Alexandra Tobor - Sitzen vier Polen im Auto

  • Taschenbuch: 272 Seiten
    Verlag: Ullstein Taschenbuch (8. Juni 2012)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3548283748
    ISBN-13: 978-3548283746


    Kurzbeschreibung
    Als die achtjährige Alexandra 1989 mit ihrer Familie im polnischen Fiat nach Deutschland flieht, kennt sie das verheißungsvolle Land im Westen nur aus dem Quelle-Katalog ihrer Oma. Hinter der Grenze warten paradiesische Verhältnisse, aber auch viele ungelöste Rätsel: Wie kommt es, dass alle Städte „Ausfahrt“ heißen? Was bringt deutsche Frauen dazu, freiwillig Hosen zu tragen? Und warum haben Wurstscheiben ein Bärengesicht? Humorvoll und einfühlsam erzählt Alexandra Tobor die abenteuerliche Geschichte ihrer Familie, die versucht, in Deutschland Fuß zu fassen.


    Zur Transparenz: Ullstein ist auch mein Verlag, aber ich lege Euch dieses Buch wegen des Buches selbst - und wegen der Autorin ans Herz.


    Hier meine Rezension:
    Ich hätte mir für dieses Buch einen anderen Titel gewünscht. Dringend. Denn dieser wird dem Inhalt nicht annähernd gerecht. Ich nenne es fürderhin schlicht “Fiat Polski”, denn der Wagen spielt eine nicht unwesentliche Rolle in der Geschichte, und ist Vehikel, Fluchtfahrzeug, Stigma und Heimat in einem.


    Der Ullsteinverlag hat in seinem Taschenbuchprogramm, und dort in seiner Länderhumorreihe, ein Kleinod versteckt. Wenn man an den richtigen Stellen reibt, fängt es an zu leuchten und zu strahlen und verdächtig zu glitzern. Manchmal ist es vor Lachen wegen der unfassbaren Ogórkowa (“Lux!”), und manchmal sind es die Tränen der kleinen Ola.


    Ola, eigentlich Aleksandra, hat mit acht Jahren (im Fiat Polski) ihre Heimat Polen verlassen, weil es davor eine Taufe gegeben hatte, zu der der Taufpate nicht erschienen ist, weil er rausgefahren ist und den senfgelben Fiat ein paar Wochen später an Olas Familie vermacht hat. Den Onkel muss man nun besuchen, im geheimnisvollen BRD, und natürlich nur für 14 Tage bleiben.


    Es wird für immer sein.


    Zum ersten Mal mit den Tränen kämpfen musste ich an dieser Stelle: Am ersten Schultag raubt der verhaltensauffälligste Junge den Ola je gesehen hat, ihr genau den Marsriegel, den sie soeben erst von der Lehrerin bekommen hat. Sie sagt zu diesem Jungen den einzigen deutschen Satz, den sie kann: “Ich habe kein Geld.” Und er? Er gibt ihr den Riegel nach der Schule wieder zurück, ziemlich zerknautscht und sagt “ich habe auch kein Geld.”


    Es ist der Beginn einer Geschichte, die ich nicht verraten will, nicht die letzte Stelle, an der die Tränen kamen. Und es ist eine der Szenen, in der das Erzähltalent von Alexandra Tobor in aller Deutlichkeit zum Vorschein kommt. So viele Stellen, an denen es schimmert und feine Bilder eingewebt sind in die Berichte vom neuen Alltag in jenem Paradies, das am Anfang der Geschichte, im Quellekatalog in Omas Keller in Polen noch so verheißungsvoll ausgesehen hatte.


    Ich empfehle das Buch ausnahmslos jedem.

  • Die 6jährige Ola lebt in Polen. Im Jahr 1986 findet sie im Keller ihrer Oma einen Quelle-Katalog, der sie an ein Paradies glauben lässt. Als sie schließlich erfährt, dass es all diese Dinge in einem Land gibt, das BRD heißt, hat sie nur noch einen Wunsch: Sie will dorthin. Als die Familie 1989 tatsächlich aus Polen dorthin auswandert, merkt sie allerdings schnell, dass die Wirklichkeit nicht immer ihrer Vorstellung entspricht.


    Die Autorin schreibt über das Thema voller Humor und Selbstironie aus der Sicht eines Kindes. Die naive Sicht macht es möglich, sowohl das Leben im Herkunftsland als auch das nach der Migration Erlebte mit allen Schwierigkeiten, die einer neu eingereisten Familie in Deutschland begegnen, völlig unbelastet zu beschreiben. Alexandra Tobor, die selbst als Kind von Polen nach Deutschland kam, benutzt dabei eine wunderbar humorvolle Sprache mit herrlichen Vergleichen, so saust z. B. eine unangenehme Landsmännin „wie ein zerstörerischer Sturm“ durch den Kopf von Olas Mutter. Auch die Charakterbeschreibungen sind herrlich und zeugen von einer großen Beobachtungsgabe.


    Ein Buch, das vielen einen Spiegel vorhält und auch zum Nachdenken anregt. Insgesamt ein wunderbares, humorvolles Buch, das ich wirklich jedem empfehlen kann. Ein Folgeband ist geplant.


    Sehr empfehlen kann ich auch das „Betreute Lesen“, das die Autorin zum Buch anbietet: Den ersten Beitrag dazu findet man hier: http://silenttiffy.de/2012/07/…im-fiat-polski-premiere/.


    Von mir volle Punktzahl

  • Mir hat das Buch auch gut gefallen, es gab einige Stellen, an denen ich laut lachen musste, andere, die ich traurig fand oder die mich nachdenklich machten.
    Ein empfehlenswerter Roman.

  • Dieses Buch ist absolut großartig! Ich wäre ja nie darauf aufmerksam geworden, hätten nicht von mir sehr geschätzte Blogger das Buch in höchsten Tönen gelobt. Denn der Humor, der sich auf dem Titel des Buches widerspiegelt, ist nicht meiner. Alexandra Tobors Humor ist es glücklicherweise ebenfalls nicht. Ich finde es sehr schade, dass der Verlag den Leser mit dieser Covergestaltung in die Irre leitet und hoffe, dass sich nicht allzuviele Leute davon abschrecken lassen.


    Das Buch hat mich berührt, weil ich mich selbst sehr gut an die "Mitgrantenflut" der 80er und 90er erinnern kann. In unserem Dorf wurden sehr viele Flüchtlingsfamilien untergebracht, und mit einigen der Kinder habe ich damals auch gespielt. Wie sie sich fühlten, wusste ich allerdings nicht. Das wiederum beschreibt Alexandra Tobor sehr gut. Ich kann mich in die kleine Ola, ihre Protagonistin, wunderbar hineinversetzen. Alexandra Tobor schreibt so lebendig, dass man direkt mitten im Geschehen ist.


    Über den Inhalt will ich nicht allzuviel sagen, das kann die Autorin viel besser. Deshalb kommt von mir nur eine ausdrückliche Empfehlung. Lasst euch vom Titel nicht abschrecken! :)

  • Ich habe es mir gerade wegen des Titels gekauft, weil er ausgefallen ist und ich mir vorstellen konnte einen doch lustigen Roman zu erwerben.


    Die Geschichte der kleinen Ola war lustig, nachdenklich und auch an einigen Stellen etwas traurig.


    Ich kann mir wirklich vorstellen,dass es Kindern von ausländischen Einwanderern so ergeht, man kann hier in die Seele der kleinen Ola schauen und mir ihr fühlen.


    Mir hat der Roman sehr gut gefallen.