Den Vater töten - Amélie Nothomb
ISBN: 3257068182
Verlag: Diogenes Verlag
Erscheinungsjahr: 2012
Seitenzahl: 128
Übersetzer: Brigitte Große
Über die Schriftstellerin:
Amélie Nothomb, Tochter belgischer Eltern, wurde 1967 in Kobe (Japan) geboren.
Als Diplomatentochter kam sie in der Welt, insbesondere in Asien, herum.
Nach einem Studium der Philologie in Brüssel arbeitete sie in einem japanischen Großkonzern, gab diese Arbeit allerdings zugunsten des Schreibens auf.
Für ihre schriftstellerische Arbeit wurde sie mit dem "Grand Prix du Roman" und dem "Prix de Flore" ausgezeichnet.
Ihre Bücher sind in verschiedene Sprachen übersetzt worden, u.a. ins Japanische, mit der sich Amélie Nothomb besonders verbunden fühlt.
Für den deutschsprachigen Raum erscheinen ihre Bücher beim Diogenes Verlag.
Über den Inhalt:
Der junge Trickkünstler Joe Whip verlässt mit fünfzehn Jahren seine Mutter und steht nun auf eigenen Beinen. Als sein Talent fürs Kartenspiel entdeckt wird, ist es der Magier Norman, der mit seiner Freundin Christina Joe nicht nur ein Zuhause, sondern auch eine Ausbildung gibt. Als Joe sich in die zehn Jahre ältere Feuertänzerin Christina verliebt, kommt es beim Burning Man - einer Veranstaltung in der Wüste Nevadas - zu einer offenen Konfrontation zwischen Joe und Norman.
Meine Meinung:
Amélie Nothomb, die mittlerweile als feste literarische Größe im Diogenes Verlag betrachtet werden darf, hat in ihrem aktuellen Buch eine Vater-Sohn-Beziehung in den Mittelpunkt ihrer Geschichte gestellt.
Der fünfzehnjährige Joe schließt mit seiner alleinerziehenden Mutter einen Deal: Sie gibt ihm monatlich 1000 Dollar, damit er ihrem Glück mit einem anderen Mann nicht mehr im Wege steht. Der Junge, der nichts anderes als Kartentricks beherrscht, nimmt das Geld und geht. Als sein Talent entdeckt wird, hört er auf den Rat eines Fremden, eine Ausbildung beim größten Magier aller Zeiten zu beginnen und lernt Norman kennen. Norman, der es in der Branche zu einem Namen gebracht hat, und seine Freundin Christina nehmen den talentierten und störrischen Jungen widerwillig auf.
Amélie Nothomb, deren Romane in der Vergangenheit von der Kritik als spannend, böswillig und zuweilen elegant bezeichent wurden, stellt in ihrem neuen Buch neben der Beziehung von Joe und Norman die magischen Künste ins Zentrum ihrer Handlung. Neben dem Kartenspiel, in dem Joe nur die Macht und das schnelle Geld des nahegelegenen Reno sieht, ist es Norman, der als älterer und erfahrener Magier Joe davon überzeugen will, dass ein Ruhm als Zauberer auch auf ehrlichem Wege zu erreichen ist. Der fünfzehn Jahre alte Junge, der sich auf der Schwelle zum erwachsen werden befindet, ist von den Ideen seines Ziehvaters nur wenig begeistert, zweifelt und begehrt auf. Dem bodenständigen Norman stellt Amélie Nothomb die schillernde Figur der Christina gegenüber, die nicht nur attraktiv und Joe zugetan ist, sondern auch als Feuertänzerin arbeitet. Tag für Tag übt sie mit Attrappen für ein einmalig stattfindendes Feuerspektakel in der Wüste Nevadas - dem Burning Man.
Aus dieser Konstellation folgt zwangsläufig, dass Joe sich in Christina verlieben muss.
Amélie Nothomb versteht es, der Welt der Karten und Feuerkegel Magie zu verleihen und den Leser in die Welt des schönen Scheins einzubinden. Weniger gelungen ist die Darstellung der Figur des Joe, der anfänglich als naiv und geldgierig dargestellt wird und seine ganz eigene Pubertät durchlebt. Seine Schwärmereien für die ältere Christina sind typisch für die eines Heranwachsenden, der sich zum ersten Mal verliebt.
Wie in früheren Romanen schafft es die Schriftstellerin, eine gekonnte Dramatik aufzubauen und die spannungsgeladene Situation zwischen den Widersachern eskalieren zu lassen, allerdings mit einem wenig überzeugenden Schluss, der die Entwicklung von Joe und Norman als konstruiert und verbogen erscheinen lässt.
Überhaupt bleibt Nothomb in "Den Vater töten" weit hinter den Erwartungen zurück. Sprachlich wenig ambitioniert, dafür mit einem plakativen Titel schafft es die belgische Schriftstellerin nicht, an frühere Erfolge wie "Quecksilber" oder "Der japanische Verlobte" anzuknüpfen und ihre raffiniert gesponnenen Geschichten mit ihrer hinlänglich bewiesenen Sprachakrobatik zu verbinden.
So bleibt Amélie Nothomb in "Den Vater töten" zwar ihrer Idee treu, das Böse in der menschlichen Psyche zu suchen und zu verarbeiten, greift dabei jedoch auf Stereotypen zurück, wenn sie beispielsweise Joes Verschlagenheit auf eine unglückliche Kindheit und eine einfache Mutter zurückführt oder Norman Ratschläge im Umgang mit Frauen erteilen lässt.
Insgesamt bleibt "Den Vater töten" eine typische Nothombsche Geschichte, die zwar eine raffinierte Vater-Sohn-Beziehung entwickelt, allerdings wenig originell endet und den eingeschworenen Leser mit dem Wunsch schließen lässt, dass Schriftstellerin und Verlag sich wieder auf Qualität besinnen und dem Druck widerstehen, im Jahresrhythmus eine Neuveröffentlichung auf den Markt zu bringen.