Go! - Kazuki Kaneshiro

  • Go! - Kazuki Kaneshiro


    ISBN: 3980902250


    Verlag: Cass Verlag


    Erscheinungsjahr: 2011 (in Deutschland)


    Seitenzahl: 208


    Übersetzerin: Nora Bierich


    Über den Schriftsteller:
    Kazuki Kaneshiro wurde 1968 in Kawaguchi (Japan) als Sohn koreanischer Eltern geboren.
    Da Kaneshiros Vater mit den politischen Ansichten Nordkoreas sympathisierte, besuchte der Schriftsteller zunächst eine Schule,
    die den kommunistischen Idealen entsprach und der Vereinigung der Nordkoreaner in Japan nahestand.
    Später kehrte Kaneshiros Vater der nordkoreanischen Vereinigung Chongryon den Rücken und trat der südkoreanischen Seite der in Japan verbliebenen Minderheit bei, was zu einem Schulwechsel für den Schriftsteller und Drehbuchautor führte.
    Nach einem Jurastudium an der angesehenen Keio-Universität in Tokio betätigte sich Kazuki Kaneshiro schriftstellerisch.
    Für seinen im Jahr 2000 erschienenen Roman Go! erhielt er den Naoki-Preis, der an Nachwuchsschriftsteller vergeben wird.
    Dank des Projekts zur Veröffentlichung japanischer Literatur wurde "Go!" ausgewählt und seine Übersetzung gefördert.


    Über den Inhalt:
    Sugihara, ein 14 Jahre alter Teenager koreanischer Abstammung lebt mit seinen Eltern in Japan.
    Als Zainichi gehört er zur größten Minderheit der in Japan verbliebenen Ausländer und bekommt die Ausgrenzung täglich zu spüren. Sein Vater, der den kommunistischen Ideen Nordkoreas zugetan ist, schickt seinen vielseitig interessierten Sohn deshalb auf eine der Chongryon nahestehende Schule. Sugihara, der als Außenseiter gilt und nur wenige Freunde hat, erkämpft
    sich dort seinen Platz und die Achtung seiner Mitschüler, indem er sie zu Boxkämpfen herausfordert und ungeschlagen bleibt.
    Als Sugihara auf einer Geburtstagsparty die gleichaltrige Japanerin Sakurai kennenlernt, ist es um ihn geschehen.
    Doch wie soll er Sakurai erklären, dass seine Familie aus Korea stammt?


    Meine Meinung:
    Kazuki Kaneshiro hat sich mit seinem preisgekrönten Roman "Go!" dem schwierigen Verhältnis von Japanern
    zu den nach dem Krieg verbliebenen Koreanern und der nachfolgenden Generation zugewandt, das außerhalb Japans zwar nur wenigen zur Kenntnis gelangt sein dürfte, aber den Problemen von Migranten in jedem anderen Land ähneln dürfte.
    Mit großem Humor erzählt Kaneshiro die Liebesgeschichte von Sugihara und Sakurai, die den koreanischstämmigen Sugihara vor seine bislang schwerwiegendste Aufgabe stellt. Wie soll er, der wie ein Japaner aussieht, einen japanischen Namen angenommen hat, fließend die Landessprache spricht und die Oberschule besuchen möchte, seiner Freundin erklären, dass die Wurzeln seiner Familie in Korea liegen?


    Den Einstieg in diese anfänglich skurrile Geschichte bildet das Vorhaben von Sugiharas Eltern, nach Hawaii reisen zu wollen.
    Der Ex-Boxer und jetzige Spielhallenbesitzer und seine Frau, die in einem Lokal arbeitet, sehen sich jedoch vor ungeahnten Schwierigkeiten, besitzen sie doch die nordkoreanische Staatsbürgerschaft, die den Vereinigten Staaten als wenig geeignet erscheint, dem Ehepaar ein Visum für die Reise zu erteilen. Nach einigen Überlegungen werden Sugiharas Eltern südkoreanische
    Staatsbürger, um ihren Traum von Hawaii doch noch Wirklichkeit zu lassen. Dass dieser Wechsel mit größeren Veränderungen für den 14-jährigen Schüler verbunden ist, erfährt der Leser nach und nach; ebenso von der strikten und freigewählten Trennung der Minderheit in Nord- und Südkoreaner, die sich auf alle Lebensbereiche auswirkt.
    Nachdem Sugihara seinem Vater bestimmt erklärt hat, nicht nach Hawaii reisen zu wollen, sondern sich auf die Prüfung für die Aufnahme an der Oberschule vorbereiten möchte, stimmt der Vater den Plänen seines Sohnes zu.
    In der Schule abgeschrieben von den Lehrern, die in Sugihara einen Landesverräter sehen, vom Vater ebenso, der sich nur wenig um seinen fleißigen Sohn kümmert, weil er von den Behörden schikaniert wird und ihm zwei seiner Pachinkohallen abgenommen wurden, sehnt sich der junge Koreaner nach Kontakten außerhalb seines kleinen Freundeskreises. Als sich sein bester Freund Jong Il, Sohn eines Koreaners und einer Japanerin, das Leben nimmt, gerät der ansonsten gefestigte Sugihara in eine Identitätskrise. Hatte er sich doch jahrelang an die Ablehnung gewöhnt, beginnt er zu hinterfragen, warum er als Koreaner benachteiligt wird.


    Als die hübsche und freche Sakurai in sein Leben tritt, kann er sein Glück kaum fassen. Teilen die beiden doch einen ähnlichen Film- und Musikgeschmack und sind sich auch ansonsten ähnlich. Alles scheint perfekt, als Sakurais Familie den Freund ihrer Tochter akzeptiert - zumindest solange, wie sie nichts von seiner koreanischen Staatsbürgerschaft wissen.


    Kazuki Kaneshiro hat mit seinem erfolgreichen Roman "Go!" in bemerkenswerter Weise das Leben einer wenig akzeptierten Minderheit am Schicksal eines Jugendlichen beschrieben. Dass der Roman, der gewiss eine Vielzahl von eigenen Erfahrungen des Schriftsteller mitsichbringt, überzeugt, liegt zum einen an den unzähligen beispielhaften Schilderungen wie Demütigungen aussehen können, zum anderen daran, dass Kaneshiro zwar eine Liebesgeschichte erzählt, aber Platz für die Entwicklung seines
    Protagonisten lässt.
    Die Höhen und Tiefen, die der ehrgeizige Sugihara erlebt, sind glaubhaft geschildert und lassen dem Leser an so mancher Stelle das Herz pochen, wenn der junge Koreaner die Fäuste gegen seinen Vater, den unbezwungenen Ex-Boxer, erhebt und besiegen möchte, wenn wieder einmal nicht nur familiäre, sondern auch politische Ansichten zwischen ihnen stehen.


    Als Sugihara sich am Anfang des Romans wie folgt äußert:


    "Doch eines möchte ich gleich zu Anfang klarstellen:
    Dies hier ist eine Liebesgeschichte, und zwar meine. Und mit dieser Liebe haben Kommunismus, Sozialismus, Kapitalismus,
    Pazifismus, Vegetarismus, Schmalspurästhetizismus oder sonst ein Ismus nichts zu tun. Das nur schon mal vorweg.",


    bleibt diese trotzige Ansage während der Lektüre im Kopf des Lesers, immer begleitet von dem Wunsch, dass wenigstens diese Liebesgeschichte gut ausgehen mag.


    Doch vorher gibt der Vater dem Sohn noch eine Weisheit mit auf den Weg, die bereits das besondere Cover dieses außergewöhnlichen Romans ziert: No soy coreano, ni soy japones, yo soy desairragado.


    Kazuki Kaneshiro hat mit Go! einen zärtlichen und zugleich brutalen, einen leichten und doch schwermütigen und vor allem einen menschlichen Roman vorgelegt, dem zu wünschen ist, das er ein großes Publikum erreichen wird.