Genitalverstümmelung ist Körperverletzung - Landgericht Köln verbietet religiöse Beschneidungen

  • In dem konkreten Fall haben die Eltern die nach einigen Tagen erneut blutende OP-Wunde im Krankenhaus behandeln lassen. Von dort wurde offenbar die Staatsanwaltschaft informiert. Bei einer Körperverletzung zu Lasten eines Kindes sieht die Staatsanwaltschaft sehr schnell das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung als gegeben an, auch ohne Strafantrag.


    Eine strafrechtliche Verfolgung der Eltern würde diesen zumindest den Weg zum Bundesverfassungsgericht ebnen, das mittlerweile wohl für all die heiklen Themen verantwortlich ist, vor denen die Politik zurückschreckt.
    Solange nur der Arzt strafrechtlich verfolgt wird, habe ich nämlich Zweifel an der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde durch die Eltern. Was ist die Beschwer?

  • Hallo, Voltaire.


    Zitat

    Aber der liebe Gott wird uns ganz sicher vor den rechtsunkundigen Schwätzern beschützen.......


    So, wie der "liebe Gott" ja auch vor vielen anderen Katastrophen schützt. ;-)


    Spaß beiseite. Das ist m.E. nur teilweise eine (rein) juristische Entscheidung, und überwiegend eben eine politische. Die Kölner Richter haben ziemlich buchstabengenau nach der bestehenden Rechtslage entschieden, wie ich meine. Rechtsunkundiger Schwätzer, der ich bin. ;-)


  • Mit den "rechtsunkundigen Schwätzern" meinte ich nicht dich - sondern die pseudojuistischen Vertreter der Glaubensverbände und anderer Karnikelzüchertvereine. Man stelle sich einmal vor, diese Leute würden eine verfassungsrechtliche Güterabwegung vornehmen.......einfach nur mal vorstellen...... :bonk


    In der Sache selbst sehe ich hier weniger ein politisches sondern in erster Linie ein juristisches Problem. Auch wenn die Sache ganz sicher nicht unpolitisch ist. Aber wann ist etwas schon unpolitisch?


    Letztendlich muss hier eine juristische Grundsatzentscheidung her. Selbst wenn ein neues Gesetz gemacht werden würde - würde dieses wohl unter Garantie beim Bundesverfassungsgericht landen. Und dort wird dann die Entscheidung in Bezug auf die Güterabwägung getroffen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Was hat der Staat sich in religiöse Belange einzumischen?


    Manchmal denke ich, dass es in D eine Art Diktatur des Atheismus' gibt.

    "Literatur ist die Verteidigung gegen die Angriffe des Lebens."


    "...if you don't know who I am - then maybe your best course would be to tread lightly."

  • Zitat

    Original von newmoon
    Was hat der Staat sich in religiöse Belange einzumischen?


    Manchmal denke ich, dass es in D eine Art Diktatur des Atheismus' gibt.


    Naja, sollte es bsp. in der katholischen Religion Brauch sein, daß man einem kleinen Kind den kleinen Finger abschneidet - oder ein Kreuz eintätowiert oder sonst etwas irreparables - natürlich nur aus religiösen Gründen - wär ich schon froh über Menschen die sich für den Schutz unmündiger Kinder einsetzen, die sich selber noch nicht dafür oder dagegen entscheiden können.

  • Das hat damit zu tun, dass vieles allgemein einfach geschluckt wird und ein Anlaß benötigt wird um Umzudenken. Der muss nicht immer gleich so brutal wie Fukushima sein, manchmal reicht auch ein Urteil eines Landgerichtes.

  • Zitat

    Original von newmoon
    Was hat der Staat sich in religiöse Belange einzumischen?


    Manchmal denke ich, dass es in D eine Art Diktatur des Atheismus' gibt.


    Der Staat muss sich einmischen - denn auch die religiöse Selbstbestimmung hat dort ihre Grenzen, wo Rechte Dritter (also beispielsweise Rechte von Kindern die nicht selbst entscheiden können) ggf. verletzt oder eingeschränkt werden könnten.


    Eine "Diktatur des Atheismus" (geile Wortschöpfung übrigens :grin) gibt es ganz sicher nicht. Denn eine Diktatur würde ja bedeuten, dass eine legale Religionsausübung grundsätzlich nicht möglich wäre - das ist in unserem Lande aber ganz sicher nicht der Fall.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    newmoon : Manchmal denke ich, dass es in D eine Art Diktatur des Atheismus' gibt.


    Ich denke, hinter dieser Aussage steckt mehr als wir zunächst denken, zumal wir das Wort manchmal nicht vernachlässigen dürfen (Sorry, Dieter, dass ich wieder etwas vom Thema abweiche).


    Ob Gott existiert, kann (noch) niemand wissen. M.E. spricht mehr dagegen, aber meine Maßstäbe sind willkürlich und subjektiv. Vielleicht gibt es sogar im aus dem Nichts entstandenen evolutionären Prinzip der natürlichen Selektion einen immanenten Gott - in welcher Form auch immer. Who knows?


    Sicherlich gab es bereits Diktaturen des Glaubens. Wir brauchen noch nicht einmal weit zurückzugehen - noch vor 100 Jahren war die Diktatur des Christentums in Europa weit verbreitet und auch heute noch können wir von einer Diktatur des Evangelismus in den USA sprechen. Und tatsächlich offenbart sich heute in Deutschland so etwas wie ein Zeitgeist des Atheismus, von einer Diktatur möchte ich allerdings (noch) nicht reden.


    Denn auch der Unglaube "Atheismus" ist nichts anderes als ein Glaube, weil wir (noch) nicht wissen (können), ob Gott nicht existiert. Beim Denken müssen wir uns von allen Diktaturen lösen, auch vom Atheismus. Wobei, müsste ich wählen, mir die Diktatur des Atheismus hunderttausendmal lieber wäre als die des Talibanismus,- Evangelismus,- Kreationismus,- Salafismus...


    Aber, was weiß ich denn darüber? Nichts!


    Ich habe Respekt vor allen, die in Glaubensfragen glauben, mehr zu wissen als ich.

  • Hallo, Newmoon.


    Zitat

    Was hat der Staat sich in religiöse Belange einzumischen?


    Wenn es um die Belange von schutzbedürftigen - in diesem Fall sehr, sehr kleinen - Menschen geht, hat nicht nur der Staat diese Pflicht, sondern eigentlich jeder.


    Zitat

    Manchmal denke ich, dass es in D eine Art Diktatur des Atheismus' gibt.


    Oh, wow. Ehrlich gesagt habe ich diese Meinung bislang noch nicht einmal von ultraorthodoxen Gottesanbetern gehört.


    Religionen sind weltanschauliche Modelle (eigentlich ist diese Formulierung nicht richtig, denn eine Weltanschauung ist ein System, das nach Betrachtung der Fakten entsteht, und die meisten Religionen verzichten auf das Faktische), die auf Mythen, Überlieferungen, "Offenbarungen", uralten Ritualen und vielem mehr aus diesen Kategorien beruhen. Es gibt sehr viele davon (früher waren es allerdings noch deutlich mehr), und nicht wenige Religionen (die dann von den größeren gerne "Sekten" genannt werden, obwohl das genau genommen für alle gilt) sind äußerst obskur. Vermutlich würde auf uns, wären wir nicht damit aufgewachsen, auch das Christentum zumindest ... seltsam wirken, aber wir haben uns schlicht daran gewöhnt/sind hineinerzogen worden, hinterfragen es also kaum. Viele Religionen scheren sich weder um die weltliche Wahrnehmung, noch um das Geschehen außerhalb ihrer Glaubensgemeinschaften (höchstens als Feindbild), gestalten also Parallelwelten, die zuweilen kaum mit Gesetzgebung oder sozialen Strukturen in Übereinstimmung zu bringen sind. Die großen Religionen haben sich zwar ein wenig gewandelt, um auch in einer säkularen Welt bestehen zu können, aber einige Glaubensgemeinschaften leben nach wie vor nach ihren eigenen Gesetzen - und würden das noch intensivieren, ließe man sie. Es kann aber nicht angehen, dass einzelne in einem Staatsgefüge nach eigenen Gesetzen leben.


    Es ist in der Menschheitsgeschichte schon sehr viel Unheil angerichtet worden, weil man meinte, damit einem Gott (oder mehreren - Monotheismus ist ja nur das aktuell bevorzugte Modell) zu gefallen. Aus der Sicht derer, die das getan haben, war das auch in Ordnung, und so lange sie zugleich machtvoll ganze Staatensysteme beherrscht haben, hat sie auch niemand daran gehindert. Diese Zeiten sind aber - zumindest in Europa - vorbei. Wer Dinge tun muss oder tun zu müssen glaubt, um seinem Gott zu gefallen, kann das nach wie vor tun, so lange er niemand anderen dabei schädigt und/oder zivile Gesetze missachtet. Das ist noch nicht in allen gläubigen Köpfen angekommen, was in gewisser Weise nachvollziehbar ist, gibt es für sie doch kein höheres Gesetz als "Gottes Wort". Was sie verstehen müssen, ist, dass diese Sichtweise nur für sie selbst gilt - und ihnen keinesfalls das Recht gibt, das anderen auch abzuverlangen, vor allem nicht Kleinstkindern, die keine Chance haben, sich ohne fremde Hilfe hiergegen zur Wehr zu setzen.


    Die Zirkumzision stellt quasi eine Resterscheinung dar, frühere Opferrituale auch heute noch aktiver Glaubensgemeinschaften waren wesentlich archaischer und folgenreicher. Das sollte aber nicht dazu verleiten, diesen Eingriff als Zugeständnis an die religiöse Identität unangetastet zu lassen, um weiterhin Millionen Kinder dieser gefährlichen und in den Augen mancher Leute auch dummen Verstümmelung auszusetzen. Glauben muss ohne solche widerwärtigen Riten auskommen können. Vor allem in einer Gesellschaft, die gläubige wie nichtgläubige Eltern mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln daran zu hindern versucht, die schutzlosen kleinen Knöpfe zu misshandeln. Oder dies wenigstens zu bestrafen, sollte es dennoch geschehen.

  • Ergänzung:


    Zitat

    Manchmal denke ich, dass es in D eine Art Diktatur des Atheismus' gibt.


    Wohl doch eher eine "Diktatur" des Pluralismus'. Religiöse wie nichtreligiöse Menschen leben, mit den gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet, zusammen, und arbeiten an einer Gemeinschaft, die das möglichst konfliktarm zulässt. Das geht dann leider mit einem Verzicht auf Sonderrechte einher, vor allem, wenn diese mit den Rechten aller anderen kollidieren.

  • Hier nur ein ganz kleiner Gedanke von mir zu diesem Thema:


    Weshalb ist es überhaupt zulässig, dass ein Arzt einen Eingriff an einem Kind ohne medizinische Indikation (wozu ich einen religiösen Grund definitif NICHT zähle) vornimmt? Wenn irgendein Gott der Meinung wäre, dass schiefe Nasen im Gesicht eines Kindes nix zu suchen haben, lasse ich dem Kind dann die Nase brechen und neu richten? Ist das dann ok, nur weil es diesem Gott erst dann in den Kram passt? Und welchen Schaden richte ich damit bei diesem Kind an, physisch wie auch psychisch?


    Mein Sohn leidet schon an Jahren an einer leichten Phimose und wir machen alles, um eine Beschneidung (MIT Indikation, wohlgemerkt) zu verhindern.


    Das Urteil ist meiner Meinung nach richtig. Das Mindeste.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Jeder sollte jederzeit in eine Diskussion einsteigen können und sich frei (!) äußern dürfen. Zusammen mit der Äußerung aber den sofortigen Wiederausstieg aus der Diskussion zu verkünden, ist peinlich und entwertet die eigene Position.

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • @ churchill


    Meine Erfahrungen sind andere. Um dem Forum und mir Peinlichkeiten zu ersparen, habe ich - erstmals seit ich in diesem Forum aktiv bin - meinen Beitrag gelöscht. Da noch keine Antworten kamen, wurde auch der Diskussionsstrang nicht unterbrochen.


    Vermutlich ist es Zeit für eine Pause.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    @ churchill


    Meine Erfahrungen sind andere. Um dem Forum und mir Peinlichkeiten zu ersparen, habe ich - erstmals seit ich in diesem Forum aktiv bin - meinen Beitrag gelöscht. Da noch keine Antworten kamen, wurde auch der Diskussionsstrang nicht unterbrochen.


    Vermutlich ist es Zeit für eine Pause.


    Das verstehe ich nun ganz und gar nicht, weshalb fühlst Du Dich denn so angegriffen? Ich finde diese Diskussion sehr spannend! :-)

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • SiCollier


    Ich fand deinen Beitrag sehr interessant und finde es nun schade, dass er gelöscht wurde. Eine Diskussion lebt doch auch von der Unterschiedlichkeit der Ansichten und die von Newmoon aufgeworfene Frage finde ich sehr interessant - auch wenn ich ihm nicht zustimme.


    Wäre es nicht möglich, zu versuchen, deinen Beitrag wieder herzustellen?

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.