Das Ende der Unschuld - Megan Abbott

  • Das Ende der Unschuld
    Megan Abbott
    ISBN-13: 978-3462043907
    Kiepenheuer & Witsch
    287 Seiten, 17,99 Euro



    Über die Autorin: Megan Abbott, geboren in Detroit, hat bislang sechs Bücher veröffentlicht, für die sie zahlreiche Auszeichnungen bekam, darunter den Edgar-Allan-Poe-Award und den Edgar Award, die höchste Auszeichnung für amerikanische Krimiautoren. „Das Ende der Unschuld“ ist ihre erste Veröffentlichung auf Deutsch.
    Buchrückentext: Die dreizehnjährige Lizzie und ihre Freundin Evie sind unzertrennlich. Nachbarmädchen und Schulfreundinnen, die scheinbar keine Geheimnisse voreinander haben. Doch eines Nachmittags ist Evie verschwunden. Einziger Anhaltspunkt: ein unbekannter rotbrauner Wagen, den Lizzie morgens durch den Ort hat fahren sehen. Die Kleinstadt ist in Aufruhr und Lizzie beginnt, Nachforschungen anzustellen. Auf ihren nächtlichen Streifzügen macht sie seltsame Entdeckungen. Schritt für Schritt kommt sie einem dunklen Geheimnis auf die Spur und muss sich fragen, wie gut sie ihre beste Freundin überhaupt kannte.


    Meine Meinung: Dieser Buchrückentext könnte auch für ein ganz anderes Buch geschrieben worden sein. Die Fakten stimmen zwar, doch irgendwie könnte die Beschreibung der Handlung auch auf einen „ganz normalen“ Krimi hinweisen, in dem nun die Freundin Detektiv spielt und den ganzen Fall am Ende löst, doch schon nach ein paar Seiten merkt man, dass dieses Buch etwas ganz anderes zu bieten hat. Allein die Stimmung ist unglaublich dicht und man könnte sagen „schwül und aufgeladen“, denn Lizzie ist in einem Alter, in dem ihre beginnende Sexualität eine große Rolle spielt und doch ahnt man das über weite Strecken der Handlung nur. Es sind nur kleine Andeutungen vorhanden, zu dem, was sie umtreibt, so als ob sie es selbst nicht genau definieren könnte, was ich für ein Mädchen ihres Alters sehr gut getroffen finde. Das Buch ist aus ihrer Sicht geschrieben und ihre Betrachtungen stehen die ganze Zeit im Vordergrund. Der Leser erkennt recht schnell, dass es nicht nur um die vermisste Freundin geht – Lizzie sucht die Nähe von Evies Vater, Mr. Verver, sie braucht seine Aufmerksamkeit und eigentlich ist da noch mehr, doch auch das scheint sie selbst am wenigsten zu wissen und ausdrücken zu können und so sucht sie hauptsächlich nach Hinweisen zum Verschwinden ihrer Freundin um Mr. Verver Lächeln zu sehen und um bei ihm sein zu können.


    Lizzie durchlebt unterschiedlichste Gefühle, ist verwirrt, zornig, ratlos und manchmal eben auch seltsam erregt, und genau das bringt die Autorin mit ihrem Stil wunderbar real rüber. Man merkt ihr die Liebe zum Detail an, denn viele Bilder, Gedanken und Geschehnisse sind analytisch genau geschildert ohne aber langweilig zu wirken oder sich in Phrasen zu verlieren.


    Mein Fazit: Das Buch wird als Krimi oder Thriller eingeordnet und auch so beworben, doch meiner Meinung nach ist es eher ein wirklich gut geschriebener Roman über das Ende der Kindheit, das Erwachsenwerden und über die Grenzen von Freundschaft, der zusätzlich auch noch eine dunkle und spannende Handlung zu bieten hat. 9 von 10 Eulenpünktchen dafür.

  • Ich schließe mich Eskalinas Meinung an.


    Ein Krimi ist dieses Buch wahrhaftig nicht.


    Eher eine mutige und verstörende Beschreibung vom Ende der Kindheit. Natürlich überschattet diese Psychanalyse aus Sicht von Lizzie eine dunkle, kriminalistische Story, aber der Prozess des Erwachsenwerdens steht im Mittelpunkt und ist allgemeingültig für viele Mädchen, obwohl Lizzie von sich erzählt.


    Kein Buch für zwischendurch, sondern eher für ruhige Momente.

  • Inhalt
    Lizzie und Evie sind in diesem Sommer dreizehn. Die Mädchen teilen alles miteinander, eine von ihnen allein ohne die Freundin kann man sich nur schwer vorstellen. Gerüche von Babypuder und Lipgloss, ein Bett mit Volants wie ein rosa Kuchen; mit zuckrigen Details skizziert Megan Abbott amerikanische Kleinstadtidylle pur. Nach jahrelangem Fußballspielen werden die Mädchen neuerdings von Evies älterer Schwester Dusty im Feldhockey trainiert. Doch die Idylle ist von kurzer Dauer. Zum Ärger ihrer Tochter sitzt Lizzies gerennt lebende Mutter bis spät in der Nacht mit ihrem neuen Freund auf der Terrasse, und Lizzie wird neuerdings durch beunruhigende Träume aufgestört. Auf dem Heimweg von der Schule verschwindet eines Tages Evie von einer Minute zur anderen. Lizzie als beste Freundin, die Evie zuletzt gesehen hat, sieht sich plötzlich in der Rolle einer wichtigen Zeugin. Als sie in Gedanken die Ereignisse wieder und wieder an sich vorbeiziehen lässt, fallen Lizzie kaum spürbare Veränderungen bei Evie auf. So war Evies Interesse am Hockey in der Zeit vor ihrem Verschwinden plötzlich zurückgegangen.


    Harold Shaw, ein Nachbar der Freundinnen, wird ebenfalls vermisst. Es wundert nicht, dass nun im Ort Geschichten über Kindermörder kursieren und Mr Shaw als Hauptverdächtiger gilt. Seit Lizzie von der Polizei verhört wurde, kippt die Normalität in der kleinbürgerlichen Nachbarschaft in eine bedrückende Stimmung. Alles klingt auf einmal falsch. Harmlose, lange zurückliegende Erlebnisse mit der Familie Shaw bekommen plötzlich eine bedrohliche Bedeutung. Väter und Brüder könnte man seither mit völlig anderen Augen betrachten. Lizzie nimmt ihre Rolle sehr ernst, möchte dringend dabei helfen, dass Evie wiedergefunden wird. Die Erwachsenen sind mit eigenen Sorgen ausgefüllt. Ted, Lizzies Bruder, verbarrikadiert sich in seinem Zimmer. Die Schutzbedürftigkeit der Kinder scheint kein Erwachsener mehr wahrzunehmen; Lizzie wird beinahe wie eine Erwachsene behandelt. Niemand stört sich offenbar an zweideutigen Situationen zwischen Kindern und Erwachsenen. Schließlich kennen sich die Familien seit Jahren.


    Fazit
    Lizzies schockierend plötzliches Erwachsenwerden, ausgelöst durch das Verschwinden ihrer besten Freundin, beschreibt Megan Abbott geradezu bedrückend. Die zunehmende Vergiftung der Beziehungen, Lizzies Zweifel an ihrer Wahrnehmung und die sich auflösende Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit lassen einen raffinierten Psychothriller vermuten. Anders als Publishers Weekly sehe ich "Das Ende der Unschuld" eher als atmosphärisch beklemmende Studie des abrupten Endes einer Kindheit. In seiner Direktheit könnte das Buch einige Leser befremden.


    8 von 10 Punkten

  • Titel: Das Ende der Unschuld
    OT: The End of Everything
    Autorin: Megan Abbott
    Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von: Isabel Bogdan
    Verlag: Kiepenheuer und Witsch
    Erschienen: März 2012
    Seitenzahl: 286
    ISBN-10: 3462043900
    ISBN-13: 978-3462043907
    Preis: 17.99 EUR


    Der Verlag kündigt dieses Buch als "hochspannenden psychologischen Thriller" an und schon stellt sich die Frage, wer für diese völlig unsinnige Klassifierzierung verantwortlich ist. Wahrscheinlich jemand der dieses Buch nicht bis überhaupt nicht gelesen hat.


    Worum geht es nun in dieser Geschichte?
    Evie und Lizzy sind zwei dreizehnjährige Mädchen, sehr eng befreundet, Freundinnen die alles miteinander teilen - auch ihre Geheimnisse. Oder vielleicht doch nicht?
    Doch dann eines Tages ist Evie verschwunden. Die Suche der Polizei verläuft ergebnislos, bis Lizzy die Beamten auf die richtige Fährte bringt. Verdächtig ist Mr. Shaw, ein Vertreter aus der Nachbarschaft, der zum selben Zeitpunkt wie Evie verschwunden ist.


    Lizzy ist nicht bereit das Verschwinden ihrer Freundin zu akzeptieren und versucht auf eigene Faust Licht in das Dunkel zu bringen. Hat Dusty, Evies ältere Schwester, etwas zu verbergen? Weiß sie mehr als sagt? Und was ist mit Evies Vater, Mr. Ververs? Er leidet sehr unter dem Verschwinden seiner Tochter und ergreift jeden noch so dünnen Strohhalm.


    Lizzy macht immer neue Entdeckungen und wird dafür von Dusty mit Missvertrauen belohnt. Wieso macht gerade Lizzy immer die wichtigen Entdeckungen?


    Wenn man das liest, könnte man wirklich meinen, Megan Abbott hätte einen psychologischen Thriller geschrieben. Hat sie aber nicht, auch wenn das Buch eine kleine Portion dieser Thrillerelemente enthält. Denn es geht nicht in erster Linie um die Entführung oder vielleicht auch vermeintliche Entführung von Evie. Es geht um das brutale Hineinschubsen junger Menschen in die Welt der Erwachsenen, nicht mehr Kind aber auch noch nicht erwachsen, sind sie auf der Suche nach sich selbst - auf der Suche nach dem was ihnen vom Leben wohl präsentiert wird.


    Die Sexualität, der eigene Körper wird ein Thema. Das Verhältnis zu den Eltern und auch zu den Freunden kommt auf den Prüfstand. Man lässt den beiden Mädchen keine Zeit alles in Ruhe zu entdecken. Die Erfahrungen die sie machen sind genaugenommen brutal in ihrer Intensität, der Körper entwickelt sich, das Bewusstsein aber hat Probleme damit Schritt zu halten.


    Am Ende der Geschichte ist nichts mehr wie es war, schmerzende Erkenntnisse und Erfahrungen werden gemacht und es wird deutlich, dass man die vergangene Zeit nicht zurückholen kann.


    Megan Abbott hat diesen Roman einfühlsam aber auch mit der richtigen Portion Realität geschrieben. Ein Roman über die Entwicklung junger Menschen, die auch erkennen müssen, dass sie in der Welt der Erwachsenen nicht so sehr viel Hilfe erwarten können - sind doch die Erwachsenen mit ihren eigenen Problemen und Sorgen ausgelastet.


    Mir hat dieses Buch ausgesprochen gut gefallen. Eine Geschichte, die nur auf den ersten Blick nach einem Thriller aussehen könnte - die aber schon auf den zweiten Blick zeigt, dass die Entführung nur Mittel zum Zweck ist. Im Mittelpunkt steht der Entwicklungsprozess von Lizzy, die als Ich-Erzählerin fungiert, und in diesem Zusammenhang auch den Part ihrer Freundin Evie übernimmt, die quasi Evies Sprachrohr ist.


    Fazit: Ein wunderbares, in meinen Augen sehr tiefgehendes Buch. Sehr lesenswert. 9 Eulenpunkte sind wahrlich hochverdient.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Das Buch, bzw. das, was ich darüber gelesen habe, verwirrt mich. Obwohl die Protagonistinnen erst 13 sind, ist es kein Jugendroman. Sexualität scheint eine größere Rolle zu spielen. Ist es mit "Lolita-Motiven" behaftet? Oder geht es in eine ganz andere Richtung als Navokovs Klassiker?


    Und ich staune, ich hätte es nicht unbedingt für ein "Männerbuch" gehalten. ;-)

  • Zitat

    Original von Rosha
    Das Buch, bzw. das, was ich darüber gelesen habe, verwirrt mich. Obwohl die Protagonistinnen erst 13 sind, ist es kein Jugendroman. Sexualität scheint eine größere Rolle zu spielen. Ist es mit "Lolita-Motiven" behaftet? Oder geht es in eine ganz andere Richtung als Navokovs Klassiker?


    Und ich staune, ich hätte es nicht unbedingt für ein "Männerbuch" gehalten. ;-)


    Um die "klassischen Lolita-Motive" geht es nicht. Es geht um junge Mädchen, die auf dem Entwicklungsweg zu jungen Frauen sind. Ein Buch, das gewiss auch von Männern gelesen werden kann. Es schildert auch das Verhältnis vom Vater zu dessen Töchtern. Ein sicher nicht immer leichtes Verhältnis.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Meine Vorrezensenten haben die Atmosphäre des Buches bereits gut beschrieben, ich kann dem nichts mehr hinzufügen. Das Buch ist wirklich ein sehr eigenes von der Stimmung her und wahrlich kein Krimi. Die aufkeimende und verwirrende Sexualität der Mädchen ist sehr gut spürbar und auch die Umsetzung ist hervorragend. Man kann sich sehr gut in die hormonell bedingte Verwirrtheit der jungen Mädchen hinein versetzten. Auch von mir gibt es 8 Eulenpunkte.