ZitatEs mutet schon ein wenig merkwürdig an wie dieses Urteil des LG Köln zum Anlass genommen wird, zu einem Rundumschlag gegen die Religionen auszuholen.
Mmh. Warum eigentlich nicht?
Religiöse Menschen tun ihren Kindern vieles an, häufig zweifelsohne aus "gutem Glauben", aber sie tun es eben (ja, auch einige Atheisten misshandeln wahrscheinlich ihre Kinder, aber es geht um eine spezielle Intention der Misshandlung). Religionsgemeinschaften verlangen ihren Angehörigen viel ab, das zuweilen in Konflikt nicht nur mit rechtlichen, sondern auch sozialen und kulturellen Gegebenheiten des Landes steht, in dem sie sich gerade befinden - das gilt sogar, wenn die fragliche Religion mehr oder weniger "Staatsreligion" ist. Originellerweise ist es gerade die "Religionsfreiheit", die hier von einigen Exponenten eingefordert wird - um beispielsweise die Zirkumzision zu rechtfertigen -, die den Kindern aber im gleichen Atemzug abgesprochen wird, denn die minderjährigen Schutzbefohlenen haben in aller Regel keine Chance, sich gegen das religiöse Getue ihrer eigenen Eltern zur Wehr zu setzen. Da müssen die Kids der Zeugen Jehovas mit ihren Eltern Wochenende für Wochenende durch die Landschaft schlurfen, um an Haustüren zu missionieren. Kinder von Christen werden in Gottesdienste geschleppt und in den Konfirmandenunterricht gepfercht, müssen das "Blut Christi" trinken und andere Absonderlichkeiten vollführen - oft eben ohne die Möglichkeit, hiergegen anzugehen, ohne die häusliche Struktur zu gefährden. Ihre persönliche "Religionsfreiheit" können sie häufig erst in der Adoleszenz, gar mit der Volljährigkeit entfalten - und damit auch die Freiheit, nicht religiös zu sein. Dieser Zug ist dann aber längst abgefahren; nur vergleichsweise sehr wenige Menschen scheren als Erwachsene aus der elterlichen Doktrin aus und entscheiden sich für eine andere Religion oder überhaupt keine. Wie gesagt, ich vermute dahinter in den meisten Fällen kein böses Denken, sondern sogar durchaus hehre Absichten, denn die religiösen Eltern halten ihren Glauben ja für etwas ganz enorm Positives, das sie auch ihren Kindern nicht vorenthalten dürfen. Aber das glauben sie eben nur.
Heute ballern ja die Stellungnahmen im Sekundentakt rein, und ich finde die meisten davon amüsant, nicht wenige aber auch erschreckend - beispielsweise jene, in denen den Richtern Antisemitismus attestiert wird. Die Richter haben aber nicht für oder wider eine (gar bestimmte) Religion entschieden, sondern - endlich! - in einem besonderen Fall die Rechte der Kinder über denen der Religionsgemeinschaften angesiedelt. Wer das ablehnt, weil er seine "Religionsfreiheit" gefährdet sieht, hat nach meinem Dafürhalten ganz andere Ängste. Nämlich die (berechtigten) um den Fortbestand seines Konstrukts.