Anja Hilscher, Imageproblem - Das Bild vom bösen Islam und meine bunte muslimische Welt

  • Ich wusste ja schon länger, dass man Verlagen nicht immer trauen darf. Die haben bisweilen merkwürdige Angewohnheiten; insbesondere, was die Vermarktung der im eigenen Hause verlegten Bücher betrifft - die Erstellung von Klappentexten und Untertiteln beispielsweise. Doch ich gebe diesem Sachbuch, das sich liest wie ein Streitgespräch mit der besten Freundin, dennoch 5 Sterne. Denn für die Eigentümlichkeiten des Verlagswesens kann die Autorin Anja Hilscher ja nichts.


    "Meine bunte muslimische Welt", so lesen wir im Untertitel (auf den die Autorin nur bedingt Einfluss hatte, wie sie sagt). Wer hier nun einen Bericht einer in Deutschland lebenden Muslima über ihren Alltag erwartet, würde enttäuscht. Sie würzt ihre Ausführungen zwar hin und wieder mit selbst erlebten Episoden, doch ist dies nicht ihr Fokus. Ihr Ziel ist es, in einem flüssig zu lesenden Text, der sich an wirkliche Menschen richtet (und nicht an Akademiker oder Sesselpupser), mit einigen gängigen Vorurteilen dem Islam gegenüber aufzuräumen. Sie will unsere Schubladen aufreißen, und im Gehirn gründlich durchlüften. Genau dies gelingt ihr meiner Ansicht nach hervorragend!


    Dieses Buch hat nicht allzu viele Seiten, und liest sich, oberflächlich betrachtet, vielleicht (zu) schnell. Sicher ist es auch kein Lexikon, und vor dahingehenden Erwartungen möchte ich den potenziellen Leser ausdrücklich warnen! Man kann, so man entsprechend sensibel dafür ist, durchaus die gerunzelte Stirn der Autorin vor sich sehen, das Zähnezusammenbeißen, wenn sie wieder einmal etwas weglassen, vereinfachen oder umgehen musste. Sie hat sich, von ihrem Bauchgefühl und ihrer Alltagserfahrung geleitet, einmal die gängigsten Klischees vorgenommen, die über den Islam so im Umlauf sind. Diese behandelt sie nun schön der Reihe nach, eins pro Kapitel. Zwar verwendet sie dafür eine eingängige Sprache, die auch nicht frei von Ironie oder teilweise auch Sarkasmus ist - aber hinter all dem schimmert ihr Bemühen um das "Brückenbauen" durch. Es darf auch schon mal ein Witz oder Sprachspiel mehr sein, wenn dafür nur der Punkt rüberkommt, der ihr am Herzen liegt. Und genau das fand ich ausgesprochen liebenswert.


    Ferner hat mich überzeugt, dass Anja Hilscher ihre Hausaufgaben scheinbar gemacht hat. Sie schreibt hier nicht aus dem luftleeren Raum heraus; nein, sie argumentiert durchaus fundiert, und nah an Quellentexten, nah an dem, was für sie der wahre Geist des Islam ist. Was eben genau die Fanatiker, die unser Bild vom Islam leider oft prägen, nicht tun... Sogar Bibelzitate kommen vor. Das nenne ich überzeugend und ausgewogen.


    Schon allein das Cover bringt für mich auf den Punkt, was dieses Buch auszeichnet (hier muss ich dem Verlag wirklich gratulieren): ein paar orientalische Pantoffeln, ein Gegenstand mit Signalwirkung, der vielfach interpretierbar ist ("unter dem Pantoffel stehen", beispielsweise). Noch dazu in einem auffälligen Kontrast zur Hintergrundfarbe (Rot / Grün), so dass auf sehr feine Art und Weise die wertende Instanz ins Spiel kommt (richtig / falsch). Ja, man muss und soll sich Gedanken machen zu diesem Buch. Man kann nicht mehr in seinem bequemen gedanklichen Kämmerlein sitzen bleiben, und Allah einen bösen Mann sein lassen, und jeden bärtigen Ausländer einen Terroristen. Was man allerdings sehr wohl kann: der Autorin für ihren Mut danken, und auf eine Fortsetzung hoffen.