Schreibwettbewerb Juli/August 2012 - Thema: "Freunde"

  • Thema Juli 2012:


    "Freunde"


    Vom 01. bis 31. Juli 2012 - 18:00 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Juli 2012 zu o.g. Thema per Email an schreibwettbewerb@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. August eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!



    Achtung: Achtet bitte auf die Änderungen! Annahmeschluß ist ab sofort immer am Monatsletzten um 18:00 Uhr und die e-mail Adresse hat sich wie folgt geändert - schreibwettbewerb@buechereule.de

  • von beowulf



    Setzen Sie sich hin.


    Was soll das, ich will nach Hause. Ich bin müde.


    Hinsetzen. Sind sie mit einer Bandaufnahme einverstanden? Fürs Protokoll, der Beschuldigte nickt.


    Wieso Beschuldigter? Ich habe einen Einbrecher in Notwehr erschossen, das ist doch klar. Das habe ich ihren Kollegen jetzt schon zweimal erklärt.


    Fürs Protokoll: Mein Name ist KHK James Bender. Anwesend außerdem KHK Tom Diehl. Vernehmung des Beschuldigten Bernd Wolf am 15.07.2012. Der Beschuldigte wurde belehrt und hat die schriftliche Belehrung unterzeichnet.


    Ich habe, verflucht noch mal nichts verbotenes gemacht. Der Kerl stand bei mir im Zimmer an der Bettseite meiner Frau. Ich habe meine Waffe vom Nachttisch genommen und als der eine Pistole zog habe ich zuerst geschossen. Sie haben ihn doch mit der Waffe in der Hand gesehen, meine Frau kann alles bezeugen, ich will hier raus.


    Herr Wolf, sie sagen „der Kerl“. Kannten Sie den Einbrecher?


    Nein, woher sollte ich.

    Haben Sie immer eine Waffe auf dem Nachttisch?


    Ich bin Juwelier und trage stets ein Rückenholster mit einer Pistole. Nachts lege ich das Holster mit der Waffe auf den Nachtisch. Aber das habe ich doch schon …


    Herr Wolf, sie sind hier in einer Vernehmung beim KK 11, was sie den Kollegen von der Schutzpolizei oder vom Kriminaldauerdienst bereits gesagt haben ist hier zunächst uninteressant.

    Aber..


    Herr Wolf, nochmal, ich frage sie kannten Sie den Einbrecher?


    Nein, verdammt.


    Hatte ihre Frau einen Liebhaber?


    Wie kommen Sie da drauf, was soll das? Meine Frau hat doch damit nichts zu tun. Der wollte an den Schmuck oder den Tresor.


    Herr Wolf, hier ist ein Bild des Toten. Ich frage sie nochmal, kennen Sie diesen Mann? Er hieß Andreas Kampmann?


    Nein, verdammt, ich sage Ihnen der ist mir unbekannt.


    Das hat keinen Sinn, überlegen Sie sich es nochmal ein Geständnis würde ihre Lage sehr erleichtern.


    Ich habe nichts zu gestehen, verdammt der war doch der Angreifer.


    Herr Wolf, sie werden morgen dem Haftrichter vorgeführt. Sie werden des vorsätzlichen Mordes angeklagt.


    Wieso nur? Wieso, ich bin unschuldig.


    Sie lügen. Sie sind überführt. Sie kannten den Toten. Sie sind seit drei Jahren mit ihm befreundet. Wir haben ihren Facebookaccount kontrolliert.

    Abführen.

  • von churchill



    Es begann wie in vielen schlechten Romanen. Also in der Schule. Ich war der Neue, er der Außenseiter. Ich sollte mich zu ihm setzen. Dankbar schaute er mich an, als ich es tatsächlich tat. Nur kurz war er irritiert, weil ich mit dem Bleistift eine Linie in der Mitte der Schulbank zog. Später zuckte er kaum noch, wenn ich mit meinem Zirkel zustach. Er wusste ja, dass sein Ellenbogen die Bleistiftlinie regelwidrig überschritten hatte.


    Er hieß Harald. Ich nannte ihn Franz. Eigentlich war das ein gutes Werk meinerseits. Als er mich fragte, warum ich ihn Franz nannte, erklärte ich ihm, dass mein Lieblingskomponist Georg Kreisler war. Franz-Harald erkannte den Zusammenhang nicht.


    Franz-Harald war ein Experte für wortgetreue Übersetzungen aus dem Lateinischen ins Deutsche. Ich konnte kein Latein, aber Deutsch. Das führte dazu, dass meine Lateinübersetzungen immer mit mindestens einer Note besser bewertet wurden als seine. Schließlich durfte und wollte ich sein holpriges Deutsch nicht einfach übernehmen. Wäre ja aufgefallen.


    Seltsamerweise hatte Franz-Harald als erster eine Freundin. Ich versprach ihm, während seines Aufenthalts in den USA auf sie aufzupassen. Als er wiederkam, brauchte er zwei Jahre, um eine neue zu finden. Es gibt Dinge, die passieren einfach.


    Auch nach dem Abi waren wir fast unzertrennlich. Leider konnte er das Studium nicht beenden. Er wurde von der Uni ausgeschlossen. Wegen Täuschung bei einer Prüfung. Er bestand auf seiner Unschuld, war aber nicht in der Lage, sie zu beweisen. Auch der Anwalt, den ich ihm besorgte und bezahlte, konnte ihn dummerweise letztendlich nicht rauspauken. Eigentlich schade. Mein Gewissen brachte mich dazu, ihm die CD„Everblacks“ von Kreisler zu schenken. Franz-Harald stand der Sinn nicht nach guter Musik. Er hätte sie sich wirklich mal anhören sollen …


    Wir verloren uns nicht aus den Augen. Immer wieder gab ich ihm Gelegenheit, sein Talent zu entfalten. Bei meiner Doktorarbeit zum Beispiel. Er hätte sie vielleicht noch ein bisschen origineller verfassen können, aber ich will da nicht übermäßig kritisch sein. Schließlich brauchte er das Geld. Er war ja jung verheiratet.


    Zum Schluss wohnten wir zusammen. Franz-Harald, seine Frau und ich. In Latein war er immer noch gut, in den anderen Dingen akzeptierte er meinen logischen Anspruch, vor ihm an der Reihe zu sein. Ich habe ihn dann auch bei uns wohnen lassen. Er durfte sogar einmal im Monat bei ihr schlafen. Großzügig war ich eigentlich schon immer. Nur nicht Handwerkern gegenüber. Warum soll man sein hart verdientes Geld anderen hinterherwerfen?


    Die Überprüfung der neuen elektrischen Leitungen übernahm dann Franz-Harald. Irgendwas hatte ich wohl bei den Anschlüssen verwechselt. Ich habe mit seiner Frau abgesprochen, dass wir zum Auszug aus der Leichenhalle Kreisler spielen lassen. Den „guaten alten Franz“. Rein instrumental, der Text würde manche Trauergäste vielleicht doch ein wenig verwirren.

  • von xania



    Zufrieden scrollte Leo durch die Kontaktliste auf seinem Smartphone und überlegte, mit wem er sich heute Abend zum Essen treffen wollte. Ihm war eher nach männlicher Begleitung, die letzte Nacht mit Sophia war anstrengend gewesen. Und vor allem teuer. Leo suchte weiter. Paul vielleicht. Paul war Firmenchef wie Leo. Das würde zum Geschäftsessen mutieren, worauf Leo keine Lust hatte.
    Schließlich entschied er sich, wie so oft, für Oliver, einem Schulkameraden in dessen Gesellschaft er sich wohl fühlte. Oliver war ein wirklicher Freund, die einzige Person unter all seinen Kontakten, mit der er nicht durch Firmen-, Geld- oder Bettgeschichten verbunden war. Auf Oliver konnte man sich verlassen, er hatte immer ein offenes Ohr für Leos Sorgen und das schon seit Jahrzehnten.


    Gemeinsam betraten die beiden das Restaurant und wurden sofort an einen Fensterplatz geführt. Oliver aß sich durch Vorspeise, Hauptmenü, Nachspeise und trank danach einen Espresso, während Leo hauptsächlich redete. Oliver konnte er alles anvertrauen.


    Spät am Abend nach ein paar Digestifs kam die Rechnung. Großzügig wollte Leo die Rechnung an sich nehmen, wie jedesmal, wenn er mit Oliver essen ging, doch dann hielt er sich zurück. Die Zeiten, in denen er es sich leisten konnte mit Geld um sich zu werfen, waren vorbei.
    "Wir teilen die Rechnung", entschied Leo.
    "Du bezahlst doch immer alles", antwortete Oliver frech.
    "Ich sehe nicht ein, warum ich immer zahlen soll. Du isst doch für drei." Olivers Reaktion nervte Leo. Warum zahlte sein Gegenüber nicht einfach, ohne große Diskussion?
    "Dafür muss ich mir dein Gerede anhören", gab Oliver zurück.
    "Ich sorge für deine Unterhaltung!" Leo war entrüstet.
    "Unter Unterhaltung verstehe ich etwas anderes, als die Beschreibung deiner kläglichen Versuche Geschäftspartner zu betrügen oder deine jämmerlichen Frauengeschichten, die regelmäßig an Potenzproblemen scheitern."
    "So rede man nicht mit einem Freund!" Leo war vor Wut rot angelaufen.
    "Mit einem Freund ist man ehrlich. Also: Ich kann diese Rechnung unmöglich zahlen. Ich komme nur hierher, weil ich mir ein solches Essen selbst nie leisten kann. Als wirklicher Freund wüsstest du, dass ich meinen Job schon lange verloren habe und meine Frau mit deinem feinen Freund Paul durchgebrannt ist. Aber von ihm scheinst du genauso wenig zu wissen, wie von mir. Deine Welt dreht sich nur um dich!"
    Leo suchte nach Worten, doch bevor er etwas antworten konnte, war Oliver aufgestanden und hatte das Restaurant verlassen.
    Leo starrte ihm ungläubig hinterher.

  • von Gummibärchen



    „Jess, beeil dich!“ rief Alex in den Wald und kickte einen Stein zur Seite. Währenddessen saß Jessica in Gedanken vertieft auf dem Boden und las noch ein letztes Mal den Brief in ihren Händen.


    Hallo…
    Wie verabschiedet man sich von jemandem wie dir? Ich weiß es nicht. Ich bin auch nicht sicher, ob dies ein Abschied für immer ist oder ich mir wieder einmal etwas vormache.
    Doch egal, ich muss mich von dir verabschieden, denn es ist an der Zeit, dass sich unsere Wege trennen. Ich muss dich loslassen, auch wenn dies nicht einfach für mich sein wird.
    Lange Zeit warst du mein bester Freund und mein einziger Halt. Du warst für mich da, als alle gegen mich waren und ich nicht mehr weiter konnte. Du hast mich nie im Stich gelassen. Und auch wenn sie sagten, du wärst nicht gut für mich, weiß ich, dass ich ohne dich nicht mehr leben würde. Ich weiß, ich hätte irgendwann aufgegeben. Du hast mir geholfen, eine schwere Zeit zu überstehen und warst mein Zufluchtsort. Ich werde dich niemals vergessen.


    „Hab ja sichtbare Erinnerungen an dich“ dachte Jessica zynisch und hörte Alex ihren Namen rufen.


    „Ich bin gleich daaaa!“ kam es aus dem Wald. Alex kämpfte gegen den Reflex an, nach Jessica zu sehen. Er wusste, dass sie hin und wieder Zeit für sich und ihre Gedanken brauchte. Und spätestens nach diesem Wochenende, an dem sie viel über ihre Vergangenheit gesprochen haben, war ihm klar, wie wichtig ihr solche Momente sind. Geduldig ließ er sich auf das Gras neben seinem Auto nieder und dachte über sie nach. Alex war von Anfang an von Jessicas leisen und schüchternen Art fasziniert und kam sich wie ein wandelndes Klischee vor, als er merkte, wie sehr diese Frau sein Beschützerinstinkt weckte. Später bekam er auch ihre laute und durchsetzungsfähige Ader zu spüren, die er heute genauso schätzte. Und irgendwann vertraute ihm Jessica Dinge an, die sie bis dahin kaum jemandem erzählt hatte.


    Jessica blickte auf ihre Arme, schüttelte den Kopf, als wollte sie unschöne Gedanken loswerden und las den Rest der Sätze, die sie geschrieben hatte.


    Aber ich habe einen neuen Freund gefunden. Einen besseren als dich. Einen, der für mich da ist, ohne mich gleichzeitig zu verletzen. Einen, der mich glücklich macht, ohne Narben zu hinterlassen.
    Darum sag ich dir heute „Leb wohl“.


    Sie wischte sich ein paar Tränen aus dem Gesicht, faltete das Papier zusammen und legte es in die kleine Mulde in der Erde. Sie holte das Messer, das sie jahrelang mit sich trug, aus ihrer Hosentasche, legte es dazu und schüttete das Ganze mit einem Gefühl der Erleichterung zu.


    „Da bist du ja“ lächelte Alex sie an, als sie auf ihn zukam. Er zog sie an sich. „Alles okay?“ fragte er und während Jessica sich an ihn kuschelte, berührte er ganz sanft ihre Unterarme, strich vorsichtig über die zahlreichen Narben, die sie sich in der Vergangenheit selbst zugefügt hatte und küsste zärtlich ihre Stirn.

  • von arter



    "Leck ab!". Ihr Zeigefinger mit einem Tupfer Schlagsahne kreist vor seinem Mund. Sie wird ihn zurückziehen, wenn er es versucht. Solche Neckereien sind ihre Spezialität. Wie immer geht er darauf ein. Er öffnet die Lippen, bewegt seinen Mund in denselben Kreisbewegungen, während er dem Finger näher und näher kommt. Gleich wird sie ihm den Sahnetupfer auf die Nase schmieren und lachend etwas ausrufen wie: „Du spinnst wohl!“.

    Nein, der Finger hält still. Seine Lippen umschließen ihn. Die Zunge schiebt die Sahne fort. Im Zeitlupentempo tastet die Zungenspitze jede einzelne, feine Linie auf der Fingerkuppe ab. Dann stößt er an den Fingernagel und fährt an der Außenkante entlang. Zärtlich, mit aufreizender Langsamkeit. Er möchte ihr in die Augen sehen, doch sie hält sie geschlossen. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln umspielt ihre Lippen.


    Nur Freunde. Wir sind nur gute Freunde. Er muss es sich wieder und wieder vorbeten.


    Sie entzieht ihm den Finger. „Gut“, sagt sie unbekümmert und lächelt. Dann nimmt sie ihre Handtasche und stellt sie demonstrativ vor sich auf den Tisch: „Gehen wir?“


    „Arusha!“, hat sie geschwärmt. Damals, vor zwei Jahren, gleich nach dem Medizinstudium. „Du kommst doch mit dorthin?“. Er hatte nie daran gedacht, seine Karriere in Afrika zu beginnen. Sie aber ist voller Enthusiasmus und sprühendem Elan gewesen. Man müsse den Menschen helfen. Dort würde jede Hand gebraucht. Als ausgebildete junge Ärzte könnten sie so viel Gutes tun. „Lass mich bitte nicht im Stich!“


    Es bedurfte keiner großen Überredungskunst. Das hatte es noch nie getan, wenn sie ihn mit einer verrückten Idee überraschte. Schnell war er Feuer und Flamme. Er recherchierte, organisierte, nahm Kontakt zu den Hilfsorganisationen auf. Sie steckten die Köpfe zusammen und planten ihr großes Abenteuer Tansania.


    „Gemeinsam werden wir den Kilimandscharo bezwingen“, versprach er ihr. Sie hat dazu gelächelt, ist ihm um den Hals gefallen und hat ihn fest an sich gedrückt. Dann haben sie wie immer den Schirmmützengruß ausgetauscht. Sie sind gute Freunde gewesen.

    Dann ist Tansania gestorben. „Er heißt John“, hat sie gesagt. John wolle für sie gemeinsam ein Haus kaufen. John sei soooo süß.
    Ein Haus mit John, dagegen war nichts zu sagen.


    „Ich habe so gerne etwas Geld“, fügte sie noch hinzu, als sei es eine Entschuldigung. „Mit uns bleibt doch alles beim Alten?“, fragte sie noch. Sein Schweigen nahm sie als Zustimmung.

    Er hat dann auch keine Lust mehr gehabt, nach Tansania zu gehen. Sollten Andere den Menschen dort helfen. Ein Krankenhaus in der Kleinstadt ist sein Alltag geworden. Manchmal trifft er sie und alles ist wie früher.


    Er blickt in ihre Augen und sieht sie strahlen. Ein dicker Kloß aus Unmut steckt in seinem Hals.
    „Geh allein, ich muss hier noch was erledigen“, sagt er. Sie umrundet den Tisch und legt die Arme um ihn. Zögerlich erwidert er ihre Umarmung.

    „Machs gut mein Held“, flüstert sie ihm ins Ohr. Dann entfernt sie sich ein Stück, wendet sich um und legt die Kante der flachen Hand an eine virtuelle Uniformmütze. Er beantwortet die Geste. So machen es gute Freunde.

  • von Sinela



    Ein paar Sonnenstrahlen verirrten sich durch das kleine Fenster, das sich ganz oben im Mauerwerk befand, und warfen ein Spiel aus Licht und Schatten auf das gammelige Stroh, das den Boden der Zelle bedeckte. Sie verschwanden genauso schnell wie sie gekommen waren und machten einem diffusen Dämmerlicht Platz, das den Raum in eine graue Landschaft verwandelte.
    „Na, mein Kleiner, da bist du ja.“
    Der Mann ging in die Hocke und streckte seine Hand aus.
    „Na komm schon, du weißt doch, dass ich dir nichts tue.“
    Vorsichtig kletterte die Ratte auf dem Ärmel des zerschlissenen Hemdes nach oben um es sich auf der Schulter bequem zu machen. Der Mann hielt ihr ein Stück hartes Brot hin.
    „Hier, das habe ich extra für dich aufgehoben.“
    Die Ratte schnüffelte, streckte sich, nahm das Brot ins Maul und sah den Mann erwartungsvoll an.
    „Ist ja schon gut“, lachte dieser. Er nahm die Ratte und setzte sie auf den Boden, wo sie mitsamt ihrer Beute schnell in einem Loch in der Wand verschwand.
    George O`Malley sah ihr hinterher. Er wusste nicht, wie er ohne seinen kleinen Freund die Tage seit seiner Verhaftung überstanden hätte. Seit sein früherer Zellengenosse Timothy vor einem Jahr gestorben war, war er allein. Er wäre durchgedreht ohne die Gesellschaft des kleinen pelzigen Tieres. Er hatte ihm Futter angeboten, es hatte ihm vertraut, und so waren sie Freunde geworden.



    Die Zellentür schwang auf.
    „Hey, O`Malley, ich habe gute Nachrichten für dich.“
    Der Gefangene schaute den Wärter an.
    „Na, was wird das schon sein? Gibt es morgen Rindfleisch anstatt Suppe?“
    Der Wärter ging auf den von Sarkasmus triefenden Satz nicht ein.
    „Auf Grund der Thronbesteigung von Königin Victoria gibt es für alle Gefangenen mit nicht so schweren Vergehen eine Generalamnesie. Du wirst also in 2 Wochen entlassen.“
    „Entlassen?“
    Fassungslos starrte O`Malley die Türe an, die sich hinter dem Wärter geschlossen hatte.



    „Na, du kannst es sicher kaum erwarten, morgen kommst du hier raus. Wie ich dich beneide.“
    O`Malley stellte sich schlafend, um seinen Mitgefangenen nicht antworten zu müssen. Warum mussten sie ihm diesen ekelhaften Menschen an seinem letzten Tag in diesem Loch noch auf`s Auge drücken?
    Lautes Fiepen weckte ihn am anderen Morgen auf.
    „Du Mistvieh! Ich schlage dich tot!“
    O`Malley sprang auf.
    „Nein! Lass sie in Ruhe!“
    Mit einem dreckigen Grinsen hob sein Mitgefangener die tote Ratte am Schwanz hoch.
    „Zu spät.“
    Mit einem lauten Schrei warf sich George auf den anderen Mann. Die Wut verlieh ihm unbändige Kräfte und nach einem kurzen Kampf drückte er seinem Gegner so lange die Kehle zu bis kein Leben mehr in ihm war.



    O`Malley wurde mit gefesselnden Händen abgeführt. An der Tür warf er einen letzten Blick zurück auf den pelzigen Körper, der reglos im Stroh lag.
    „Ich begreife es nicht. Heute wärst du entlassen worden und nun wirst du wegen Mordes hängen. Und das alles wegen dieses lausigen Ungeziefers.“
    „Das verstehst du nicht – wir waren Freunde.“

  • von Dori



    Peter öffnete die Tür und betrat die Bar. Das „Zum Nordwind“ war rustikal, aber liebevoll eingerichtet und dekoriert worden, da hatte sich jemand Mühe gegeben. Außerdem war es erfüllt von den verschiedensten Leuten unterschiedlichster Herkunft. Das war es auch, was es für Peter und seine Freunde so anziehend machte. Da waren sie auch schon und winkten ihm zu. Als er sie begrüßte, winkte er auch einmal in den Raum hinein, um die anderen Gäste zu begrüßen, die ihm flüchtig bekannt waren, bevor seine Freunde ihm ausführlich zum Geburtstag gratulierten. Einige hatten auch Geschenke für ihn dabei. Von seinem Freund aus Kindertagen, Jens, bekam er einen richtig schicken neuen Gürtel, den er gleich ausprobierte und seinen alten wegwarf. Ein paar seiner Klassenkameraden hatten all ihr Geld zusammengelegt und ihm ein Haustier gekauft. Sie wussten, dass er schon lange eins haben wollte und überreichten ihm nun einen kleinen Mischlingswelpen, der beinah wie ein kleiner Wolf aussah. Dann gab Peter eine Runde Bier für alle aus, um seinen Geburtstag zu feiern. Später gingen sie zu Met über. Peter liebte dieses Mittelalter-Zeug.
    „Wartet mal kurz, meine Mutter will irgendwas von mir“, sagte Jens und verließ die Bar für eine Weile. Peter nahm diese kurze Phase der Ruhe zum Anlass, sich ein wenig in der Bar, die er so oft besuchte und die mittlerweile wie sein zweites Zuhause geworden war, umzusehen. An einem Tisch in der Ecke saß ein Mädchen, das ihm gefiel. Sie hatte langes, glänzendes schwarzes Haar und trug ein tief ausgeschnittenes Kleid. Sollte er es wagen? Langsam ging er auf sie zu. Es kam nicht oft vor, dass sich hübsche Frauen hierher verirrten, meist waren es nur welche, die so verschroben waren wie er selbst. Mittlerweile war er an dem Tisch in der Ecke angekommen.
    Er sprach das Mädchen mit einem kurzen „Hi“ an.
    Es dauerte lange, bis sie ihm antwortete, vermutlich überlegte sie, wie sie auf ihn reagieren sollte. Schließlich antwortete sie doch: „Hi.“
    Sie hatte ein Glas Rotwein vor sich stehen und schien dieses nun zu leeren.
    Peters „Was machst du so?“ nahm sie nur noch halb wahr, da sie bereits im Gehen begriffen war.
    Als Peter zu seinen Freunden zurückkehrte, war auch Jens wieder da.
    „Lol, du Noob, was war das denn gerade?“
    Peter wollte antworten, konnte sich aber nicht bewegen! Alles schien stillzustehen.
    Nach ein paar Augenblicken war dieser eigenartige Moment wieder vorbei. Der Tisch an der Ecke war inzwischen von einer anderen Gruppe besetzt. Doch schonwieder stand plötzlich alles still!
    „Geh aus der Leitung, ich lad grad Twilight!“ kam es von unten.
    Peter seufzte. Das wurde heute wohl nichts mehr. Er loggte sich aus und ging schlafen.

  • von Grisu



    "11 Freunde müsst ihr sein. Pah, dass ich nicht lache." "Tom, hier, ich steh frei." "War ja klar. Er schießt am Tor vorbei. Was lauf ich hier eigentlich noch hier rum? Ich sollte mich in den Schatten setzen." Lars war frustriert. Gerade Tom, der neue Stürmer, der erst vor ein paar Wochen ins Team gekommen war, war nur auf seinen Vorteil bedacht und schoss aus allen Positionen selbst aufs Tor, auch wenn ein Pass aussichtsreicher wäre. Heute war es noch viel schlimmer als sonst, weil man Gerüchte gehört hatte, dass Talentscouts aus der 3. Liga das Spiel verfolgen würden. Eigentlich waren sie ein ziemlich gutes Team, waren Tabellenzweiter und konnten noch Meister werden. Jedoch mussten sie selbst gewinnen und der Tabellenführer verlieren. "Alex steht frei, Tom gib ab, gib ab!" Diesmal haut Tom den Ball weit übers Tor. "So wird das nichts. Gut, dass die Gegner noch kein Tor geschossen haben. Mein letztes Spiel in der A-Jugend hab ich mir anders vorgestellt. Wann ist denn endlich Halbzeit"


    In der Halbzeit erfuhren sie, dass der Tabellenführer hinten lag. Der Trainer versuchte seine Spieler nochmal zu motivieren: "Ihr könnt gewinnen! Ihr könnte Meister werden! Ihr seid gut! Achtet besser aufeinander, ihr müsst schneller abspielen."


    Die zweite Halbzeit begann. Lars schoss einige Pässe, aber keiner führte zum Tor. "Ist ja auch egal. Ich fange bald eine Lehre an und Fußball bleibt mein liebstes Hobby", dachte Lars. Er bekam wieder den Ball, umlief einen Gegner, strauchelte, rappelte sich wieder auf. Tom stand frei. "Hoffentlich erwisch ich den Ball noch" "Tom, pass auf" schrie er und konnte gerade noch bevor der gegnerische Libero den Ball erreichte zu Tom passen. "Tor, Tor, Jaaaa, Klasse", schrie Lars. Tom hatte getroffen. Alle jubelten und klatschten sich ab. "Auf geht´s, weiter, wir packen das". Lars freute sich, jetzt war der Knoten geplatzt. Das Spiel hatte an Schnelligkeit gewonnen. Tom stürmte aufs Tor zu. Lars stand am Rand des 16-Meter-Raums und wartete auf den Torschuss. Doch dann, Tom passte zu Lars. Lars hätte den Ball vor Schreck fast vorbei gelassen. Aber er konnte ihn gerade noch stoppen und stürmte nun selbst aufs Tor. Gerade als er zum Schuss ansetzen wollte, rutschte ihm der gegnerische Libero in die Beine. "Scheiße, das tut weh." Lars saß am Boden und rieb seinen verletzten Knöchel, als sich ihm eine Hand entgegenstreckte. "Hey, geht´s wieder? Du hast einen Elfer rausgeholt!" Lars sah in Toms lachendes Gesicht. " Danke, der Pass vorhin war spitze!" Lars packte die Hand und zog sich hoch. "Dein Tor war aber auch nicht schlecht!" "Hast Du irgendwann Mal Lust, zusammen ein paar Bälle zu kicken", fragte Tom. "Klar, warum nicht." Sie verwandelten den Elfmeter, gewannen 2:0 und wurden Meister.


    Nach dem Spiel nahm der Trainer Lars zur Seite. "Lars, Du sollst bei Hansa Rostock ein Probetraining machen". Lars traute seinen Ohren nicht. "Ich? Wieso ich?" "Na, Du warst gut" sagt er und zwinkert ihm zu. "Und außerdem ist Fußball ein Mannschaftssport."

  • von Fay



    Er verstand die Welt nicht mehr. Das sollte ein besonderes Wochenende werden. Immer wieder trafen sie sich zum Reden, um letztendlich doch übereinander herzufallen. Dieses Mal hatte sie eine abgelegene Hütte im Wald gemietet. Als sie ihm verheißungsvoll die Hand- und Fußfesseln anlegte und am Bett fixierte, hatte er das für den Auftakt zu einem aufregenden Spiel gehalten. Offensichtlich hatte er sich gehörig geirrt. Wie eine Amazone stand sie vor ihm und strich mit dem Messerrücken über seinen nackten Oberkörper.


    „Warum tust du das?“


    „Eine Freundin…mehr bin ich für dich nicht? Wir kennen uns ein Leben lang, sind durch dick und dünn gegangen, und du willst nie die Liebe in meinem Blick gelesen haben? Wie blind bist du? Wenn wir nicht zusammen im Bett gelandet wären, könnte ich damit besser umgehen. Als deine Freundin würde ich dir alles Gute wünschen, aber die Dinge liegen nun einmal anders. Ich verstehe dich einfach nicht. Warum willst du jetzt diese Tussi heiraten?


    „Weil ich Maja liebe!“


    „Wenn ich dich nicht haben kann, dann…“


    Das verrückte Glitzern in ihren Augen machte ihm beschissene Angst. War das nun ein Spiel oder war sie wirklich total durchgeknallt? Was, wenn sie wirklich vorhatte, ihn zu töten? Würde sie wirklich so weit gehen? Wie hätte er das ahnen können? Sie hatte nie etwas in diese Richtung angedeutet. Natürlich war ihm ihr geschockter Gesichtsausdruck nicht entgangen, als er ihr beim letzten Treffen von den Hochzeitsplänen erzählte. Aber dass sie austicken könnte, daran hatte er niemals gedacht. Er befand sich in einer beschissenen Lage, und hatte nicht die geringste Idee, wie er sich daraus befreien sollte. Als sie sich über ihn beugte, hatte er Angst, sie würde ihm sein bestes Stück abbeißen, aber gottlob war das Gegenteil der Fall. Er entspannte sich wieder, als sich ihre warmen Lippen um seinen Penis schlossen und er tief in ihren feuchten Schlund eintauchte. Doch nur ein perverses Spiel, dachte er erleichtert. Na warte, das nächste Mal bist du fällig. Er stöhnte unter ihren Bemühungen und stand bereits kurz vor der Explosion, als sie langsam auf seinem Schwanz platznahm. Vielleicht half es, wenn er ihr erklärte, dass er sie auch weiterhin treffen wollte. Sie aufzugeben kam ihm gar nicht in den Sinn, dafür war sie ihm viel zu wichtig. Er machte die Augen auf und sah sie triumphierend über sich. Den hübschen Kopf mit dem auffälligen roten Haar hatte sie in den Nacken gelegt. Auf ihrer Haut glitzerten feine Schweißperlen. Ihre Knospen waren steif und muteten auf den weißen Hügeln wie rosa Beeren an. Zu gerne würde er sie kosten. Auch sie stöhnte und er spürte ihren Orgasmus herannahen. Als sie ihre Lust herausschrie, kam auch er.


    „Wow, das war wirklich der Hammer! Einen Moment lang habe ich echt geglaubt, du hättest es auf mich abgesehen.“


    „Ich könnte dir nie Gewalt antun“, entgegnete sie. Anschließend zog sie das Kleid über, küsste ihn, und verschloss seinen Mund mit Klebeband. „Ich liebe dich.“ Mit Tränen in den Augen nahm sie Abschied und fuhr davon.

  • von Johanna



    Weißt Du noch?
    Wir fuhren mitten im Frühling nach Dänemark, das schöne große Luxushaus, wir alle mit Vorfreude und guter Stimmung und es schneite ununterbrochen.
    Im jugendlichen Leichtsinn quetschten wir uns alle zusammen in das kleine Auto, fuhren in die nächste Stadt, amüsierten uns, beachteten natürlich nicht den stetigen Schneefall und prompt landeten wir auf dem Rückweg inmitten einer großen Schneewehe.


    Wer weiß, wären die netten Dänen nicht gewesen, die uns unter Aufbietung ihrer gesamten Motorkräfte da wieder raus zogen, ob wir da erfroren wären?



    Weißt Du noch?
    Die Nächte, die wir durch quatschten, die eine ganz besondere, in der wir kein Ende finden konnten. Eine Flasche Roten nach der anderen leerten.
    Lachten, ernst waren, Geheimnisse austauschten, uns soviel erzählten.
    Der nächste Tag, wir waren so schrecklich müde, saßen den ganzen Tag am Tisch zusammen, tranken sämtliche Kaffeevorräte weg bis uns schlecht wurde.
    Dann die Schritte, seine Schritte; als wir sie im Treppenhaus hörten zeitgleich aufsprangen, begannen geschäftig aufzuräumen, so taten, als hätten wir den lieben langen Tag nichts anderes getan.


    Wie gerne erinnere ich mich noch heute daran, jedesmal mit einem Schmunzeln auf den Lippen.



    Weißt Du noch?
    Dein wunderbarer Einfall der kleinen Lichterallee aus Teelichtern fürs Hochzeitspaar. Dein Aufspringen und Dein Versuch Dich schnell im Gebüsch zu verstecken, damit sie Dich nicht dabei sehen.
    Ich habe Dich gesehen und mich so gefreut darüber.


    Ich sehe Dich noch heute vor mir.


    Auch wenn der Kontakt in den letzten Jahren weniger wurde, weniger werden mußte, schließlich warst Du ja sein bester Freund.
    Trotzdem brach er nie ganz ab, wir verstanden uns noch immer.
    Als ich Dich das letzte Mal sah, an dem kleinen Weg vor der Tür, da ahnte ich nichts. Du warst wie immer, sagtest nichts davon.
    Auch heute noch kann ich nicht an dieser Stelle vorbeigehen ohne an Dich zu denken, höre Dein Lachen, Dein unverkennbares Lachen.


    Ich vermisse Dich, heute noch.
    Aber, ich weiß auch, wenn ich nach oben schaue, dann siehst Du mich und uns alle, bist bei uns und lachst Dein unvergleichliches Lachen.

  • von rienchen



    „Und dann erst der Sex“, schluchzt Melanie und eine dicke Träne rollt über ihre Wange. Abwesend sieht sie zum Fenster hinaus, die Augen rot und verquollen. „Das letzte Mal vor zwei Wochen war großartig. Er wusste einfach immer genau...genau...“ Die Träne rollt weiter über ihr Kinn und tropft schließlich mit einem feisten Geräusch in ihre Kaffetasse, die sie fest umklammert hält. Sie nippt daran und fährt mit Daumen und Zeigefinger über den Henkel, mit den Gedanken ganz woanders.


    Ich stöhne innerlich auf. „Genau...?...Er wusste genau...?“, helfe ich ihr auf die Sprünge in der Hoffnung, dass ihr der gedehnte Unterton in meiner Stimme nicht zu sehr auffällt. Melanie holt tief Luft. Ihre Augen blitzen auf. „Er wusste einfach immer genau, was ich grade mochte. Im Bett, verstehst Du? “, heult sie jetzt und ihr Kopf beugt sich immer weiter der Schwerkraft, schwebt bedrohlich nah über dem Tisch. Verdammte Schwerkraft, denke ich, die ist unerbittlich. Was sich auch an Melanies Brüsten langsam bemerkbar macht. „Ich begreife das nicht, es hat doch alles gestimmt. Musikgeschmack, Filmgeschmack, Essensgeschmack. Überhaupt Geschmack. Klamottengeschmack.“ Sie hält kurz inne. „Na ja, nicht ganz. Sein Sinn für Humor war eher...
    Er hatte immer diese Boxershorts mit aufgedruckten Wochentagen an, kennst Du die? Wir hatten einmal Streit, weil ich so lachen musste. Da war es samstags mal mittwochs oder so. Da lief dann nix mehr. Egal. Nicht so wichtig. Der Sex war sonst immer toll. Du weißt schon. Funky. Sie wischt sich mit der Hand den Rotz von der Nase. „Meine Freunde mochte er auch, sogar Dich.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Sogarmich? „Warum zum Teufel hat er mit mir Schluss gemacht, Biene?“ Ihr Blick ist hilflos wie der eines Hundewelpen. Ich zucke mit den Schultern, sage erstmal besser nichts und puste mit spitzen Lippen in den Kaffee. „Dich kann ich sowas doch fragen, Du bist meine beste Freundin.“ Ich nicke langsam und folge ihrem Blick aus dem Fenster. Dort sitzt eine schillernde Schmeißfliege und reibt sich ihren Saugrüssel. Der Henkel an der Kaffetasse ist so wunderbar glatt unter meinen Fingern, wie mir jetzt auffällt.


    „Ich weiß nicht, warum er mit so einer perfekten Frau Schluss gemacht hat, Mel, aber ich verstehe Deine Trauer.“, breche ich nach einiger Zeit das Schweigen. „Seine Schwanzpeitsche am Dienstag war einfach unglaublich, der kann man schon mal eine Träne nachheulen.“


    Wir sehen uns an. Sekundenbruchteile vergehen in stillem Entsetzen, verschütteter Kaffee färbt den Fliesenboden zu Melanies Füßen dunkel, bevor sie wild fluchend, aber grinsend ein Sofakissen nach mir wirft. Dann lachen wir schallend los. Als sich die Nachbarn schließlich über den Krach beschweren, prusten wir ihren verdutzten Gesichtern Schwanzpeitsche,Schwanzpeitsche entgegen und knallen ihnen die Tür vor der Nase wieder zu. Wir halten uns in den Armen, wischen Lachtränen aus traurigen Augen und machen laute Musik an. Dann bestellen wir Pizza und trinken Tequila bis zum Morgengrauen.

  • von Holle



    Die Spitze seines Spazierstocks brachte jedes Mal, wenn sie auf den Asphalt traf, ein knappes, knackendes Geräusch hervor. In seiner Erinnerung ähnelte es einem bestimmten Schlag auf die Snare: kurz, präzise, trocken, fast wie ein Knall ohne Echo. Tack! ... Tack!


    Er verband es in Gedanken mit seinen langsamen Schritten.
    „Tack! Schlurf, schlurf. Tack! Schlurf, schlurf.“ Ein Dreivierteltakt.


    Der Herbstwind wehte die ersten Blätter von den Bäumen am Rande der Straße. Schon wieder war ein Sommer vorüber. Langsam näherte er sich dem Rastplatz seiner einsamen Spaziergänge, setzte sich erleichtert und genoss den weiten Ausblick.


    Seine Gedanken schweiften in die Zeit, als das Leben noch voller Verheißungen schien. Bilder zeigten sich, fern und unerreichbar, mit alter Patina überzogen.


    „Wärst du doch hier! So wie damals, als wir Freunde waren!“ Die Erinnerung ließ Wärme durch seinen
    müden Körper fluten.


    Zufällig hatten sie sich in die Augen gesehen und gelächelt. Wer hätte denn ahnen können, dass sich so viele Möglichkeiten in diesem kurzen Moment verbargen?


    Wie schnell sie einander vertrauten und über verwandte Gedankengänge staunten! Auch unterschiedliche Auffassungen waren eine Bereicherung. Selbst hitziger Streit brachte sie nicht auseinander. Sie trafen sich immer in der Mitte ihrer Zuneigung wieder.


    Die Band war ihre stärkste Bindung. Beide liebten sie Musik, die ihnen ähnelte und voller Lebenslust war. Damals lachten sie über Dreivierteltakte. Vier Viertel waren angesagt; der schnelle Backbeat trieb sie an. Ihre neuen Stücke wurden häufig aus einem plötzlichen Impuls heraus gestaltet. Und das Wochenende brachte das ersehnte Leben. „Monday I got Friday on my mind!”


    Er streckte die schmerzenden Beine aus, um sie zu entlasten.
    „Jung waren wir damals“, dachte er, „und die ganze Welt war es mit uns. „Summer in the City!” Die Sommersonne strahlte heißer als jemals danach. Und wenn ihr Licht im Herbst wieder milder wurde, warfen wir uns in bunte Blätterhaufen, und das Laub knisterte und raschelte um uns herum. „California Dreaming!“
    Die Leute lachten oder schüttelten ihre Köpfe, wenn sie uns beide sahen. Ja, unsere Haare! Deine etwas kürzer, meine fast schon psychedelisch. Mädchen mochten uns. Damals. Als wir Freunde waren.“


    Aber die Zeit konnte Freunde trennen. Manchmal ganz sacht und ohne Lärm. Und manchmal ohne die Möglichkeit eines Wiedersehens.


    Ohne, dass es auffiel, liefen ihre Wege auseinander.


    Die Band entzweite sich. Die Rhythmen des Lebens nahmen unterschiedliche Tempi auf.


    Anfangs dachte er noch zurück. Aber es gab so viel zu tun! Das Erinnern versteckte sich heimlich hinter der raschen Abfolge drängender Aufgaben. Er erkannte nicht, dass Grundlegendes verloren ging. Erst nach langer Zeit, als seine Tage wieder ruhiger wurden, kam das Damals zurück, unversehens und überwältigend.


    Ja, damals raschelte das bunte Herbstlaub, so wie auch jetzt, in diesem Augenblick. Und er bemerkte, dass etwas die trockenen Blätter fortbewegte, noch während er ihren Geräuschen lauschte. Etwas, das einem kalten Wind glich, der ihn frösteln ließ. Ob das alte Laub wohl fortflog, auf einem Weg ins letzte Vergessen?


    Schwerfällig erhob er sich von der Bank, um seinen Weg fortzusetzen.


    „Wärst du doch hier! Wir könnten uns gemeinsam erinnern!“

  • von Tannenbernie



    Mit einer geschickten Bewegung warf Julius die beiden dünn geschnittenen Fleischscheiben in die eckige Steakpfanne. Zischend wurde das Fleisch von dem Sud aus heißem Öl und Knoblauch empfangen, während eine wohlriechende Wolke aus Knoblauch und Chili den Weg in seine Nase fand. „Mmmmh, welch wunderbare Komposition.“ Die Suppe aus Leberknödeln stand bereits herb duftend auf der Warmhalteplatte, sie würde seine Vorspeise sein. Den Knödeln fehlte es etwas an Salz, aber das lag vermutlich am Fleisch.


    Es war das erste Mal, daß er wieder für sich allein kochte, seit sie ihn verlassen hatte und sein Leben grau geworden war. Wo er vorher in der großen Küche ihres gemeinsamen Hauses für sie gekocht hatte, stand er nun in der kleinen Kochecke seines neuen Junggesellen-Domizils. Die Ausstattung der kleinen Küche war brauchbar, dafür hatte er gesorgt, doch erinnerte er sich wehmütig an die vielen Stunden, die er mit ihr in der Küche ihres Hauses verbracht hatte. Sie würde ihn ermahnen, ja nicht zu scharf zu kochen und die Finger von den selbst gezogenen Jalapenos zu lassen, aber das war nun Vergangenheit.


    Gedankenverloren griff Julius nach der Gewürzmühle mit den getrockneten Chilischoten und berieselte das bratende Fleisch mit gemahlenen Jalapenos. Schließlich nahm er die leicht süßlich riechenden Scheiben aus der Pfanne und gab sie auf den Teller, der bereits neben der blutroten Kirschsauce stand. Sein bester Freund hatte seine Saucen immer geliebt. Er war oft zu ihnen gekommen, dann hatten sie zusammen gegessen und gelacht, das waren gute Tage gewesen. Doch jetzt hatte sich alles geändert, nichts war mehr wie zuvor. Sie hatten ihn betrogen und er hatte nichts bemerkt. „Ich hätte es kommen sehen müssen.“ Er war oft zu Besuch bei ihnen gewesen, zu oft, auch wenn Julius nicht daheim gewesen war.


    Für einen Moment noch hielt Julius inne, dann verwarf er die Gedanken an seine Vergangenheit. Heute hatte er sich ein Festmahl zubereitet, ein einzigartiges Erlebnis, daß er in vollen Zügen genießen würde. Gekonnt richtete er sich die Suppe in einer Schale aus gutem Porzellan an und streute noch etwas Petersilie darüber, während er eine Warmhaltehaube über Fleisch und Soße des Hauptgangs legte. „Er hätte mich nicht betrügen dürfen, er war doch mein bester Freund.“


    Ein kurzes Zögern, dann nahm er den ersten Löffel der Suppe zu sich. Es fehlte ihr immer noch etwas an Salz, offenbar brauchte die Leber, die er als Basis verwendet hatte, mehr Salz wie gewöhnliches Fleisch. Dennoch war es eine vorzügliche Suppe, und Julius genoß jeden einzelnen Löffel. Dann servierte er sich den Hauptgang und gab etwas von der blutroten Soße über die Fleischscheiben. Der süßliche Duft liess ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen und so schnitt er sich schnell das erste Stück mundgerecht zu. Es war überraschend zart und harmonisierte hervorragend mit den scharfen Chilis.


    „Er hätte mich nicht betrügen dürfen, niemals.“ Langsam wanderten seine Gedanken wieder zu jenen glücklicheren Tagen, während er weiter seinen besten Freund verspeiste.