Der sixtinische Himmel - Leon Morell

  • Der sixtinische Himmel, Leon Morell, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2012, ISBN 978-3-502-10224-3


    Zum Autor: (lt. Klappentext)
    Leon Morell, geboren 1967, ist ein Künstlername. Der Autor zahlreicher Romane und Sachbücher studierte Musik- und Literaturwissenschaften. Seine große Begeisterung für Italien und die Kunst der Renaissance inspirierte ihn zu diesem Roman, an dem er ebenso lange gearbeitet hat wie Michelangelo an den Fresken der Sixtinischen Kapelle. Heute lebt der Vater von drei Kindern in Berlin.


    Meine Meinung:
    Rechtzeitig zum 500. Jubiläum der Sixtina – Fresken erscheint der historische Roman „Der sixtinische Himmel“ von Leon Morell, dessen Handlung rund um die Erschaffung der Deckenfresken der Sixtinischen Kapelle durch Michelangelo kreist. Leon Morell hat mit Charakteren, Thema und geschichtlichem Hintergrund seinen Lesern viel zu bieten.


    Michelangelo, der sich in erster Linie als Bildhauer verstand, ist nicht nur als Künstler sondern auch als Mensch eine faszinierende, komplexe Figur, deren innere Zerrissenheit, Sehnsüchte, Ängste, aber auch Genialität und Einzigartigkeit Leon Morell hervorragend ausgearbeitet und in Verbindung zu deren künstlerischem Schaffen gesetzt hat. Hinzu kommt das konfliktbeladene Umfeld, mit dem Michelangelo zu kämpfen hat. Seine Abhängigkeit zu Papst Julius, der ihn in ungeliebte Aufgaben drängt und Michelangelo dessen vermeintliche Lebensaufgaben immer wieder versagt; sein beständiger Kampf und Wettbewerb mit dem Baumeister Donato Bramante und seinem größten künstlerischen Konkurrenten in Roma, Raffael; seine Auseinandersetzungen mit der Familie, die immer wieder versucht Michelangelo schamlos auszunutzen.


    Dachte ich zunächst, dass die Gestaltung von Fresken und die Bildhauerei ein eher wenig interessantes Thema für einen historischen Roman ist, belehrte mich Leon Morell eines Besseren. Zum einen hatte ich vollkommen falsche Vorstellungen über die hinter der Freskenmalerei stehende handwerkliche Leistung und habe mit diesem Roman auf unterhaltsame Weise sehr viel Wissenswertes darüber gelernt, zum anderen hat es richtig Spaß gemacht, die Entstehung der Fresken zu verfolgen und über den Roman auch Kleinigkeiten in den Fresken zu entdecken, die ich ohne diesen vielleicht so nie entdeckt hätte. Unterstützt wird dies dankenswerterweise durch die liebevolle Ausgestaltung des Romans durch den herausgebenden S. Fischer Verlag. Im auffaltbaren Schutzumschlag des Hardcovers verbirgt sich eine große Abbildung der Fresken, deren Teile im Einband als Plan aufgezeigt und mit einer Legende versehen sind.


    Zur Zeit der Entstehung der Fresken führt Papst Julius mehrere Kriege mit dem Ziel seinen Machtbereich auszudehnen und als wäre dies nicht genug für die Bevölkerung, wütet die Pest. Leon Morell bindet diesen geschichtlichen Hintergrund fließend in die erzählte Geschichte ein, soweit dies erforderlich ist.


    Um seine Leser möglichst nahe ins Geschehen einzubinden, bedient sich Leon Morell einer fiktiven Figur, die Michelangelo nahe steht. Nachdem der achtjährige Bauernjunge Aurelio in einer Kirche in Bologna einen Engel aus Marmor gesehen hat, träumt er, beeindruckt von dessen Schönheit und Lebensnähe, davon Bildhauer zu werden. Nach dem Tod seines Vaters und seiner Mutter macht er sich auf den Weg nach Rom, mit dem Ziel bei Michelangelo in die Lehre zu gehen. Michelangelo, der gerade den ungeliebten Auftrag bekommen hat, die Decke der Sixtinischen Kapelle auszumalen, nimmt Aurelio tatsächlich als Gehilfen auf und bildet mit einigen weiteren Freunden, eine Bottega, deren Mitglieder alle an der Bewältigung seines Auftrags beitragen. Doch Michelangelo arbeitet parallel an einem weiteren Auftrag: eine Statue der Frau, die es eigentlich nicht geben darf, der Kurtisane des Papstes.


    Das Zusammenspiel zwischen Michelangelo und Aurelio ermöglicht es Leon Morell, die eigentliche Geschichte des Romans zu entwickeln, die sich mit menschlichen Sehnsüchten, Machtkämpfen, der Suche nach Unsterblichkeit und Lebenssinn, sowie verzweifelter, obsessiver Liebe befasst und sich mit dem auseinandersetzt, was auch Michelangelos künstlerisches Werk ausmacht: menschliche Abgründe. Leon Morell erzählt diese „seine“ Geschichte reflektiert, lebendig, einfühlsam und mitreissend. Daher erwies sich der historische Roman „Der sixtinische Himmel“ von Leon Morell für mich als wahrer Pageturner, und das, obwohl ich bereits vor Jahren Irving Stones Romanbiographie „Michelangelo“ gelesen hatte. Vielen Dank, Leon Morell, für dieses besondere Leseerlebnis!


    9 von 10 Punkten

  • Ich stell grad fest, daß ich in der Rezi über eins noch nichts gesagt habe (obwohl sie ohnehin zu lang ist... :grin).


    Leon Morells Begeisterung für das Thema und seine Geschichte kann man auf fast jeder Seite spüren - das begeistert natürlich auch als Leser.

  • Dieses Buch hat es nicht auf meine Wunschliste geschafft :nono Es ist bereits bei mir zu Hause... :-] Ich vertraue hier Pelican voll und ganz!

  • Bologna im Jahr 1495 - Der junge Bauernsohn Aurelio betrachtet ehrfürchtig eine nahezu perfekte Engelsstatue mit starken Schultern, Armen und Beinen und zerbrechlichen weich gefiederten Flügeln mit denen er sich jederzeit mühelos in den Himmel aufschwingen könnte. Eine Statue so schön und erhaben, dass der Verstand sie nicht zu erfassen vermag. Da erscheint eine halbverhüllte Gestalt die über die Statue zetert und schimpft. Die Ausarbeitung von Händen, Füssen und Flügeln sei zu wenig filigran und die Proportionen, die Proportionen die so wichtig sind könnte man getrost als missraten bezeichnen. Aurelio erfährt später das er dem Erschaffer der Statue höchstselbst begegnet ist... Michelangelo Buonarroti!


    Diese flüchtige Begegnung sowie sein ebenmässiges und fabelhaftes Aussehen sollte Aurelio dazu verhelfen mehr als eine Dekade später eine Arbeit als Gehilfe beim mittlerweile berühmten Bildhauer Michelangelo zu erhalten. Der grosse Meister konnte sich ebenso an diesen kurzen Moment in Bologna erinnern und Aurelio wird schliesslich zu seinem "Quell der Inspiration". Eigentlich sollte Michelangelo das zukünftige Grabmal von Papst Julius II gestalten aber der päpstliche Architekt und Künstler Bramante, ein verhasster Konkurrent ebenso wie Raffael Santi, hat sich diesen Auftrag gesichert und Papst Julius wünscht von Michelangelo das er das Kirchengewölbe der sixtinische Kappelle mit Fresken verziert. Bramante hofft, dass Michelangelo mit dieser Aufgabe überfordert ist und scheitert, schliesslich ist er kein ausgebildeter Maler, aber da sollte er sich gewaltig irren...


    "Raffael ist ein Meister seines Fachs und dies ist Schönheit, Anmut und Grazie. Mein Fach dagegen ist Ringen, Schmerz, das Streben nach dem ewig Unerreichbaren. Jemand, der nicht weiss, was Entbehrung bedeutet, wird das niemals verstehen, denn er wird es nicht fühlen! Und eine Kunst, die nicht wahrhaft gefühlt ist, wird immer seelenlos bleiben!" Zitat Seite 458


    Michelangelo ist einer der bedeutendsten Künstler der Renaissance. Er verstand sich primär als Bildhauer aber er war auch ein begabter Maler, Architekt und sogar als Dichter hatte er erfolg. Zu seinem wohl berühmtesten Werk nebst der David Skulptur, das Fresko der sixtinische Kappelle in Rom, musste er vom Papst gezwungen werden. Voller Widerwillen begann er die Arbeit aber er steigert sich in diese hinein und in einer Art Wahnvorstellungen bei dem er niemanden und am wenigsten sich selbst schonte, schuf er ein Kunstwerk von göttlicher Schönheit das alles bisher bekannte um Längen übertraf. Die Schöpfungsgeschichte eingeteilt in neun Szenen. Angefangen bei der Scheidung von Licht und Finsternis über die Sintflut bis zur Trunkenheit Noahs. Dazwischen die Erschaffung von Sonne, Mond und Pflanzen und in der Mitte Adam und Eva, genau in dem Moment in dem Gott ihm die Seele einhaucht... es ist ein Fresko das vor Leben aus den Fugen platzt!


    Leon Morell ist ein brillanter Erzähler und hat hier einen wirklich grossen Historischen Roman geschrieben. Er nähert und beschreibt Michelangelo wie er wohl war, ein seltsamer Kauz der getrieben ist von seinen nie versiegenden Gedanken und seinem unstillbaren Ehrgeiz. Ein Perfektionist der an den eigen Ansprüchen scheitert und sich im Umgang mit anderen Menschen grob und verletzend zeigt. Eine höchst eigenwillige und komplexe Figur mit der ich wohl keine zwei Minuten ausgekommen und wütend davon gestampft wäre aber hier genoss ich jede einzelne der rund 560 Seiten und bin dem Autoren dankbar für jede Lesestunde! Ich weiss inzwischen wer sich hinter dem Pseudonym Leon Morell verbirgt und ich werde mir seine anderen Bücher mal genauer Ansehen und dennoch hoffe ich, das Leon Morell ein weiteres Buch im Genre der Historischen Romane schreibt. "Denn wer nichts besseres im Sinn hat, als sich im eigenen vergänglichen Glanz zu spiegeln, der wird Gottes Licht niemals erblicken". 10 Punkte für dieses in jeder Beziehung gelungene Werk!

  • Ich habe gelesen das Leon Morell an einem Historischen Roman über einen Musiker schreibt. Leider ist nicht herauszufinden über wen... lassen wir uns überraschen.

  • Aufbau : Der gesamte Roman verteilt sich auf einen Prolog (1495), sieben große Hauptteile, die ihrerseits in 64 Kapitel untergliedert sind und die Jahre 1508 bis 1512 abdecken, sowie einen Epilog, der über das weitere Schicksal Aurelios informiert.


    Inhalt: Auf den ersten Blick scheint der junge Bauernsohn Aurelio aus Forli die Hauptfigur des Romans zu sein. Er hat als Kind ( Prolog) in einer Kirche einen von Michelangelo gemeißelten Engel gesehen und träumt seitdem davon, zu diesem berühmten Bildhauer in die Lehre zu gehen und selbst solche Kunstwerke schaffen zu können. Nachdem Söldner seine Mutter ermordet und Aurelios Heim ausgeplündert haben, begibt er sich 1508 zu Fuß nach Rom. Unterwegs begegnet er der vor ihrem brutalen Ehemann geflohenen Margherita, die sich in Rom als Kurtisane verdingen will und mit der ihn über Jahre eine lose Freundschaft verbinden wird.
    Es gelingt Aurelio, bei Michelangelo als Gehilfe angenommen zu werden, obwohl ihm das große künstlerische Talent fehlt. Dies verdankt er vor allem zwei Umständen: Erstens hat Papst Julius Michelangelo gezwungen, die Sixtinische Kapelle mit einem riesigen Deckenfresko zu bestücken. Obwohl der Künstler sehr unwillig ist und sich als Bildhauer, nicht als Maler, sieht, kann er den Auftrag nicht verweigern und braucht deshalb zahllose Helfer. Der zweite Grund für Aurelios Einstellung liegt in dessen Schönheit und Eignung zur Muse des Künstlers. Michelangelo ist homosexuell, lebt seine Neigung aber nicht aus. Nur in seiner Kunst kann er seiner Obsession für schöne, muskulöse Männerkörper nachgehen. Aurelio steht ihm immer wieder Modell und wird so zum Vorbild für zahlreiche im Fresko verewigte Männergestalten.
    Im Mittelpunkt dieses Romans steht ganz eindeutig der Mensch und Künstler Michelangelo, ein wortkarger, nicht eben sehr sozialer Mann, der einen sehr schwierigen Charakter hat. Er kämpft mit vielen Problemen gleichzeitig: neben seiner unerfüllten Sehnsucht nach der Liebe Aurelios und seiner großen Angst, dem Auftrag des Freskos nicht gerecht werden zu können und dem Vergleich mit dem berühmten und vom Papst sehr geschätzten Raffael nicht standhalten zu können, quälen ihn auch seine habsüchtigen Brüder und sein Vater, die immer wieder Geld von ihm fordern und dann ihre Geschäfte - sofern sie sich überhaupt dazu aufraffen können - in den Sand setzen.
    Die Figur des Michelangelo ist hervorragend herausgearbeitet. Ebenso plastisch ist die Darstellung der über vier Jahre andauernden Entstehung der Fresken in der Sixtinischen Kapelle, im Inneren des Buchumschlags kann man dieses beeindruckende Werk bewundern. Auch Papst Julius, ein aggressiver und kriegerischer Mann, der seine Untergebenen gern mit seinem gefürchteten Stock zur Räson bringt, wird sehr lebensecht präsentiert.
    Ebenso fiktiv wie Aurelio ist auch die Figur der "Aphrodite", der vom Papst angebeteten und hermetisch abgeschirmten Kurtisane. Sie will von Michelangelo als Marmorfigur unsterblich gemacht werden. Für Michelangelo bedeutet die nächtliche heimliche Arbeit an der Statue die wahre Erfüllung, an Aphrodite, die ihn begehrt, ist er jedoch nur als Modell interessiert. Aurelio dagegen, der heimlich die Zusammentreffen von Michelangelo und seinem Modell verfolgt hat, verzehrt sich nach der schönen Aphrodite.
    Trotz dieser "misslungenen" Dreiecksbeziehung ist die Liebesgeschichte in "Der sixtinische Himmel" nicht kitschig, geht jedoch im Falle von Michelangelos unerwiderter Neigung zu Aurelio sehr zu Herzen.
    Das Hauptaugenmerk liegt aber auf Michelangelos Kunst. Es werden im Zusammenhang mit der Arbeit am Fresko viele italienische Fachausdrücke genannt, die im Text erklärt werden. Dennoch hätte ich mir noch ein Glossar zum wiederholten Nachschlagen gewünscht. Auch ein Personenverzeichnis anderer im Roman auftretender zeitgenössischer Künstler hätte ich begrüßt.
    Von diesem Kritikpunkt abgesehen, kann ich diesen Roman nur jedem historisch und Kunstinteressenten wärmstens empfehlen. Das Buch vermittelt einen äußerst lebendigen Einblick in das Schaffen der Bildhauer und Freskanten sowie in das Leben im Rom des 16.Jahrhunderts mit all seinen schönen (Kunst, Kultur) und auch ekligen (hygienische Missstände, Armut, Seuchen) Facetten.
    9 Punkte

  • Zitat

    Original von Tom
    Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich übrigens Edgar Rai ("Wenn nicht, dann jetzt", "Letzten Sommer"), was auch kein Geheimnis ist.


    Am Anfang mußte man sich aber schon ein bißchen Mühe geben, von Leon Morell zu Edgar Rai zu kommen, was ja vermutlich doch vom Verlag bewußt so gesteuert wurde, oder?