Handler von Hunden lernen müssen, ist, wann wir die am meisten geschätzten Ressourcen als Verhandlungsargument einsetzen, wenn wir ein bestimmtes Verhalten zu formen versuchen“ (Seite 31) Was passiert, wenn die erwartete Belohnung ausbleibt, kann man sich denken ...
Zur Futterzeit sind Hunde so aufmerksam wie sonst nie. Das ist also der optimale Zeitpunkt, um ihnen etwas beizubringen und mit Futter als Belohnung zu arbeiten. Wobei Futter nicht die einzig mögliche Belohnung ist und auch nicht sein sollte. Abwechslung hält das Interesse wach. Was das Tier außer Fressen sonst noch motiviert, das ist hundividuell verschieden.
Wir erfahren einiges über die nonverbale Kommunikation der Hunde – mit ihren Artgenossen und mit uns Menschen. Da stellt sich sich die Frage, was Hunde eigentlich in uns Zweibeinern sehen. Eine Art wohlwollende Führungsperson, vermutet der Autor. Aber keinen Hund. Und so sollte der Mensch sich auch nicht als Alpha-Hund und dominantes Leittier aufspielen, sondern sich als gewaltfreier Umsorger, Begleiter und Coach fürs Leben begreifen.
Das Buch zeigt uns, was den Hund motiviert hält ... wie das mit dem Lernen funktioniert .... wie man Kommandos einführt und richtig übt ... was wir über Belohnung und Strafe wissen müssen ... warum Konsequenz und Timing so immens wichtig sind ... warum man als Hundecoach zwar verlässlich aber nicht langweilig sein darf ... wie Hunde sich selbst dann gut benehmen, wenn gerade kein Mensch in der Nähe ist und vieles anderes mehr.
Wir lernen so manches über Entwicklung, Ernährung und Krankheiten, über Futteraversionen und die Eigenheiten verschiedener Hunderassen. Wir erfahren Erstaunliches und Wissenswertes darüber, wie die verschiedensten Arbeitshunde trainiert werden und welchen Einfluss auf die Trainierbarkeit die „Händigkeit“ der Hunde hat. Ja, auch unter den Vierbeinern gibt’s Rechts- und Linkshänder. Oder müsste es Recht- und Linkspföter heißen?
Der Autor geht der Frage nach, ob Kastration wirklich das Problemverhalten von Rüden eindämmen kann und er geht mit der Entwicklung der Hundezucht ziemlich deutlich ins Gericht. Warum züchtet man auf äußerliche Merkmale hin – die Rassestandards – wenn doch Gesundheit, Langlebigkeit, Trainierbarkeit und bestimmte Wesensmerkmale viel wichtiger wären? Was sicher auch im Gedächtnis bleiben wird, ist der Satz: „Inzucht ist so, als würde man in seinen eigenen Genpool pinkeln.“ (Seite 214)
Keine Frage: Dieses Buch hilft, Hunde besser zu verstehen. Wenn man denn das Buch versteht. Man bedenke: Der Autor ist Professor an einer Universität und er schreibt über sein Fachgebiet. Auch wenn er seine Beispiele mit Humor und Herzenswärme zu schildern versteht – er nimmt die Sache wissenschaftlich genau. Dem Laien schwirrt bald der Kopf vor lauter klassischer, instrumenteller und operanter Konditionierung, Gegenkonditionierung, primärer, sekundärer, positiver und negativer Verstärkung, positiver und negativer Strafe, konditioniertem Reiz, Überbrückungsreiz, diskriminativem Reiz und anderen Fachbegriffen. Reflexartig will man sich Notizen machen, als erwarte man in Kürze eine Prüfung im Fach Verhaltensforschung. Dabei ist es gar nicht so wichtig, dass wir wissen, wie der Fachmann das alles nennt. Für den Tierfreund reicht es, wenn er kapiert, was er zum Wohl des Hundes tun und lassen sollte.
Dass zwischen dem Autor und dem Leser noch eine Übersetzung steht, macht die Sache nicht einfacher. Der deutsche Text klingt manchmal holprig wie eine Rohübersetzung und ist stellenweise richtig falsch. „Man nimmt sogar an, dass menschliche Säuglinge (...) deshalb ihrem Vater ähnlicher sehen als der Mutter, weil dieser Mechanismus verhindert, dass keine von einem anderen Mann gezeugte ‚Kuckuckskinder’ untergeschoben werden können.“ (Seite 67) – „So können einige Rudelmitglieder zum Beispiel gleichsam als Bewegungsdetektoren für die visuelle Überwachung zuständig sein, während andere sich auf wechselnde Gerüchte einstellten (die Fährtensucher).“ (Seite 115) Äh ... Gerüchte? Man stutzt, liest nochmal, wundert sich, hinterfragt ... und das hält auf. Statt sich im folgenden mit komplexen Sätzen länger zu befassen, neigt man als Leser dazu, darüber hinwegzuhudeln und sich zu sagen: „Ach, das ist bestimmt nur Übersetzungsmurks“. Ist der Text denn unlektoriert und unkorrigiert vom Übersetzer weg in den Satz gegangen? Schade, irgendwie. Was Professor McGreevy uns zu sagen hätte, kommt so nur gedämpft bei uns an.
Ein sperriger Text, eine ungelenke Übersetzung und eine streckenweise trostlose Gestaltung mit wenig lesefreundlicher Groteskschrift und einem unkomfortabel breiten Satzspiegel ... das hat schon fast Schulbuch-Charme.
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Da freut man sich, wenn man wieder ein Kapitel abgeschlossen hat und das soeben Gelernte in einer übersichtlichen Liste zusammengefasst und aussagekräftig bebildert serviert bekommt.
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Schon witzig, dass ein Buch, in dem es um Motivation und die Freude am Lernen geht, so dröge daherkommt. Aber Spaß soll ja hier der Hund haben. Vom Leser war nie die Rede. Dennoch ist dieses Hundebuch nicht für die Katz’. Man muss nur ein bisschen arbeiten, um an die begehrten Informationen zu kommen. Dann gibt’s auch eine Belohnung. Nicht in Form von Leckerlis, sondern in Gestalt interessanter Fakten und hilfreicher Erklärungen. Zum Beispiel dies: „Die Verhalten, die Ihr Hund letztendlich zeigen wird, sind diejenigen, die Sie verstärkt haben, oder von denen sie dem Hund erlaubt haben, sie verstärkend zu finden. Wenn etwas schiefläuft, müssen Sie also die Schuld erst einmal bei sich selbst suchen. Der Hund hat nie Unrecht. Er benimmt sich letzten Endes nur wie ein Hund, was für ihn ein sehr angemessenes Verhalten ist!“ (Seite 154)
Der Autor
Paul McGreevy ist Honorarprofessor an der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Sydney und Autor mehrerer Bücher über Tierverhalten. Seine Arbeiten haben ihm zahlreiche Auszeichnungen eingebracht.