Inhalt:
Quasi in Fortsetzung von „Gescheckte Menschen“ erzählt Hugo Hamilton hier von seiner Jugend im Dublin der 60er Jahre, geprägt vom geteilten, schweren Erbe einer deutschen Mutter und eines sehr strengen fanatisch-irischen Vaters.
Meinung:
Die Distanz, die ich bei „Gescheckte Menschen/The speckled people“, das ich auf Deutsch gelesen habe, verspürt habe, war diesmal nicht vorhanden, ganz im Gegenteil fand ich Hamiltons Art zu schreiben und zu be-schreiben sehr eingängig. Da ich dieses Buch auf Englisch gelesen habe, lag es beim ersten Buch wohl doch daran, denn „The sailor in the wardrobe“ hat sich wirklich komplett von selbst gelesen.
Die Sprache, ob es nun die eigene ist oder eine Übersetzung, von einem selbst oder jemand anderem, scheint doch einen Unterschied zu machen, wie Hamilton selbst auch bemerkt, als sein Vater, der der Familie streng verbietet, im Haus Englisch zu sprechen, eines Tages selbst in dieser verhassten Sprache, die aber doch die seiner Kindheit ist, spricht und der Sohn erstaunt feststellt, dass er den Vater auf einmal ganz anders wahrnimmt.
Das scheint mir hier überhaupt die größte Stärke zu sein, dass Hamilton Gedanken schildert, die auf den ersten Blick teilweise sinnlos klingen, die aber doch für ihn selbst Sinn ergeben, oder auch für einen selbst, wenn man in sich hinein horcht. Wie zB die Geschichte von dem Strafinstrument, das er stiehlt und diesen Diebstahl quasi seinem Freund Pecker zum Geschenk macht, ohne dass jemand anderer davon erfährt. Hamilton selbst weiß es (gut, und jetzt wir), das ist das entscheidende und er schöpft daraus etwas. Es ist unglaublich schwer, das in Worte zu fassen, aber die Beschreibung solcher Gedanken und Reaktionen macht die Geschichte - und den jungen Hugo Hamilton - unglaublich menschlich.
Im Mittelpunkt steht auch hier das schwierige Verhältnis zum Vater und da fand ich vor allem eine Szene herzzerreißend, als der junge Hamilton verzweifelt versucht, den Frieden wieder herzustellen, weil es ihn bekümmert, wie sich sein Vater aufgeregt hat – als er, der Vater, ihn geschlagen hat! Das kann man wohl nicht verstehen, wenn man nicht in seiner Haut steckt, aber es machte mich betroffen für den Jungen, der den Vater trotz allem gleichermaßen lieben wie hassen muss, weil er halt doch der Vater ist.
Interessant ist auch, wie er mit der gespaltenen Nationalität umgeht und wie sehr ihn das offenbar geprägt hat, nicht zuletzt der deutsche Anteil mit all dem schweren Erbe aus der NS-Zeit. Hier fand ich aber vor allem die Bemerkung der Mutter interessant, dass man Menschen „un-töten“ kann, indem man sich ihrer erinnert. Eine interessante Umschreibung von dem, was wir Aufarbeitung nennen?
„The sailor in the wardrobe“ ist kein sensationelles Buch, aber interessant, flüssig zu lesen und mich hat es berührt.
PS: Ich habe es hier eingestellt, weil es eine Autobiographie ist, und kein Roman.
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