Für die Fortsetzungen meiner Storysammlung "Das Leben ist scheiße, aber schön." suche ich gerade neue Texte zusammen. Hier vorab schon mal einer davon. Die Story ist noch nicht lektoriert. Anmerkungen können also noch berücksichtigt werden
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In fremde Kulturen einheiraten
Unterschiedliche Völker haben ihre Eigenheiten, Traditionen und Gewohnheiten. Das ist ebenso. Und es ist ja auch gut so. So bleibt die Welt ein bunter Ort. Manchmal machen die unterschiedlichen Bräuche das Zusammenleben aber auch schwer. Zum Beispiel beim Schnaps trinken.
Ich habe in eine fremde Kultur eingeheiratet. Und zwar in die Bosnische. In Bosnien leben die Menschen auf Bergen, es ist kalt und die Bewohner trinken viel Schnaps und essen gerne Spanferkel. Außerdem klingt die Sprache der ehemaligen Jugoslawier mit ihrem Mangel an Konsonanten für ungeübte deutsche Ohren wie eine Mischung aus Chinesisch und Klingonisch – man denke nur an den Namen der kroatischen Urlaubsinsel Krk. Serbien heißt eigentlich Srbija, Kroatien Hrvastka. Ich kann weder das eine, noch das andere, aussprechen.
„Knrknknk“, erklärt mir mein Gegenüber. Na ja, Knrknknk ist zumindest das, was ich verstehe.
Ich zucke mit den Achseln.
„Zschzschzsch“, fährt er fort.
Die Betonung klingt irgendwie nach einer Frage. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Dass ich ihre Sprache nicht spreche, hält die bosnischen Verwandten meiner Frau nicht davon ab mit mir zu reden. Ich will nicht unhöflich sein, also nicke ich.
Der Onkel geht kurz weg und kommt mit einer Flasche Schnaps zurück. Er schenkt mir ein. Hm, lecker, selbstgebrannter Schnaps, denke ich und trinke. Das Zeug brennt wie sau, aber ich kann tatsächlich eine Fruchtnote schmecken, also nicke ich recht höflich, um anzudeuten, wie delikat mir das Gebräu den Rachen hinuntergelaufen ist.
Der Onkel füllt sofort nach.
Flott, denke ich, diese Bosnier, fragen gar nicht, ob ich nachgeschenkt haben möchte. Sie machen es einfach. Ich habe eine preussische Großmutter, bin also anderes gewohnt. Aber gut. Ich will immer noch höflich sein und trinke auch das zweite Glas leer.
Der Onkel füllt sofort nach.
Hm, drei Schnäpse, denke ich. Na ja, drei verträgt ein erwachsener Kerl schon. Bloss nicht unhöflich sein. Also trinke ich. Versuche danach möglichst neutral zu blicken. Nicht, dass er denkt, ich will noch einen.
Der Onkel füllt sofort nach.
Langsam wird mir etwas mulmig. Ich sehe mich um. Wo ist nur meine Frau abgeblieben? In einiger Entfernung steht sie mit ein paar Cousinnen zusammen und quatscht. Ich winke ihr zu. Sie winkt kurz zurück.
„Na, amüsierst du dich?“, ruft sie.
„Ja, schon. Aber ---“, sage ich, doch meine Frau sieht schon wieder wo anders hin.
Also gut, denke ich und sehe mir das volle Schnapsglas an. Der Onkel blickt zu mir und lächelt mich an.
„Bsmbtrmtm“, sagt er.
Ich lächele zurück und schaue mir die Flasche genauer an. Kein Problem, denke ich. Die ist ja gleich leer. Da kann er mir höchstens noch einmal nachfüllen. Das wäre ja dann erst der vierte – ach ne – der fünfte Schnaps. Na, das vertrag ich schon. Also leere ich das Glas und lächele. Seht alle, wie höflich ich heute bin!
Der Onkel füllt sofort nach.
Die Flasche ist leer. Also los, ich trinke das Glas aus. Der Onkel nickt anerkennend. Dann holt er eine neue, etwas schlichte, Flasche voller Schnaps, mit der er die schöne Schnapsflasche auffüllt. Schließlich greift er zu meinem Glas.
Der Onkel füllt sofort nach.
Ach du Scheiße, denke ich. Die Bosnier machen es einem ganz schön schwer mit dem höflich sein. Ich nippe vorsichtig an dem Glas und stelle es wieder auf den Tisch. Mehr sollte ich jetzt wirklich nicht trinken. Mein Pegel für heute ist echt erreicht. Vielleicht sollte ich einfach aufstehen, vor die Tür gehen, etwas frische Luft schnappen. Doch das halbvolle Schnapsglas blickt mich vorwurfsvoll an. Erwähnte ich schon meine preussische Großmutter? Ein halbvolles Glas einfach so stehen zu lassen und aufzustehen – also da bin ich anderes gewohnt. Also trinke ich aus.
Der Onkel füllt sofort nach.
In diesem Moment kommt meine Frau vorbei.
„Hvahvah! Znschc znschc“, sagt sie zu ihrem Onkel.
„Mslm mslmslm!“, erwidert dieser.
Ich verstehe nur noch Bahnhof. Ob das am siebten Schnaps liegt, den ich gerade runtergschluckt habe? Eher nicht. Es klingt jedenfalls als würden sie streiten.
„Wasn losss?“, murmle ich.
„Warum trinkst du denn so viel!“, fragt meine Frau.
„Der schenkt doch sständisch nach!“
„Lass es einfach stehen! Wenn du das Glas halbvoll lässt, heißt das, du willst nichts mehr.“
„Achsso --- kann isch ja nich wissenn! Isch bin Viertel Preussää!“
„Blttschbltsch!“, mischt sich der Onkel ein.
„Was nu?“, frage ich.
„Der Onkel fragt mich jetzt, ob in Deutschland alle Frauen die Hosen anhaben, weil ich dir das Trinken verbieten würde. Er hält dich jetzt für einen Pantoffelträger.“
„Tjaa ---“
Der Onkel hat mittlerweile nachgeschenkt. Ich trinke aus, ohne nachzudenken. An der Völkerverständigung muss ich in der Zukunft noch etwas arbeiten. Habt Mitleid mit mir, ich habe eine preussische Großmutter. Das Missverständnis der Trinkkulturen hat aber auch einen Vorteil: Nach acht Schnäpsen kann ich endlich so sprechen wie die Bosnier.
„Knrkknkn. Blblmblm ---“