Kurzbeschreibung:
Ein gewisser Bernhard Bagnall ist ermordet worden, Umstände und Motiv der Tat liegen noch im Dunkel. In seinem an den Advokaten gerichteten Schreiben steht der Täter, selbst ein forensisch erfahrener Jurist, durchaus zu seiner Tat, versucht seinem Anwaltskollegen aber klarzumachen, daß dieser Mord weder strafrechtlich noch moralisch als Mord zu werten ist. Es handelt sich um eine völlig logische Operation, vergleichbar einem napoleonischen Feldzug im Kleinformat. Wenn niemand dem strategischen Spieler Napoleon übelnimmt, daß er Hunderttausende seiner Soldaten sinnlos in den Tod geschickt hat, mit welchem Recht will man ihm, argumentiert der Spieler, aus dem Tod eines einzigen Menschen einen Strick drehen? Lothar Baier, Süddeutsche Zeitung
Über den Autor:
Christoph Hein wurde am 8. April 1944 in Heinzendorf/Schlesien geboren. Nach Kriegsende zog die Familie nach Bad Düben bei Leipzig, wo Hein aufwuchs. 1967 studierte an der Universität Leipzig Philosophie und Logik und schloss sein Studium 1971 an der Humboldt Universität Berlin ab. Von 1974 bis 1979 arbeitete Hein als Hausautor an der Volksbühne Berlin. Der Durchbruch gelang ihm mit seinem Prosadebüt Einladung zum Lever Bourgeoise. 2008 wurde Hein mit dem Walter-Hasenclever-Literaturpreis der Stadt Aachen ausgezeichnet.
Meine Rezension:
In dieser Novelle in Briefform des Juristen Wörle an seinen Verteidiger versucht er diesem zu erklären, warum es sich bei dem ihm zur Last gelegten Mord um eine "unerlässliche Tötung" handelt. Der Angeklagte vertraut seinem Anwalt sein Motiv an, das vor keinem Gericht Bestand haben wird, aber dem Anwalt als Hintergrundinformation dienen soll, auf der er letztlich - auf welche Weise auch immer - die Verteidigung seines Mandanten aufbauen soll. Wörle holt hierfür weit aus, erzählt von seiner Kindheit und wie er schon in frühen Jahren entdeckte, dass er eine Spieler-Natur ist. Eine von der Art, die die Herausforderung sucht und von dem Spiel an sich magisch angezogen wird. Nicht der Gewinn ist es, der ihn lockt, sondern der Weg dorthin. Mit zahlreichen Beispielen aus seinem eigenen Leben und der Geschichte (hier vor allem der titelgebende Napoleon) zeigt Wörle die Missstände der Gesellschaft, des Rechtssystems und der Verflechtung von Politik und Wirtschaft auf, die zwar nicht juristisch, aber durchaus moralisch zu beanstanden sind. Auch wenn seine Erklärungen stets logisch durchdacht und in ihrer Konsequenz nachvollziehbar sind, sind sie nahezu frei jeder Emotion - und dieses Stück Menschlichkeit fehlt, um sich mit dem Erzähler vollständig zu identifizieren. Unabhängig davon hat Hein einen zwar distanzierten, aber doch mitreißenden Erzählstil, der den Leser zwingt, im Erzählten zu bleiben und das Geschriebene zu reflektieren.
Dafür gibt es von mir 8 Punkte!