Malla Nunn: Lass die Toten ruhen

  • Nunn: Lass die Toten ruhen
    Rütten & Loening 2011. 383 Seiten
    ISBN-13: 978-3352008009. 19,95€
    Aufbau TB: ISBN 978-3746628806 Januar 2013
    Originaltitel: Let the Dead Lie
    Übersetzer: Armin Gontermann


    Verlagstext
    Emmanuel Cooper ist nach Durban versetzt worden. Hier soll er undercover im Hafen nach korrupten Beamten fahnden, doch außer seinem frühen Boss Van Nierkerk weiß niemand von seinem Auftrag. In einer Gasse findet er einen toten weißen Jungen und zwei junge Inder. Als er sie befragen will, wird er von ihrer Familie in ihr Haus verschleppt – und muss zugeben, dass er gar kein richtiger Polizist ist. Man lässt ihn wieder gehen, und er versucht auf eigene Faust zu ermitteln. Als seine Vermieterin und deren Hausmädchen auf grausame Weise ermordet werden, ist er plötzlich im Visier der berüchtigten Security Branch. Man findet ihn mit meinem Messer in der Hand neben der Leiche, und nur zu gern würde die Behörden ihn, den Außenseiter, hinter Gittern sehen. Van Niekerk kann ihm eine Gnadenfrist verschaffen: Cooper hat achtundvierzig Stunden Zeit, den Mörder zu finden – sonst landet er im Gefängnis.


    Die Autorin
    Malla Nunn wurde in Swasiland geboren und hat mit ihrer Familie lange in Südafrika gelebt. Als Filmemacherin erhielt sie mehrere Auszeichnungen. In diesem Roman hat sie ihre eigene Familiengeschichte verarbeitet. Ihre Eltern lernten sich in den fünfziger Jahren kennen, als es für einen Weißen verboten war, eine Nicht-Weiße zu heiraten.


    Inhalt
    Emmanuel Cooper ist als weißes Ghettokind in Johannesburg aufgewachsen. 1953, Jahre nachdem er für das Britische Empire in Europa im Zweiten Weltkrieg gekämpft hat, konnte der Kriegs-Veteran und Ex-Polizist im Südafrika der Apartheids-Politik noch nicht wieder Fuß fassen. Seit den Ereignissen in Jacob's Rest (Ein schöner Ort zum sterben) ist weniger als ein Jahr vergangen. Cooper hat aufgrund seiner offenen Kritik an der Parteilichkeit der südafrikanischen Polizei seinen Job als Ermittler verloren. Er arbeitet inzwischen offiziell als Arbeiter im Hafen von Durban; inoffiziell lässt Coopers ehemaliger Vorgesetzter ihn Schmuggel und Drogenhandel im Hafenbereich beobachten. Für den Security Branch, den südafrikanischen Geheimdienst, ist Coopers Degradierung ein gefundenes Fressen. Die Behörde demonstriert Cooper, dass sie seine Rassenzugehörigkeit neu bestimmen und damit in einem Abwasch gleich Coopers Ex-Vorgesetzten van Niekerk wie einen Dominostein fallen lassen kann. Könnten die Behörden Emmanuel eine winzige Spur indisches Blut in seinen Adern unterstellen, hätte van Niekerk ihn als Farbigen erst gar nicht zum Detective Sergeant aufsteigen lassen dürfen. Van Niekerk selbst ist im Apartheids-Staat durch seinen burischen Familiennamen stigmatisert.


    Cooper, noch deutlich von seinem Kriegserlebnissen angeschlagen, findet bei seiner nächtlichen Nebentätigkeit im Hafen ein ermordetes Kind. Weitere Todesfälle deuten auf Cooper selbst als Täter, der nur inoffiziell nach dem großen unbekannten Fädenzieher fahnden kann, um seine Unschuld zu beweisen. Cooper, dem die Zeit davon läuft, hat offenbar alle Risiken auf seiner Seite, aber keine andere Wahl. Malla Nunns zweiter Fall um Emmanuel Cooper spielt noch zur Zeit des Kalten Kriegs, als die Staaten Osteuropas den "Eisernen Vorhang" um sich errichtet hatten. Um dem komplizierten Fall bis in die Verästelungen seines Labyrinths zu folgen, muss man als Leser Freude am Denken um mehrere Ecken haben.


    Malla Nunn bringt ihren Lesern die Atmosphäre im durch die Rassentrennung geprägten Südafrika der 50er Jahre meisterhaft nahe. Was Apartheid wirklich bedeutet, zeigt sie z. B. daran, wie zu Coopers Zeit ein Schwarzer einen Passierschein seines "Baas" vorzuweisen hatte, um auch nur mit dem Auto seines Arbeitgebers 100 km von Durban in die nächste Stadt fahren zu dürfen. Die Empfindlichkeiten nach jahrelangem Kampf um das Land und seine Diamanten zwischen Weißen britischer und afrikaanser/kapholländischer Herkunft zeichnet Nunn mit leichter Ironie. Ihre Darstellung der Stadt Durban, die offiziell englisch ist und in der Inder, die "Charras", zum Ärger der Weißen Geschäfte, Restaurants, Tempel und eigene Schulen betreiben, ist einer der Höhepunkte des Buches. Auch die Beobachtung von Coopers Körpersprache durch seine Gesprächspartner, die ihn sofort als weißen Polizisten einordnen, hat mich köstlich unterhalten. Zwischen Dr. Zweigmann, dem Zulu-Ermittler Constable Shabalala aus Transvaal und Cooper, dem erfolgreichen Trio aus dem ersten Band, kommt es in diesem Band zu einem Wiedersehen. Zweigmann und Cooper geben gerade so viel Persönliches von sich preis, dass die Neugier auf weitere Bände der Reihe am Köcheln gehalten wird.


    Fazit
    An erster Stelle ist in "Lass die Toten ruhen" die liebevoll gezeichnete Persönlichkeit Coopers zu loben, der die Ordnung wieder herstellen und die Toten auf ihre Reise schicken will. Die Motive des Ermittlers für sein Handeln erzählen Prolog und Epilog des Buches, die im Paris des Kriegsjahrs 1945 spielen. Der eigentliche Fall mit seinen internationalen Verästelungen hat mich verglichen mit Coopers Charakterisierung nicht besonders gefesselt. Lesern mit Interesse an Südafrika, denen Atmosphäre, historischer Hintergrund und die Zeichnung der Figuren wichtiger sind als der Krimi-Plot, ist diese Reihe uneingeschränkt zu empfehlen.


    7 von 10 Punkten