Welche nette Abwechslung, die mir da Ende Februar ins Haus flatterte. Ein kleiner (da wusste ich noch nicht, ob’s auch ein feiner wird) Krimi aus dem Hause Knaur. Mit 256 Seiten wirklich übersichtlich und daher musste das Buch auch nicht lange auf dem SuB ausharren. Umso mehr muss ich mich jetzt schämen, dass die Rezension so lange hat auf sich warten lassen…
Passend zum Cover kommt das ganze Buch recht düster daher. Ein Nordseeheilbad im Sommer, in dem Petrus nicht wirklich gut gelaunt gewesen zu sein schien. Denn es regnete und nieselte sich ganze 253 Seiten (abzgl. Prolog) regelrecht ein. Der Prolog, ja, der war auch sowas. Grade mal 3 Seiten kurz, aber danach blieb mir als armer Leserin gar nichts anderes übrig als WEITERLESEN.
Tatort ist Spiekeroog. Heilbad und Inseltraum im Wattenmeer. Autos sind tabu und jeder kennt mehr oder weniger jeden. Schon alleine letzteres macht die Sache für mich ein bisschen “unidyllisch”. Die Polizeihauptwache besteht aus dem Dorfpolizisten Revierleiter Herrlich [der das auch nur macht, weil er strafversetzt wurde] und der guten Seele Johanssen, der freiwillig ein bisschen aushilft, weil er sich sonst nicht gebraucht fühlt. Irgendwie traurig. Beide.
Dass die Insulaner wie jede andere eingeschworene Gemeinde Neuen gegenüber ein bisschen zurückhaltend und misstrauisch sind, merkt man spätestens dann, als Thomas Berg auf den Plan tritt. Seines Zeichens Kommissar aus Berlin und ziemlich kaputt [man könnte meinen, das Eine ergibt sich aus dem Anderen, hat aber andere Gründe, wie ich als Leserin später im Buch erfahre]. Das wird auch nicht besser, indem man ihm von vornherein klar macht, dass man ihn auf der Insel ja eigentlich gar nicht haben will.
Richtig unidyllisch wird’s aber erst, als die erste Leiche auf der Insel gefunden wird. Natürlich war’s keiner. Und wenn’s schon einer war, dann definitiv keiner von der Insel; ist ja mal klar! Es ist was faul auf der Insel Spiekeroog und so ergibt Eins das Andere.
Als der gute Herr Herrlich plötzlich seine Siebensachen packt, weil er nicht mehr den Alleinherrscher spielen darf, wird eine Delegation von Kripobeamten vom Festland auf die Insel entsandt und jetzt geht der Spaß erst richtig los. Freda Althus, die toughe Leiterin des Teams, beginnt, zusammen mit Berg zu ermitteln und deckt mehr als ein gut gehütetes Inselgeheimnis auf.
Um eins vorweg zu nehmen: ich habe schon längere Zeit keinen Krimi mehr gelesen. Meist ging es doch so in die Richtung Thriller, bei denen die Ermittlungs- und Aufklärungsarbeit meist von psychisch Kranken und herausfallenden Gedärmen etwas in den Hintergrund gerückt wurden. Seit Friesensturm weiß ich: das muss sich ändern! Es macht mir einfach viel zu viel Spaß, mitzuraten und zu -knobeln, kurz vom Glauben abzufallen um dann munter weiter zu verdächtigen. Von daher heißt es für die Zukunft unbedingt mehr Krimis lesen - für Tipps bin ich natürlich jederzeit dankbar!
Jetzt aber mal zu meinem Eindruck: Die Protagonisten waren allesamt sehr authentisch und lebensecht. Frau hat ja doch das ein oder andere Vorurteil und gerade Insulaner sind dafür bekannt, nicht unbedingt die “Offensten” gegenüber Fremden zu sein. Danke an Birgit Böckli, die dieses Klischee voll und ganz bedient hat – einfach nur herrlich(da war der Name absolut Programm)!. Die Ermittler waren dem Himmel sei Dank keine Superbullen, sondern Menschen wie Du und ich (also mehr oder weniger), mit alltäglichen als auch weniger alltäglichen Problemen. Besonders Thomas Berg hat bis dato ein recht bewegtes Leben und die Schatten der Vergangenheit drohen ihn in der Einsamkeit der Insel einzuholen (na, wie klang das? ).
Auch die Kulisse war super gewählt. Ich hatte durch meinen Urlaub an der Nordsee noch so ein bisschen die Umgebung im Kopf und mit samt dem Regen und den ausgestorbenen Strandbädern konnte ich mir die Einöde auf dem Eiland sehr gut vorstellen. Auch der Fall an sich war gut konstruiert und grub ganz nebenbei – wie bereits erwähnt – die eine oder andere Leiche, die es sich in den Spiekerooger Kellern gemütlich gemacht hatte und schon längst vergessen war, aus.
Doch bei der Auflösung, da hat mich die liebe Frau Böckli ein bisschen, wie sag ich das jetzt, miss gestimmt. Ja, das trifft es, denke ich mal am besten. Der Ansatz war recht gut (wenn auch ein bisschen offensichtlich, aber das kann auch daran liegen, dass ich solch eine gewiefte Ermittlerin bin ); aber was danach kam, war… nein, das war nicht schön. In meinen Augen sowohl unrealistisch als auch unpassend. Ein fieser Pickel mitten auf der Stirn vorm 1. Date. Eine dicke Blase an den Füßen, obwohl man noch die ganze Nacht weiter tanzen möchte. Kurzum: das hat’s mir ein bisschen verdorben.
Nichtsdestotrotz (ich weiß, das Wort gibt’s eigentlich gar nicht) ein spannender Krimi mit charakterstarken Protagonisten und einer tollen Atmosphäre, der regelrecht nach weiteren Teilen des Ermittlerduos Berg/Althus schreit. Dann aber bitte mit einem g’scheiten Ende, Frau Böckli!