Schauergeschichten aus dem Schlund des Tunnels - Chris Priestley (ab ca. 13-14 Jahren)

  • Anmerkung: Ich habe die englische Originalausgabe gelesen.


    Seiten: 280
    Originaltitel: Tales of Terror from the Tunnel’s Mouth
    Übersetzung aus dem Englischen: Beatrice Howeg


    Beschreibung:
    Robert ist nicht gerade traurig, dass die Ferien zu Ende sind und er das Haus seines Vaters und seiner unsympathischen Stiefmutter hinter sich lassen und wieder in sein Internat fahren kann. Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass die erste Zugfahrt seines Lebens, die er ganz alleine unternimmt, so schnell so unheimlich werden würde. Denn plötzlich bleibt der Zug vor einem dunklen Tunnel stehen.
    Die anderen Reisenden in seinem Abteil scheinen alle merkwürdig tief zu schlafen. Nur eine Dame in Weiß ist wach. Um sich und Robert die Wartezeit zu verkürzen, fängt sie an, Geschichten zu erzählen. Aber es sind keine Geschichten, die man normalerweise Kindern erzählen würde.


    Autor:
    Chris Priestley ist Autor, Illustrator, Maler und Cartoonist. Seit er ein Teenager war, liebt er Grusel- und Geistergeschichten. Er hat bereits mehrere Kinderbücher veröffentlicht und lebt in Cambridge.


    Illustrator:
    David Roberts ist ein preisgekrönter Illustrator, der bereits mit vielen Autoren - u.a. Georgia Byng - zusammengearbeitet hat. David Roberts lebt in London.


    Meine Rezension:
    Auch in seiner dritten Kurzgeschichtensammlung bietet uns Chris Priestley wieder eine Menge an unwirklichen, gruseligen und grausigen Dingen. Neun Kurzgeschichten, eingebettet in die zehnte, die Rahmenhandlung um den Schüler Robert, der im liegengebliebenen Zug sitzt und sich von einer Dame in Weiß Geschichten erzählen lässt. Geschichten die ihn zwar einerseits faszinieren, auf der anderen Seite aber auch erschrecken. Natürlich kann er das gegenüber der Erzählerin, immerhin eine Frau!, nicht zugeben, und so redet sie immer weiter, während die Zeit verrinnt.


    Sie erzählt von Gewächshäusern, Inseln im Gerstenfeld, Gouvernanten, Nonnen, mysteriösen Steinen und Rissen in Wänden. Die Kurzgeschichten ähneln wieder eher denen aus Onkel Montague, haben also kein großes gemeinsames Thema wie die Geschichten vom Schwarzen Schiff, außer natürlich dem, dass die meisten Protagonisten ein nicht ganz so schönes Ende finden.
    Auch hier gibt es übrigens wieder eine kleine Referenz zu Onkel Montague, so dass einem bewusst gemacht wird, dass alle drei „Schauergeschichten“-Bücher in der gleichen Welt spielen.


    Ich mag Chris Priestleys Schreibstil sehr gern. Er schafft durch seine Wortwahl und Ausdrucksweise eine ganz eigene Atmosphäre die äußerst treffend das viktorianische Setting unterstützt, in dem seine Geschichten spielen. Da ich das englische Original gelesen habe, kann ich leider nicht beurteilen, inwiefern die deutsche Übersetzung dem gerecht wird.
    Das Buch ist wieder von David Roberts illustriert, dessen schwarz-weiße Vignetten und ganzseitige Bilder sorgsam gewählte Momente und Objekte der Geschichten darstellen und so sehr zum subtilen Schauder beitragen. Allein die Vignette zu „Schwester Veronica“ hat mir schon die Gänsehaut über den Rücken gejagt. Als ob jemand Edvard Munchs Schrei in eine Nonnenkluft gesteckt hätte.


    Erstmals sind nicht nur Kinder und Jugendliche die „Helden“ von Chris Priestleys Geschichten, es gibt nun auch ein paar junge Erwachsene im Berufsleben denen gräuliches widerfährt. Das Niveau der Geschichten ist unterschiedlich. Bei wenigen ahnt man schon früh worauf es hinaufläuft, bei manch anderen ist die Schilderung der Ereignisse während der Handlung grusliger, als das eigentliche Ende (für mich z.B. bei „Gerald“ und „Der Riss in der Wand“), was aber letzten Endes die Gesamtstimmung nicht trübt. Und dann gibt es da die Meistergeschichten, wo einen das bekannte wohlige Grausen überkommt. Das waren für mich „Das Gewächshaus“ und „Schwester Veronica“.


    Fazit: Der bisher letzte Schauergeschichtenband steht für mich qualitativ ungefähr zwischen dem meiner Meinung nach besten Band Onkel Montague und dem etwas schwächeren Schwarzen Schiff. Es gibt wieder viele grauslige und gruslige Details mit denen Chris Priestley sein Publikum unterhält und erschreckt. Nicht umsonst steht auf der englischen Ausgabe eine Warnung für jüngere Leser. Ich würde mir sehr wünschen, dass diese Reihe noch weitere Fortsetzungen erhält.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Hallo Paradise Lost,


    Dein Nick deutet ja schon darauf hin, dass Du gerne englische Originale liest, gell? :-) "Paradise Lost" mussten wir uns in den ersten Semestern schon antun.


    Wie dem auch sei, Deiner Rezension kann ich in fast allen Punkten zustimmen. Ich fand BEIDE ersten Bände, also den "Uncle Montague" und "Tales of Terror from the Black Ship" gleich gut. Nur diesen dritten ein wenig schwächer. Mir hat bei diesem dritten Band das "vereinende Moment" gefehlt. Im ersten Band war das ja Onkel Montagues Kaminzimmer, und die seltsamen Gegenstände, die sich darin befanden. Im zweiten Band war es halt das Seefahrer-Setting, und allesamt waren sie Seefahrer-Geschichten. Hier, im dritten Band, geht es ja ein wenig, nun ja, "bunter" zu. Allerdings fand ich es einen netten Einfall, die geheimnisvolle Dame ausgerechnet "Woman in White" zu nennen, was ja, wie der Autor selber zugibt, eine bewusste Anspielung auf den Großmeister des Grusels, Wilkie Collins, ist.


    Ich habe übrigens auch die englische Ausgabe gelesen - und zwar als E-Book auf dem Kindle. Die Kindle-Ausgaben sind übrigens auch auf Englisch sehr günstig zu bekommen! :-)

  • rumble-bee
    Ja, ich lese recht gern ab und an im Original. Allerdings hab ich ausgerechnet "Das verlorene Paradies" auf deutsch gelesen, das war mir auf englisch dann etwas zu heftig. :lache


    Wie ist das mit den Bildern, kommen die auf dem Kindle richtig gut rüber oder gibt's da Probleme?

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda