'Wendekreis des Krebses' - Seiten 323 - Ende

  • Wenigstens im letzten Teil konnte ich eine gewisse Handlung erkennen. :-]


    Der Erzähler verläßt Paris, weil er in Dijon einen Posten als Austauschlehrer für Englisch erhalten hat. Lange hält er es allerdings nicht durch, war ja irgendwie auch nicht anders zu erwarten.


    Sein Freund Fillmore hat eine Französin geheiratet und steht total unter dem Pantoffel. Er überredet ihn über London nach Amerika zu flüchten und verspricht ihm das französische Geld seiner Frau zu geben. Aber daran hält er sich nicht, so wie es aussieht haut er ihn übers Ohr und behält das Geld für sich.


    Abschließend muss ich sagen, das Buch ist so gar nichts für mich gewesen. Das liegt aber nicht an der provokanten Art und der derben Sprache, sondern einfach weil ich in dem Buch keinen Sinn gesehen habe. Es hatte für mich keine erkennbare Handlung, sondern einfach nur verschiedene Brocken, die einem vor den Latz geknallt wurden.


    Selten ist es mir so schwer gefallen etwas in einer Leserunde zum Buch zu sagen. Mir fällt einfach nichts ein, weil einfach nichts angekommen ist. Ich wüßte nicht einmal worüber ich hier diskutieren sollte. Ich habe mir sogar entsprechende Lesezeichen ins Buch gelegt, wo ich eventuell was hätte zu sagen wollte. Wenn ich dann am Abend nur die Seiten mit den Lesezeichen überflogen habe, habe ich mich wieder gefragt warum die da eigentlich liegen.


    Eins wundert mich allerdings. In dem Buch wird so herablassend über Frauen geschrieben, die Juden werden als häßlich beschrieben, es wird von Negerinnen berichtet usw., das da noch keine Frauenrechtler oder sonstige Vereine auf die Barrikaden gegangen sind, das erstaunt mich. Sonst wurde schon wegen harmloserer Sachen was geändert oder beanstandet. :-]

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

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  • Das Ende. Na endlich, nach einigen zähen Kapiteln versöhnt das Ende mit dem nutzlosen, rückgratlosen Amerikaner, der in Paris maßgeblich einen Blick auf die Frauen wirft. Das Schicksal seines Gönners, dem Miller etwas mehr Zeit und Raum in dieser Geschichte widmet, gibt diesem Buch endlich ein wenig Tiefe.
    Miller selbst ist unverändert, lebt ärmlich, singt dennoch ein Loblied auf Paris und blickt wieder und wieder den Dirnen hinterher.
    Von Mona hat er sich gelöst und von Tania ist keine Rede mehr.
    Insgesamt lässt Miller viele Fragen unbeantwortet und so mancher Leser wird nicht versucht sein, zu einem weiteren Buch des amerikanischen Skandalautoren zu greifen, auch wenn meines Erachtens der Fokus, Miller als erotischen/pornografischen Schreiber zu bezeichnen, falsch gesetzt wird.

  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    Insgesamt lässt Miller viele Fragen unbeantwortet und so mancher Leser wird nicht versucht sein, zu einem weiteren Buch des amerikanischen Skandalautoren zu greifen, auch wenn meines Erachtens der Fokus, Miller als erotischen/pornografischen Schreiber zu bezeichnen, falsch gesetzt wird.


    Ich glaube, gerade dieses Buch macht viele Leser neugierig auf "mehr Miller". Denn in seinen Büchern gibt es noch andere, sehr interessanten Facetten, die es wert sind kennengelernt zu werden.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich jedenfalls muss mich hier Voltaire anschliessen.
    Nachdem ich dieses Buch gelesen hatte, wollte ich keine von Miller verfasste Zeile ungelesen lassen - und mich in den ganzen Miller-Kreis einbuddeln, wobei ich allerdings nie etwas mit Anais Nin anfangen konnte.

  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    Insgesamt lässt Miller viele Fragen unbeantwortet und so mancher Leser wird nicht versucht sein, zu einem weiteren Buch des amerikanischen Skandalautoren zu greifen, auch wenn meines Erachtens der Fokus, Miller als erotischen/pornografischen Schreiber zu bezeichnen, falsch gesetzt wird.


    Zur Zeit des Erscheinens mag das wohl wirklich für Pornografie gehalten haben, während uns seine Beschreibungen heute wohl eher ein müdes Lächeln entlocken.


    Erotisch fand ich an dem, was ich bislang gelesen habe, nichts. Erotik ist für mich Sinnlichkeit, den Körper des anderen entdecken, Hingabe. Millers Beschreibungen machen auf mich den Eindruck triebgesteuerter Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Wie essen und trinken halt.

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Erotisch fand ich an dem, was ich bislang gelesen habe, nichts. Erotik ist für mich Sinnlichkeit, den Körper des anderen entdecken, Hingabe. Millers Beschreibungen machen auf mich den Eindruck triebgesteuerter Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Wie essen und trinken halt.


    Offensichtlich macht Miller da auch keine allzu großen Unterschiede bezüglich des Stellenwertes. Essen und Trinken ist für ihn genauso ein normales Bedürfnis wie auch Sex ein ganz normales Bedürfnis ist.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich finde es nicht "ganz normal" (ich glaube, ich habe gegen diesen Ausdruck eine ziemlich extreme Abneigung).
    "Ich ficke dich, Tania, dass du gefickt bleibst."
    Ich heiss Lotti, nicht Tania, aber ich habe mich von diesem Buch entjungfert gefuehlt, ich hab's in Tunesien gelesen, ich war vierzehn, lag allein in meinem Hotelbett und fand's hinreissend, ueberwaeltigend, ein Versprechen, das das Leben mir einloesen musste. Hier! Jetzt! Sofort!
    Ganz normal?
    Unerotisch?
    Fuer mich nicht.
    Inzwischen bin ich siebenundvierzig, aber fuer mich ist es dasselbe schwelgende, wuchernde Buch, das meine Sinne explodieren laesst, geblieben.
    Ich finde die zaehe, wuetende, alle Halteseile sprengende Lebenskraft dieses Buches erotisch, die Unersaettlichkeit (die sprachlich jedes Register braucht), die Gier, die sich ihr Recht nimmt, die um sich schlaegt und um sich greift, die Wucht, das Tempo, die Koerperlichkeit, die Worte haben koennen (in diesem Buch ist nichts "gut, dass wir drueber geredet haben", da werden keine Gespraechstherapien besucht, da wird geschwitzt, gelechzt und mit zorniger Lebenslust gegen den Tod angeliebt), die ganz ueberraschende und ganz eigene Schoenheit und die manchmal geradezu ruehrend komische Zaertlichkeit.


    Mein Coming of Age Roman. Immer noch. Ein Buch, um sich daran zu reiben.


    Lieber Henry.
    Nach dir habe ich Hengste genommen, Bullen, Widder, Drachen, Bernhardinerhunde. Ich habe Kroeten, Fledermaeuse, Eidechsen in meinen literarischen Mastdarm gestopft, ich habe Arpeggios gekackt, weil ich's wollte, und eine Zither ueber meinen Nabel gespannt.
    Aber von dir bin ich immer gefickt geblieben.
    Danke.
    Deine Lotti

  • Zitat

    Original von Charlie: Ich heiss Lotti, nicht Tania, aber ich habe mich von diesem Buch entjungfert gefuehlt, ich hab's in Tunesien gelesen, ich war vierzehn, lag allein in meinem Hotelbett und fand's hinreissend, ueberwaeltigend, ein Versprechen, das das Leben mir einloesen musste. Hier! Jetzt! Sofort!


    Was für ein Versprechen?
    Der kurze Kick, der schnell in Vergessenheit gerät? Die romantische Vorstellung, dass der Austausch von Körperflüssigkeiten intensiver ist, wenn man am Betteltuch hängt?
    Über Tania wurde in diesem Buch nicht alltzu viel berichtet; insgesamt hat Miller es nicht geschafft (abgesehen von Germaine) den Frauen in seinem Stoff ein Stück Leben und ein Gesicht einzuhauchen.


    Zitat

    Original von Charlie: Ich finde die zaehe, wuetende, alle Halteseile sprengende Lebenskraft dieses Buches erotisch, die Unersaettlichkeit (die sprachlich jedes Register braucht), die Gier, die sich ihr Recht nimmt, die um sich schlaegt und um sich greift, die Wucht, das Tempo, die Koerperlichkeit, die Worte haben koennen (in diesem Buch ist nichts "gut, dass wir drueber geredet haben", da werden keine Gespraechstherapien besucht, da wird geschwitzt, gelechzt und mit zorniger Lebenslust gegen den Tod angeliebt), die ganz ueberraschende und ganz eigene Schoenheit und die manchmal geradezu ruehrend komische Zaertlichkeit.


    Ich befürchte in diesem Buch nicht das finden zu wollen, was Feuilleton und andere Künstler gern zu sehen glauben.
    Gier? Ja, Lebensgier. Und exzessiv geschildert, auch wenn es sicherlich noch härter zur Sache hätte gehen können.
    Sex als Lebenselixier in einem Paris, das Miller alle Türen öffnete und noch mehr geöffnet hätte, wenn er das notwendige Geld besessen hätte. Von mir aus bitte.
    Dieser Lebenswandel jedoch lässt meines Erachtens nicht den Schluss zu, dass ein Leben abseits der gesellschaftlichen Spielregeln ein Buch in den schriftstellerischen Olymp hebt.


    Begierde? Leidenschaft? Ich habe sie vergeblich gesucht und nach dem Besuch so mancher Hure hatte ich den Eindruck, dass Miller sich und dem Leser einreden musste, dass seine Investition mit sexuellen Bonbons belohnt wurde.
    Das Spiel zwischen Miller und den Frauen, für die er nicht bezahlt hat, funktionierte mehrheitlich doch nur solange, wie die Frauen den Glauben an sein Portmonee behielten. Danach kam die Desillusionierung.


    Was die Lebenslust, seine Wut und seinen Zorn anbelangt, würde ich in diesem Zusammenhang nicht von Liebe und Lust sprechen wollen, eher von einem schlichten Tauschgeschäft. Miller ging es um die Befriedigung seiner Triebe; die Huren benötigten das Geld.

  • Dass es Miller darum ging, Frauen ein Gesicht zu geben, habe ich auch nicht angenommen. Mir - lesend - ging es auch nicht darum. Das mag ein politisch nicht so ganz korrektes Eingestaendnis sein, aber es ist meines.
    "Exzessiv geschilderte Lebensgier" finde ich gut formuliert, dem kann ich mich anschliessen.
    Dem "schnellen "Kick"" (Anfangsbuchstabe richtig?) auch. Dem Vergessen nicht ("ich ficke dich, Tania, dass du gefickt bleibst.")
    Ich glaube/fuerchte, zwischen "Liebe und Lust" und "Befriedigung seiner Triebe" sehe ich die scharfe Trennlinie, die du ziehst, nicht. (Und dass Lust und Liebe und "schlichtes Tauschgeschaeft" im Widerspruch stehen, koennte man, wenn man Lust dazu haette, auch hinterfragen. Aber ich hab dazu gar keine Lust und moechte niemanden missionieren) Das ist fuer mich ein Fall von Agree to disagree, ueber den ich gar keine Einigung oder Annaeherung erzielen moechte. Ich finde die wuetende Lebendigkeit dieses Buches, die Direktheit, auch und gerade die Selbstsucht, die Energie, die Sprachwucht (einschliesslich der Hasstiraden, des Zynismus, des Pathos) ungeheuer sexy und anziehend. Damals wie heute. Das muss ja niemand teilen.
    Mit dem Begriff "schriftstellerischer Olymp" kann ich wenig anfangen. Was fuer mich diesen Roman einzig macht, ist seine sprachliche Kraft, die bei allem Fussgestampfe elegant bleibt (und wer behauptet, Miller beherrsche keine leisen Register, der hat ein anderes Buch gelesen als ich, sorry), und erstaunlich praezise ist. Es ist (finde ich) die Kraft dieser Sprache, die in diesem Buch zum Befreiungs-Rundumschlag ansetzt. Ich habe mich als junge Frau davon mit-befreit gefuehlt, ich fand dieses Das-geht-das-kann-und-darf-man-tatsaechlich-mit-Sprache-machen-Gefuehl ueberwaeltigend, und ich kann, glaube ich, bis heute kein anderes Buch benennen, bei dem ich so im Wortsinne abfahre. Es tut mir aber auch weh (etwas, das es damals nicht getan hat), ich finde es in seiner Selbstdemontage bewundernswert ehrlich (so sehr es sich sonst hier und da blaeht - was mir auch gefaellt) und es beruehrt mich. Fuer mich bleibt es kein durchdachtes, aber ein kluges Buch und eins, das mir ziemlich viel zu erzaehlen hat, von der Liebe und vom Tod.


    Charlie

  • @ Charlie: Vielen Dank für deine offenen Worte. Ich fühle mich von deinen Beiträgen "gefickt". :wave


    Für mich liegt der Berührungsgrad irgendwie genau dazwischen. Ich habe das Buch jetzt erstmals gelesen (mit 38 Jahren) und mir gefällt die kraftvolle und keine Rücksicht auf Korrektheit nehmende Sprache auch sehr.
    Besonders berührt haben mich aber die zarten Stellen, die vielleicht besonders gefühlvoll rüberkommen, weil ich sie von jemandem, der sonst so draufhaut, nicht unbedingt erwartet hätte. Z.B. als er durch die morgendlichen Straßen wandert und über Mona nachdenkt. Oder die Stelle mit der Kathedrale oder über Matisse. Ich habe anfangs die Stellen rausgeschrieben, es waren dann zu viele, ich kann sie dar nicht alle nennen.


    Klar strotzt das Buch vor obszönen Stellen, und ehrlich gesagt bin ich erstaunt, dass es längst nicht nur um die Befriedigung des Sextriebes geht, wie ich es vom Klappentext und von dem, was ich vorher über das Buch gehört habe, erwartet habe. Ich kann da auch moralisch keinen Anstoß finden, da ich nicht erkennen kann, dass eine Prostituierte nicht freiwillig in diesem Geschäft ist.


    Mich spricht Millers Lebendigkeit an, mit allem, was dazu gehört.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Regenfisch
    Besonders berührt haben mich aber die zarten Stellen,
    Mich spricht Millers Lebendigkeit an, mit allem, was dazu gehört.


    Das geht mir beides nicht anders.
    Es ist seine Rueckhaltlosigkeit, die auch etwas seltsam Zutrauliches hat, die mich gewinnt. Wobei sich beides - Rueckhaltlosigkeit, Zutraulichkeit - eben nur einer leisten kann, der ueber ein sprachliches Mammutorchester verfuegt. Er kann es sich leisten, sich in Fettnaepfchen zu setzen, sich hin und wieder laecherlich zu machen, seine Leser gegen den Strich zu buersten, weil er auch darin noch urwuechsig und virtuos zugleich wirkt, was - zumindest fuer mich - eine ebenso kuriose wie unwiderstehliche Mischung ist.


    Dir einen sehr schoenen Tag.
    Charlie

  • Was mich nach wie vor beeindruckt ist die Gradlinigkeit und Kompromisslosigkeit von Henry Miller. Er fickt halt weil er Bock darauf hat - wobei ihn die Frau in der Regel lediglich als Objekt interessiert. Das empfinde ich als ehrlich und auch okay. Irgendwelches "Liebesgesülze" scheint ja - glücklicherweise - nicht so sein Ding zu sein.


    Henry Miller nimmt eine typisch männliche Position ein, die in meinen Augen auch nicht zu tadeln ist. Schließlich tritt er in seinen Büchern ja nicht als "Kämpfer für die weibliche Emanzipation" auf. Er fickt halt gern - was ist daran auszusetzen?
    Und nichts ist so nervig, als bevor es zur Sache geht, endlose und unglaublich nervende Beziehungsgespräche zu führen. Solche Gespräche sind das beste Mittel um in einen "erschlaffenden" Zustand zu gelangen.


    Henry Miller hat die Sexualität nicht neu entdeckt, das ganz sicher nicht; aber er hat sie dazu gemacht was sie ist: Zu einer ganz normalen und schönen Angelegenheit.


    Man kann nur froh darüber sein, dass es einen Autor wie Henry Miller gegeben hat - man stelle sich nur einmal vor, diese Trümmerlotte Alice Schwarzer hätte ein Buch gleicher Thematik geschrieben. Das wäre wohl das Ende der Sexualität gewesen. :grin


    Natürlich aber besteht auch bei Henry Miller kein Grund ihn zu glorifizieren. Die Glorifizierung eines Menschen ist per se nie gerechtfertigt. :wave


    Noch ein Wort zu dieser Leserrunde:
    Sie ist anregend, aufregend, hoch interessant und bietet immer wieder neue Denkanstösse. Mein Dank daher an alle Teilnehmer für dieses großartige Gespräch. :anbet

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Regenfisch: Klar strotzt das Buch vor obszönen Stellen, und ehrlich gesagt bin ich erstaunt, dass es längst nicht nur um die Befriedigung des Sextriebes geht, wie ich es vom Klappentext und von dem, was ich vorher über das Buch gehört habe, erwartet habe.


    Du sprichst an dieser Stelle einen elementaren Punkt.
    Der Rowohlt Verlag ist mit diesem Buch mittlerweile bei der 36.Auflage angelangt.
    Wieviele Käufer mögen Miller wohl zur Seite gelegt haben, weil der Klappentext nicht ihren Erwartungen entsprach?

  • Zitat

    Original von Regenfisch: Ich kann da auch moralisch keinen Anstoß finden, da ich nicht erkennen kann, dass eine Prostituierte nicht freiwillig in diesem Geschäft ist.


    Auch darüber kann man vortrefflich streiten, nicht über die Moral, aber über die Freiwilligkeit.
    Wir reden hier zwar nicht von den Auswirkungen der Globalisierung und von Menschenhandel im Jahre 2012, der die Frauen in die Prostitution geführt hat, sondern ganz konkret am Beispiel Miller reden wir von einer jungen Frau, die für 15 Franc bereit ist, ihren Körper an zwei Männer zu verkaufen (übrigens zu einem Dumpingpreis, wenn man später die Angaben zu Miller's Restaurantbesuchen aufmerksam verfolgt), da sie Hunger leidet oder von den Frauen, die einen Makel aufweisen oder mit einer körperlichen Behinderung ihren Erwerb nur in der käuflichen Liebe finden. Wie Miller übrigens über dieses Phänomen mit einer Leichtigkeit an Worten hinweggefegt ist, kann nur bewundert werden. Für seinen Umgang mit Sprache gebührt Miller höchster Respekt, genauso wie bedrückend unmenschlichen Situationen die Grausamkeit zu nehmen, was allerdings auch bedeutet, dass dem weniger aufmerksamen Leser an so mancher Stelle das Denken abgenommen wird.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    ...
    Natürlich aber besteht auch bei Henry Miller kein Grund ihn zu glorifizieren. Die Glorifizierung eines Menschen ist per se nie gerechtfertigt. :wave


    :write


    Zitat

    Original von Voltaire
    Noch ein Wort zu dieser Leserrunde:
    Sie ist anregend, aufregend, hoch interessant und bietet immer wieder neue Denkanstösse. Mein Dank daher an alle Teilnehmer für dieses großartige Gespräch. :anbet


    Das empfinde ich auch so. Die unterschiedlichen Auffassungen sind eine beeichernde Erfahrung. :wave

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Salonlöwin


    Auch darüber kann man vortrefflich streiten, nicht über die Moral, aber über die Freiwilligkeit.
    Wir reden hier zwar nicht von den Auswirkungen der Globalisierung und von Menschenhandel im Jahre 2012, der die Frauen in die Prostitution geführt hat, sondern ganz konkret am Beispiel Miller reden wir von einer jungen Frau, die für 15 Franc bereit ist, ihren Körper an zwei Männer zu verkaufen (übrigens zu einem Dumpingpreis, wenn man später die Angaben zu Miller's Restaurantbesuchen aufmerksam verfolgt), da sie Hunger leidet oder von den Frauen, die einen Makel aufweisen oder mit einer körperlichen Behinderung ihren Erwerb nur in der käuflichen Liebe finden. Wie Miller übrigens über dieses Phänomen mit einer Leichtigkeit an Worten hinweggefegt ist, kann nur bewundert werden. Für seinen Umgang mit Sprache gebührt Miller höchster Respekt, genauso wie bedrückend unmenschlichen Situationen die Grausamkeit zu nehmen, was allerdings auch bedeutet, dass dem weniger aufmerksamen Leser an so mancher Stelle das Denken abgenommen wird.


    Du hast Recht, darüber könnte man streiten, aber der Lesre erfährt ja nichts über das Schicksal dieser Frau.
    Mich stört eine oft einseitige Sichtweise. Wer sagt denn, dass sie diesen Job für 15 Franc nicht einem anderen vorzieht? Was ist ihre Alternative? Das alles wissen wir nicht.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • So, nun scheint die LR entgegen meinen Erwartungen wohl doch eingeschlafen zu sein. Die Asche gehört auch auf mein Haupt, aber zuletzt war bei mir zu viel los, um dafür Zeit zu finden. Auch auf die Gefahr hin, ins Leere zu schreiben, möchte ich doch ein paar Gedanken zum Wendekreis loswerden.


    Das Buch hat mir gefallen, sehr gut sogar, vor allem Millers Sprache. Dennoch fand ich einige Mängel. Seine endlosen Diskurse haben mich zum Ende hin ziemlich gelangweilt. Es kommt mir vor, als hätte er sein Pulver verschossen und wollte sich doch weiterhin an seinen wortgewaltigen Ausführungen berauschen. Inhaltlich kam kaum Neues, dazu wiederholten sich Vokabular und benutzte Bilder zusehens. Weniger wäre in dieser Beziehung für mich mehr gewesen.


    Zur Rolle der Sexualität: Voltaire schreibt weiter oben "Er fickt halt gern - was ist daran auszusetzen?" Gar nichts. Was mir fehlt, ist seine Begeisterung dafür. Er rennt den Weibern hinterher wie er sich ein Gebüsch sucht, hinter dem er pinkeln kann. Um eine Last loszuwerden, seinem Trieb nachzugeben, aber bedeutet es mehr Freude, als bei Blasendruck zu pissen (Was ich keinesfalls unterschätze)? Bitte nicht falsch verstehen: Ich bin absolut nicht der Ansicht, dass Sex nur gut sein kann, wenn er an Liebe gekoppelt ist, glaube auch nicht, dass er zwangsläufig schlechter sein muss, wenn man dafür bezahlt - aber gut sollte er doch schon sein, damit sich der ganze Aufstand lohnt, oder? Eine typische Szene scheint mir die schon diskutierte mit dem 15 Franc Mädel. Freudloser geht es ja wohl kaum, auch für ihn, selbst wenn ich ihre Situation völlig außer Acht lasse, so wie er es auch macht. Noch einmal: Ich rede hier nicht von Moral, sondern von mangelnder (rein körperlicher) Erfüllung, Genuss, Leidenschaft, wie immer man das nennen will, was über stumpfe Triebbefriedigung hinausgeht und einen Fick zum guten Fick macht. Zu einem geilen Fick eben. Hier empfinde ich den Protagonisten ähnlich erbärmlich wie in seiner Essens-Schnorrerei - aus der er im Übrigen mehr Lustgewinn zu ziehen scheint, wenn man die Beschreibungen von Ficken und Fressen gegenüberstellt. Sorry Charlie, aber für mich ist es schwer vorstellbar, dass Tania wirlich gefickt bleibt. Henry als Maulhure? :lache


    Ich erwarte mit Freude euren Widerspruch.


    LG harimau :wave

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann