Genitalverstümmelung ist Körperverletzung - Landgericht Köln verbietet religiöse Beschneidungen

  • Wenn ich solch einen Quatsch lese :gruebel


    Das Judentum gehört genauso wie der Islam zu Deutschland... sagen die Politiker.
    Also lasst ihnen doch ihre Riten, die übrigens nicht politischer, oder regligiöser Art sind, sondern schlichtweg auf der Erfahrung der Urvölker beruhen, dass die Vorhaut eine Brutstätte für Keime war, und ist.


    edit: ich gehe im Winter in die Sauna, da mir das Sauerland nach 35 Jahren Asien zu kalt ist. Und was ich da an Reinlichkeit bei Männern sehe, wünschte ich mir, dass die Beschneidung bei uns Pflicht würde. Da nützt das ganze Gezetere über Selbstbestimmung nix. Wenn dieselbe dazu führt nicht die mindesten Reinlichkeitsmaßnahmen einzuhalten, dann frage ich mich, wozu dieses ganze Thema sein soll? Um mal wieder typisch deutsche Ordung zu schaffen? Sorry, die Diskussion wird mal wieder nur um sich selbst geführt. Jeder kann über seinen Körper bestimmen. OK Dann wische ich mir in Zukunft auch nicht mehr den A... ab. Mal sehen, was andere dann davon halten.


    Die Bescheidung war nichts anderes, als ein zwingendes Reinheitsgebot, das man heute noch bei den Urvölkern Südamerikas und auf Borneo findet.

  • Zitat

    Original von tonio_treschi
    Sind meine Söhne nicht meine Söhne? Habe ich nicht das Recht (und die Pflicht), sie zu erziehen - und gehört dazu nicht auch die religiöse Erziehung? Und wenn ich nicht das Recht habe, wer dann?


    Nun ja, Deine Söhne sind aber doch nicht Dein Besitz, mit dem Du beliebig verfahren kannst, sondern sie haben ein Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit. Dem gegenüber steht Dein Recht, Deine Religion frei auszuüben und ihren Gesetzmäßigkeiten entsprechend zu handeln. Und die Frage ist, welches Recht man über das andere stellt und wo man die Grenze zieht. Bei der Gelegenheit kann man auch mal überlegen, ob die Durchführung eines nicht wieder rückgängig zu machenden Rituals (wozu auch die christliche Taufe gehört) nicht auch das Recht auf Religionsfreiheit des Kindes einschränkt.


    Ein anderes Beispiel: Eine Freundin hat mir mal erzählt, dass ihre streng katholischen Eltern und auch der Pfarrer der Gemeinde ihr mit der ständigen Thematisierung von Sünde und der Hölle eine solche Angst und ein chronisch schlechtes Gewissen eingeimpft haben, dass sie heute noch, auch wenn sich rein rational davon distanzieren kann (zumal sie gar nicht mehr gläubig ist), immer wieder ein mulmiges Gefühl hat.


    So etwas widerspricht meiner Meinung nach dem Recht auf seelische Unversehrtheit und da könnte man auch, genauso wie im Fall der Beschneidung, mal überlegen, ob man hier das Recht des Kindes auf seelische Unversehrtheit über das der Eltern auf freie Religionsausübung stellen sollte.


  • hef , bitte gewöhne Dir doch ab, Teile (wie in diesem Fall den ganzen zweiten Absatz) zu Deinen Beiträgen hinzuzufügen, nachdem schon jemand geantwortet hat.




    Wenn Du Dir den Hintern nicht abwischen willst, dann fordere ich nicht, dass man Dir dien Anus zunäht, sondern mache halt einen Bogen um Dich. Ein unhygienischer Mann wird kein hygienischer Mann, indem ich ihm die Vorhaut abschneide.


    Mag sein, dass die Beschneidung ursprünglich (öhnlich wohl wie das Schweinefleischverbot) hygienische Gründe hatte und man wieder mal nur die Religion benutzt hat, um die Massen zu kontrollieren.


    Dennoch berufen sich Juden auf Genesis 17:10-14 und viele sehen vermutlich in der Beschnedung mehr als nur eine hygienische Maßnahme.


    Zitat

    10 Das ist mein Bund zwischen mir und euch samt deinen Nachkommen, den ihr halten sollt: Alles, was männlich ist unter euch, muss beschnitten werden.
    11 Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen des Bundes zwischen mir und euch.
    12 Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden in jeder eurer Generationen, seien sie im Haus geboren oder um Geld von irgendeinem Fremden erworben, der nicht von dir abstammt.
    13 Beschnitten muss sein der in deinem Haus Geborene und der um Geld Erworbene. So soll mein Bund, dessen Zeichen ihr an eurem Fleisch tragt, ein ewiger Bund sein.
    14 Ein Unbeschnittener, eine männliche Person, die am Fleisch ihrer Vorhaut nicht beschnitten ist, soll aus ihrem Stammesverband ausgemerzt werden. Er hat meinen Bund gebrochen.


    Nette Drohung. :rolleyes


    Das kann man für totalen Quatsch [(c) Tom ;-)] halten , wird aber als Argument herangezogen. Sonst würde ja auch nicht eine Einschränkung der Religionsfreiheit, sondern eine Einschränkung der persönlichen Körperhygiene (bzw. der des Kindes) beklagt werden.


    Moslems gerufen sich auf die Sunna:


    Zitat

    (Wikipedia) Aussage Mohammeds in einem Hadith:


    „Abu Huraira, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtete: Der Prophet, Allahs Segen und Heil auf ihm, sagte: Zur Fitra (natürlichen Veranlagung) gehören fünf Dinge: Die Beschneidung (der Männer/Jungen), das Abrasieren der Schamhaare, das Schneiden der (Finger- und Fuß-) Nägel, das Auszupfen (bzw. Rasieren) der Achselhaare und das Kurzschneiden des Schnurrbarts.“


    – Sahih Muslim: Buch 2, Nummer 495, 496

  • Zitat

    Original von Delphin
    So etwas widerspricht meiner Meinung nach dem Recht auf seelische Unversehrtheit


    Rechtsgrundlage?
    Es gibt ein Recht auf körperliche Unversehrtheit.... :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hallo, hef.


    Zitat

    Also lasst ihnen doch ihre Riten, die übrigens nicht politischer, oder regligiöser Art sind, sondern schlichtweg auf der Erfahrung der Urvölker beruhen, dass die Vorhaut eine Brutstätte für Keime war, und ist.


    Kulturhistoriker sind sich weitgehend einig, dass die Beschneidung ein Überbleibsel archaischer Opferrituale ist. Dass niemand mehr getötet wird (jedenfalls nicht direkt), um einem Gott zu gefallen, ist immerhin ein Fortschritt. Die "Urvölker" kannten so etwas wie Keime nicht (Wie auch? Sie konnten sie nicht einmal sehen!), diese Behauptung ist schlicht Blödsinn. Ideen wie Hygiene auch im medizinischen Bereich setzten sich erst im neunzehnten Jahrhundert durch; zwar vermuteten schon einige römische "Wissenschaftler", dass es Mikroorganismen gäbe und diese mit der Verbreitung von Krankheiten zu tun hätten, aber das Argument, die Zirkumzision wäre auch ein Schutz vor Infektionen, ist sehr viel jünger als die Beschneidung selbst. Die eben vor allem ein Opferritual ist, aber auch konkrete sozialphilosophische Aspekte hat, schließlich soll sie die Lust eindämmen und quasi zur Keuschheit zwingen.


    Das hier formulierte "Recht am eigenen Kind" ist ein sehr erschreckendes Argument, wie ich finde, ließe es doch jede Form von Missbrauch und Misshandlung zu. Man sollte auch nicht vergessen, dass wir hier lediglich - glücklicherweise, wenn man so will - noch über die Beschneidung männlicher Kinder reden. Die äußerst brutale, gefährliche, aus hygienischen Gesichtspunkten völlig irrelevante und sehr folgenreiche Beschneidung weiblicher Kinder wird ja auch noch in einigen Ländern aus religiösen Gründen praktiziert. Barbarische Rituale, die im Kontext religiöser Praktiken existieren, gibt es auch im einundzwanzigsten Jahrhundert noch jede Menge, nicht zuletzt bestialische Steinigungen, aber auch die sehr "simple" und sogar in Europa nach wie vor geduldete Ungleichbehandlung (vorsichtig ausgedrückt) von Frauen.


    Wenn sich Gesellschaften Werte erarbeiten und soziale Fortschritte machen, die relativ zweifelsfrei allen Gesellschaftsmitgliedern zugute kommen, sollten Gesellschaften auch wehrhaft gegenüber brutalen Initiations- und Drangsalierungsritualen sein, die unter dem Deckmäntelchen der Frömmigkeit praktiziert werden, um den Fortbestand der Religionsgemeinschaften und ihrer irren Methoden zu sichern. Und sie sollten auch echte Argumente von Scheinargumenten unterscheiden können. Die Beschneidung von Kindern in einigen monotheistischen Glaubensgemeinschaften wird nicht aus hygienischen Gründen vorgenommen. Das ist ein fragwürdiger "Vorteil", der mit dieser Praxis einhergeht, aber nicht ihr Zweck. Und diesem Vorteil stehen eine Menge Nachteile gegenüber - die Beschneidung ist keine Wurmfortsatzentfernung, die weitgehend folgenlos ist, sondern ein Eingriff, der sich auf Psyche und Sexualität negativ auswirkt. Was übrigens beabsichtigt ist.

  • Noch eine kleine Anmerkung: Es gibt absolut keine bessere Fußpilzprophylaxe als die Beinamputation; das dürfte sogar unter gestandenen Medizinern unumstritten sein. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann davon ausgegangen werden, dass dieserart "Behandelte" an den Füßen nicht mehr mit Dermatophyten befallen werden können. Eine religiöse Gruppierung, die das Opfer-/Initiationsritual "Beinamputation" hiermit begründet, dürfte dennoch heutzutage mit gewissem Gegenwind rechnen müssen. Was übrigens kein sonderlich absurdes Beispiel ist; die Welt- und Religionsgeschichte ist vollgestopft mit selbst- oder fremdzerstörerischen Handlungen, die den Gott/die Götter milde stimmen sollten. Und nicht zuletzt die jüngeren "Selbstmordattentate" so genannter "Islamisten" sind eigentlich auch als regressive Menschenopfer zu verstehen. Hinter religiösem Märtyrertum steckt(e) oft auch genau jener Opfergedanke. Und in den Heiligenverzeichnissen finden sich viele, die sich einmauern ließen oder ähnliche, zuweilen Jahre währende, qualvolle Tode starben, um sich selbst als Opfer darzubringen und damit überdurchschnittliche Frömmigkeit zu beweisen.


    Jeder Mensch sollte und muss das Recht haben, sich auch selbst zu schädigen - deshalb ist Selbstmord auch nicht als Versuch strafbar, und übrigens auch der Konsum von Drogen nicht (nur der Besitz). Wer tatsächlich glaubt, seinem Gott näher zu sein, wenn er sich die Vorhaut oder auch beide Beine abschneidet, mag das absolut tun. Wer das jedoch mit seinen Kindern macht, vergeht sich an diesen. Ich sehe keinen qualitativen Unterschied zwischen einer Vorhaut- oder Beinamputation. Ist das Kind volljährig, mag es sich alles Mögliche abschneiden (oder auch implantieren) lassen, um seinem Gott zu gefallen, aber vor diesem Zeitpunkt sollte und darf niemand das Recht haben, einen solchen Eingriff zu veranlassen, ohne dass eine medizinische Diagnose das unbedingt fordert und rechtfertigt. Auch die Eltern nicht.


    Es gibt vieles, das tradiert ist und noch immer fortbesteht, obwohl es zahlreiche Hinweise darauf gibt, dass die Gründe für solche Traditionen mithin obsolet sind, was übrigens auch grundsätzlich für Religionen gilt, aber auch für Aberglauben (ist letztlich dasselbe) und beispielsweise Astrologie. Demgegenüber sind auch die "Fortschritte", die aufgeklärte, zivilisierte Gesellschaften machen, nicht notwendigerweise in Stein gemeißelt; was wir heute noch für richtig und weitgehend "wahr" halten, beispielsweise die Idee der repräsentativen Demokratie oder die der unbedingten Gleichbehandlung aller Menschen, kann morgen schon ein wahnwitziger Anachronismus sein, über den sich alle Zukunftsbürger kaputtlachen. Deshalb muss nicht unbedingt jeder Entwicklung alles geopfert werden, was es bis dahin gab, auch wenn sich vieles davon als mutmaßlich falsch erwiesen hat, wenigstens vorübergehend. "Tradition" sollte aber niemals einen gesellschaftlichen Konsens negieren, der dann nämlich nicht mehr funktionieren kann. Wenn wir meinen, dass niemand das Recht haben sollte, den Körper eines anderen zu verletzen, dann sollte diese Auffassung vor Traditionen nicht halt machen; es sind die Traditionen, die sich in diesem Augenblick anzupassen haben. Und es hat noch niemand nachgewiesen, dass ein Jude oder Muslim mit Vorhaut im Jenseits schlechter behandelt wird als einer ohne Präputium. ;-)

  • Die Beschneidung von Männern als "Genitalverstümmelung" zu titulieren geht mir zu weit. Verstümmelung ist das, was in einigen afrikanischen Ländern mit Mädchen gemacht wird, nämlich die völlige Entfernung der Klitoris bzw. das Zunähen der Vagina, das riesige Gesundheitsprobleme nach sich zieht, statt auch nur ein Einziges zu lösen.


    Nichtsdestotrotz sollte man in einer aufgeklärten Welt nicht mehr auf den hygienischen Vorteilen der männlichen Beschneidung beharren, die bestehen nämlich meines Wissens hauptsächlich in erleichterter Reinigung -dafür haben wir heute Duschen und allerlei Waschzubehör - und der Vermeidung der Übertragung von Krankheiten, für die wir heutzutage die Impfung gegen HP-Viren und Kondome haben. (Eine Ersetzung der Beschneidung durch die HPV-Impfung wäre eine Überlegung wert.)


    Und zur Dämpfung des Sexualtriebs gibt es ebenfalls effektivere Mittel als die Entfernung der Vorhaut, die offenbar nicht einmal den Propheten davon abgehalten hat, mehr als eine Ehefrau zur Befriedigung seiner Gelüste zu brauchen. :grin

  • Zitat

    Die Beschneidung von Männern als "Genitalverstümmelung" zu titulieren geht mir zu weit.


    Was soll es denn sonst sein, wenn es keine Verstümmelung ist? Penis-Pimping? ;-)


    Wenn ich etwas abschneide, verstümmele ich, feddisch. Da spielt keine Rolle, ob es um Ohrläppchen, Vorhäute oder ganze Beine geht. Weg ist weg, und der Rest ist dann eben verstümmelt.

  • Zitat

    Original von Voltaire


    Rechtsgrundlage?
    Es gibt ein Recht auf körperliche Unversehrtheit.... :wave


    Ich habe "seelisch" als Synomym von psychisch verwendet, vielleicht war das missverständlich. :gruebel


    Ich habe das nicht nachgeschlagen, weil ich tatsächlich davon ausgegangen bin, dass die psychische Unversehrtheit ebenso ein unveräußerliches Menschenrecht ist wie die körperliche Unversehrtheit.


    Nun meint Wikipedia aber auch:


    Zitat

    Das Grundrecht schützt sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit eines Menschen, nicht jedoch das soziale Wohlbefinden.


    Wenn das nicht so wäre, dann wäre es aber Zeit, das zu ändern. :wow Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass z.B. ein Kind zwar das Recht auf kürperliche, aber nicht auf psychische Unversehrtheit hat.

  • Ich bin der Meinung, dass auch um der Sache willen die damit verbundenen Probleme angegangen werden müsse: Wie geht man mit Eltern um, die Deutschland mit ihrem vier Tage alten Baby verlassen um einen Eingriff im Ausland vornehmen zu lassen? Was macht man mit all denen, die ohne medizinische Ausbildung im Hinterzimmer solche Eingriffe vornehmen? Wie kann man verhindern, dass (religionsangehörige oder korrupte) Mediziner medizinische Gründe vorschieben? Ich meine hier ist eine tiefgreifende gesellschaftliche Diskussion gefragt, die die betroffenen Religionen mitbeteiligt, die im Ergebnis aber kein anderes Ziel haben kann, als die Rechte des Kindes über die Rechte der Eltern zu stellen. Hier stellt sich z.B. auch die Frage ist das zugrunde zulegende Alter18 Jahre oder 14 Jahre (Zeitpunkt der Religionsmündigkeit). Vor allem aber auch die Strafbarkeit nicht nur des Mediziners sondern auch der Eltern. Oder sind gar Maßnahmen nach § 1666 BGB gerechtfertigt (Entzug des Sorgerechts?) Das ist bei beabsichtigten (und rechtzeitig bekanntgewordenen!) Auslandsreisen zur Genitalverstümmelung bei jungen Mädchen schon vorgekommen.


    Voltaire : Das Kind hat ein recht auf gewaltfreie Erziehung, das schließt körperliche und seelische Grausamkeiten ein.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Hallo, Beowulf.


    So bitter das klingt, so unrealistisch wäre es, denke ich, die Konsequenzen dieses - nach deutschem Recht ja noch nicht grundsätzlich bindenden - Urteils umgehend umzusetzen und bereits im Vorfeld etwaiger Straftaten über Verfolgungs- und Überwachungsmethoden nachzudenken. Man sollte durchaus das Gespräch und gemeinsam nach tragbaren Lösungen suchen; auch der Gesetzgeber ist gefragt, so lange im Rahmen ähnlicher Verfahren (noch) keine obersten Instanzen angerufen wurden und also Rechtssicherheit erzeugt haben. Es hat jedenfalls keinen Sinn, von einem Tag auf den anderen alle jüdischen und muslimischen Familien zu kriminalisieren, so realistisch muss man einfach sein. Die Traditionshüter sollten Gelegenheit bekommen, ihre Standpunkte vorzutragen, um auch die Traditionen der veränderten Lage anzupassen, ohne Märtyrertum oder gar noch gravierendere Körperverletzungen (s.u.) zu riskieren, aber die identitätsstiftenden Aspekte solcher Rituale wenigstens teilweise zu erhalten.


    Davon abgesehen: Es funktioniert. In Schweden sind seit über 10 Jahren rituelle Beschneidungen rigoros verboten (dort sind damals mehrere Babys an den Folgen von Zirkumzisionen gestorben!), aber eine Massenauswanderung von Juden oder Muslimen hat es trotzdem nicht gegeben - und auch keinen nennenswerten Beschneidungstourismus. Schweden ist das bisher einzige Land, das solche Maßnahmen grundsätzlich verbietet. Das sollte man auch nicht vergessen: Das Kölner Urteil hat (noch) keine grundsätzlich veränderte Rechtslage geschaffen! Die wäre, wie gesagt, erst vorhanden, würden Instanzen wie das Bundesverfassungsgericht urteilen - oder der Gesetzgeber entsprechend tätig werden. Bei ähnlichen Verfahren jedoch (Anzeige wegen Körperverletzung gegen einen Arzt) bestünde bereits jetzt die Möglich- und Wahrscheinlichkeit, dass sich andere Gerichte auf dieses Urteil beziehen, zumal jetzt der Verbotsirrtum, der zum Freispruch für den Arzt führte, beseitigt/nicht mehr heranzuziehen ist.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Ich meine hier ist eine tiefgreifende gesellschaftliche Diskussion gefragt, die die betroffenen Religionen mitbeteiligt, die im Ergebnis aber kein anderes Ziel haben kann, als die Rechte des Kindes über die Rechte der Eltern zu stellen.


    Das ist der zentrale Satz meines Postings. Der Rest waren Fragestellungen. Ich gebe dir völlig recht, über das Knie brechen kann und sollte man nichts- aber das Urteil auch nicht in der Versenkung verschwinden lassen, sondern als Denkanstoß verwenden.

  • In der taz vom 04.07.2012 (Seite 15) findet sich ein sehr interessanter Erfahrungsbericht des irakischen Schriftstellers Najem Wali zu diesem Thema. Dieser Bericht hat mich dazu gebracht die eine oder andere meiner Positionen zu überdenken.


    Beschneidungen und andere Traumata - taz vom 04.07.2012

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    In der taz vom 04.07.2012 (Seite 15) findet sich ein sehr interessanter Erfahrungsbericht des irakischen Schriftstellers Najem Wali zu diesem Thema. Dieser Bericht hat mich dazu gebracht die eine oder andere meiner Positionen zu überdenken.


    Aufwühlend, diese Gedanken von einem Betroffenen, von einem, der den Mut hat, so etwas öffentlich zu sagen:


    In jenem Moment wurde mir bewusst, dass jede Macht auf Angst und Folter basiert, und als Sûrîn meine Vorhaut durchtrennte, kappte er meinen Bezug zu allen Religionen und zu jeder Art von Macht. ...
    Ich weiß nicht, welche Auswirkung das Urteil des Kölners Gerichts haben wird, aber ich weiß, dass die Religionen mit Klauen und Zähnen kämpfen werden, um weiter ihre Grausamkeiten an den Menschen auszuüben. Es geht für sie um ihre Macht. Letztendlich ist es ihnen egal, welche Verstümmlung sie in den Seelen von Millionen von Menschen hinterlassen, und es spielt keine Rolle, ob die Menschen dies freiwillig über sich ergehen lassen oder nicht. Die Macht der Religionen wird weiter regieren.


    Nach diesen Worten erübrigt sich jeder weitere Diskussionsbeitrag von Leuten wie mir, die dieses Thema nur als Außenstehende und allenfalls aus grundsätzlichen weltanschaulichen Positionen heraus betrachten können.

    Danke für diesen Link, Voltaire, und chapeau für deinen letzten Satz!

  • Zitat

    Original von Voltaire
    In der taz vom 04.07.2012 (Seite 15) findet sich ein sehr interessanter Erfahrungsbericht des irakischen Schriftstellers Najem Wali zu diesem Thema. Dieser Bericht hat mich dazu gebracht die eine oder andere meiner Positionen zu überdenken.


    Beschneidungen und andere Traumata - taz vom 04.07.2012


    Oh, von dem Mann hab ich ein Buch. Aber noch nicht ganz gelesen. [/offtopic]
    .

  • Als ich die Überschrift las, dachte ich an Frauen. Das ist natürlich Körperverletzung mit schlimmen Folgen.


    Aber bei Männer :gruebel Ist das wirklich schlimm? Im Alter müssen Männer doch häufig geschnitten werden, wie die Haut zuwächst. :gruebel
    Bin weder Arzt noch Mann - das habe ich nur gehört

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Lesebiene ()

  • Zitat

    Original von Lesebiene
    Als ich die Überschrift las, dachte ich an Frauen. Das ist natürlich Körperverletzung mit schlimmen Folgen.
    Aber bei Männer :gruebel Ist das wirklich schlimm? Im Alter müssen Männer doch häufig geschnitten werden, wie die Haut zuwächst. :gruebel
    Bin weder Arzt noch Mann - das habe ich nur gehört


    Zitat aus dem Profil von Lesebiene:
    Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand - jeder glaubt genug davon zu haben.

  • Zitat

    Original von Lesebiene
    Als ich die Überschrift las, dachte ich an Frauen. Das ist natürlich Körperverletzung mit schlimmen Folgen.


    Aber bei Männer :gruebel Ist das wirklich schlimm? Im Alter müssen Männer doch häufig geschnitten werden, wie die Haut zuwächst. :gruebel
    Bin weder Arzt noch Mann - das habe ich nur gehört


    Naja, "schlimm"...Schmerzen oder gesundheitliche Probleme hat das natürlich nicht zur Folge, sonst würde man es ja nicht aus medizinischen Gründen so häufig tun. Manche lassens sogar als Erwachsene ohne religiösen Grund machen weils den Frauen gefällt...rangiert ungefähr auf der Ebene wie ein Piercing.


    Nur - wenn die Vorhaut weg ist, dann ist sie eben weg. Und wenn der Junge dann mal Atheist wird, dürfte ihn das ärgern, selbst wenn der Verlust an Lebensqualität minimal ist. Schließlich kann er nie genau wissen, wieviel genau er denn nun verpasst.


    Angesichts dessen, dass man auch niemandem erlauben würde, einem Kleinkind Ohrlöcher stechen oder ein Bild auf den Rücken tätowieren zu lassen, muss man die Beschneidung eigentlich verbieten - geht aus Gründen der Konsequenz gar nicht anders, auch wenns natürlich nicht annähernd so schlimm ist wie die Genitalverstümmelung bei Frauen.

  • Zitat

    Original von Dieter Neumann


    Zitat aus dem Profil von Lesebiene:
    Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand - jeder glaubt genug davon zu haben.


    Wie nett. :wave

  • Liebe Lesebiene,
    nein, es ist nicht schlimm, wenn es ein guter Arzt macht. Es kann zur Hölle weden, wenn es ein Quacksalber macht. In den USA sind knapp 70% der Männer beschnitten. Die WHO empfiehlt die Beschneidung, denn es schützt vor HIV, Prostata- und Gebärmuttermundkrebs.


    Als Beschnittener geht es mir gut, ich habe keine Probleme mit meinem Zipfelchen und viel Spaß am Sex. Wie es aussieht, wird auch in Zukunft in Deutschland die Beschneidung geduldet.