Paul Auster - Unsichtbar

  • Titel: Unsichtbar
    OT: Invisible
    Autor: Paul Auster
    Übersetzt aus dem Englischen von: Werner Schmitz
    Verlag: Rowohlt
    Erschienen als TB: Januar 2012
    Seitenzahl: 320
    ISBN-10: 3499252570
    ISBN-13: 978-3499252570
    Preis: 9.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    New York, 1967: Adam Walker will Dichter werden. Als ihm ein reicher Franzose namens Rudolf Born auf einer Party Geld zur Gründung einer Literaturzeitschrift anbietet, hält er das zunächst für einen Scherz. Einige Tage später kommt ein Scheck. Doch wie sich bald herausstellen wird, geht der eifersüchtige und jähzornige Born über Leichen.


    Der Autor:
    Paul Auster , geb. 1947 in Newark, New Jersey, als Nachkomme eingewanderter österreichischer Juden. Er studierte Anglistik und vergleichende Literaturwissenschaft an der Columbia University New York (B.A. und M.A.) und fuhr danach als Matrose auf einem Öltanker zur See.


    Meine Meinung:
    Beim Lesen dieses Buches war ich immer in Versuchung, es zuzuklappen um es dann wegzulegen - auf Dauer wegzulegen. Denn dieses Buch hat mich unglaublich aufgewühlt; etwas das ich schon seit undenklichen Zeiten nicht mehr erlebt hatte. Herzschlagsbeschleunigung mit einhergehender Atemnot kann nur äußert grob skizzieren wie ich mich beim Lesen dieses Buches gefühlt habe. Es ist manchmal fast erschreckend gewesen, mit welcher Intensität und Tiefe es Paul Auster schafft Gefühle zu beschreiben. Und er beschreibt die Gefühle so, dass man als Leser meinen könnte, es wären nicht die Gefühle der Protagonisten, nein, es seien die eigenen Gefühle, die eigenen Empfindungen gewesen die hier von diesem Autor beschrieben wurden.
    Die handelnden Personen wirken unglaublich lebensecht, authentisch und als Leser muss man sich immer wieder sagen, dass es sich um Romanfiguren handelt, oder vielleicht ja auch nicht - wer weiß.
    Die Grundstimmung dieses Buches ist eher melancholisch, ohne dabei aber irgendwie abgefuckt sentimental zu sein.
    Bestechend auch die Intensität mit der Paul Auster erzählt. Gerade die Passage, als er über die (vermeintliche?) Liason zwischen den Geschwistern Gwyn und Adam schreibt, ist an Intensität und Tiefe kaum zu überbieten. Das Verhältnis der beiden Geschwister zueinander wird ohne falschen Zungenschlag beschrieben und ist sicher nichts für Leser die ihren Voyeurismus ausleben wollen. Die sollten sich andere Bücher suchen.
    Das Buch spielt teilweise in der heutigen Zeit, aber die Basis dieser Geschichte ist das Jahr 1967, und dort spielt auch der grösste Teil dieses Romans.
    Dieses Buch hätte es verdient, ein zweites, ein drittes oder sogar ein viertes Mal gelesen zu werden - nur ich war schon beim ersten Mal fast überfordert. Eines der Bücher die zur Reise in die eigene Vergangenheit einladen, eine Vergangenheit die oft nur in der Rückschau verklärt gesehen wird, die aber bei intensivem Zurückdenken nichts von ihren damaligen Realitäten verloren hat. Und nun sitze ich hier und überlege ob es nicht besser gewesen wäre, dieses Buch nie gelesen zu haben - oder ob es nicht vielleicht auch gut war, mal wieder die eigene Gefühlswelt in voller Stärke zu erleben.
    Eine unbedingte Leseempfehlung von mir. Nur, 10 Punkte sind eindeutig zu wenig für dieses Buch.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

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  • Paul Auster ist ein Magier, die Reinkarnation Kafkas. Das Buch der Illusionen ist mein Lieblingsbuch. Ich werde Invisible auf jeden Fall lesen. Danke Voltaire!

  • Das Buch liegt leider schon geraume Zeit auf meinem SuB, es hat sich einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür ergeben. Schön, dass es dich emotional so gepackt hat! Ich hoffe auf ein ähnliches Erlebnis und schaue mal, ob ich nach der Beendigung von "Natürliche Mängel" von Thomas Pynchon Lust darauf habe. Danke für die Rezension, Voltaire! :wave

  • @ Voltaire
    tolle Rezi!


    "Unsichtbar" hatte ich als Hörbuch gehört und war wieder erwarten vollkommen begeistert und vor allem fasziniert. Dennoch habe ich seither keinen weiteren Auster gehört oder gelesen. Das sollte ich vielleicht ändern...

  • Ich war nie in Versuchung, dieses Buch auf Dauer wegzulegen, ganz im Gegenteil: jede Unterbrechung, die ich aus Zeitgründen machen mußte, störte mich ungemein. Wie Paul Auster seine Figuren zeichnet, ist schon beeindruckend; was mich aber wirklich umgehauen hat an diesem Roman sind die sprachliche Brillanz und die geschickten Perspektivenwechsel.
    Auch wenn mir seine Bücher inhaltlich nicht immer zu 100 Prozent zusagen: stilistisch gehört Auster zu den Besten.
    Was nicht heißen soll, daß mir im vorliegenden Fall der Inhalt nicht gefallen hätte, "Unsichtbar" ist toll konstruiert, mit interessanten Figuren und erstaunlichen Wendungen, fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite.
    10 Punkte

  • Adam Walker ist jung, unbedarft und überaus ehrgeizig, als er den Schweizer Born kennenlernt. Bereits in der ersten Stunde ihrer Begegnung ahnt Walker, dass er sich von dem Mann besser fernhalten sollte. Born wirkte "geistreich, exzentrisch, unberechenbar". Hätte der Literaturstudent nicht sofort an Borns Selbstdarstellung zweifeln müssen? Die Beziehung spätestens auf Sparflamme setzen sollen, als er Borns Verhalten gegenüber dessen Lebensgefährtin Margot miterlebt? Doch Born will als Investor eine Literaturzeitschrift finanzieren, die Walker für ein großzügiges Gehalt leiten soll. Begierig auf Borns Zeitschriftenprojekt und Margot verfallen, lässt Adam dem gesunden Menschenverstand keine Chance.


    Vierzig Jahre später hält Adams Jugendfreund Jim genau diese Geschichte von Manipulation und Obsession als unvollendetes Romanmanuskript Adam Walkers in der Hand. Der Text besteht aus drei Teilen, einem in Ichform geschriebenen, einem Selbstgespräch Adams in Du-Form und einem unvollendeten Teil, den Jim ergänzen und abgleichen kann mit Erinnerungen Dritter an die Beziehung zwischen Adam, Born und Margot.


    Austers Roman wirkt durch Borns latente Gewalttätigkeit und seinen Zwang andere zu manipulieren zunächst düster und abstoßend. Über Typen wie Born möchte ich am liebsten nichts erfahren. Auster erzeugt mit seiner Schilderung Adams als Opfer von Manipulation und in zerstörerische Beziehungen verstrickt eine beunruhigende Kombination aus Abstoßung und Faszination. Adams Geschichte verändert sich beim Lesen des Textes für Jim und auch für die Leser vom anscheinend Erlebten zunehmend zum Manuskript. Zweifel an den Ereignissen sind nun möglich, man kann sich selbst wieder von den Verstrickungen distanzieren. Neben dem Gedanken an Verantwortung, die Hinterbliebene für einen Nachlass tragen, bleibt bei mir Bewunderung für die kunstvolle Konstruktion der Handlung um ein verstörendes Manuskript herum.


    9 von 10 Punkten

  • Vielen Dank Buchdoktor, dass du diesen Thread hochgeholt hast mit deiner Rezi. Der Roman passt sehr gut zu meinem derzeitigen Leseschema mit den schwierigen, gefährlichen Protagonisten.


    Auch wenn ich sagen muss, dass mich Voltaires Beschreibung seiner Leseeindrücke beinahe ängstlich macht. *schluck* Augen zu und durch, das muss ich lesen. :wave

  • Darf man das Buch eines so großen Autors langweilig finden? Erteilt man sich damit nicht selbst die rote Karte bezüglich literarischen Anspruchs? Egal, so ist es nun mal.


    Das Erzählkonstrukt ist wieder einmal genial. Ein Autor, der über einen Autor schreibt, der wiederum die Geschichte eines anderen Autors erzählt. Ein Spiel mit Perspektiven, mit Wahrscheinlichkeit und Wahrheit. Das hat mir sehr gut gefallen. Ebenso die Wechsel in den Erzählperspektiven, besonders den Kniff, die inzestuöse Geschichte den Beteiligten Ich-Erzähler (Adam) in der zweiten Person Singular erzählen zu lassen. Großes Kino.


    Trotz allem blieben mir sämtliche Figuren fern. Emotional hat mich gar nichts angesprochen. Ebenso kam die eingangs bereits erwähnte Langeweile auf. Da mich die Figuren nicht sonderlich interessierten, war mir ihr Schicksal ebenfalls relativ gleichgültig. Ich habe das Buch trotzdem fertig gelesen, in der Hoffnung, durch einen genialen Schluss im Rückblick das große Ganze erst richtig zu sehen.


    Doch der Schluss hat mich ebenfalls enttäuscht. Zurück bleibt die Frage, was der Autor mit diesem Roman bezwecken wollte. Es hat sich mir nicht erschlossen. Ich bleibe unbefriedigt und etwas ratlos zurück.


    6 von 10 Eulenpunkten