Zimtzuckerherz - Heike Abidi

  • Die Informationen innerhalb der Spoilermarkierungen kann man mitlesen, muss es aber nicht tun. Sie enthalten keinen Geheimnisverrat, sondern lediglich weitere Informationen zu Personen und Handlungsverlauf.


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    Heike Abidi: Zimtzuckerherz – Roman, Berlin 2012, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, ISBN 978-3-86265-141-2, 325 Seiten, Softcover, Format: 18,8 x 12,4 x 1,8 cm, EUR 9,95.


    „Ich weiß, was Sie denken: Lügnerin. Betrügerin. Hochstaplerin! Und Sie haben zweifellos recht: All das bin ich. Aber ich kann nichts dafür! Ich bin da einfach so reingerutscht ... Als freiberufliche Journalistin kann man sich die Aufträge nicht unbedingt aussuchen. Vor allem nicht als Berufsanfängerin.“ (Seite 21) Dieses Geständnis macht uns gleich zu Beginn die Heldin des Romans, Veronika Kramer, 35, Neu-Single und mit ihrer Freundin Charlotte in einer Bürogemeinschaft arbeitend.


    Was hat sie denn nun Schreckliches getan, die junge Journalistin? Eigentlich nur erfolgreich gearbeitet und sich im Lauf der Jahre unter dem Namen Vera Kroemer den Ruf als kompetente Aufräum-Expertin erschrieben. Erst war’s ein Artikel, dann eine Artikelserie, mittlerweile verfasst sie Bücher zu dem Thema. Außer ihrem allerengsten Umfeld weiß jedoch niemand, dass ihre Sachkenntnis rein theoretischer Natur ist. Alles Recherche, angelesen und abgeguckt. Im wahren Leben ist Veronika eine Chaotin vor dem Herrn, verschludert am laufenden Band Handys, Papiere und Termine, und in ihren vier Wänden schaut’s aus wie bei Hempels unterm Sofa. Ohne die Unterstützung ihrer gut organisierten Freundin und Büropartnerin Charlotte Wunderlich und den handfesten Überlebenstipps von Tante Amanda wäre sie kaum überlebensfähig.


    Je erfolgreicher und prominenter „Vera Kroemer“ wird, umso schwieriger und anstrengender wird es für Veronika Kramer, die perfekte Fassade aufrecht zu erhalten. Ein Fototermin in ihrem Büro? Ausgeschlossen! Die Teilnahme an einer Fernseh-Talkshow? Ach, du lieber Himmel! Und wenn man schon auf der Straße erkannt wird, kommt es einer Katastrophe gleich, wenn einen die Leser bei irgendwelchen verpeilten Aktionen ertappen. Im Grunde dürfte Veronika sich gar nicht mehr aus dem Haus trauen, weil immer und überall ihre Enttarnung droht. Und wenn sie ihre Glaubwürdigkeit als Autorin verliert, ist sie beruflich am Ende.


    Nur gut, dass keiner von Veronikas Lesern etwas von den irrwitzigen Vorbereitungen für die Hochzeit ihrer Schwester mitbekommt! Stehenden Fußes würden sie ihr das Vertrauen entziehen! Dabei ist Veronika nicht mal in die Organisation der Feierlichkeiten involviert. Ihre Aufgabe besteht allein darin, sich am Tag X schick angezogen in der Kirche einzufinden und ein Geschenk mitzubringen. Das kann doch nicht so schwierig sein, oder? Doch. Für Veronika schon.


    Die Klamottenfrage kriegt sie mit Hilfe ihrer Freundin Charlotte noch geregelt. Doch statt in Saarbrücken bei der Familie landet sie mit dem Bruder des Bräutigams in Paris – ohne Handy und ohne einen Cent in der Tasche. Das ist wieder irgendwie dumm gelaufen. Wenigstens ist Till, ihr neuer Schwager, ein amüsanter und unaufdringlicher Zeitgenosse. Tante Amanda wittert am Telefon schon eine Romanze, aber erstens hat Till eine Partnerin und zweitens eine Glatze.



    Doch Partnersuche und angesäuerte Verwandte haben jetzt erst einmal Pause. Veronika hat in ihrer Schusseligkeit die Deadline für ihr neues Buch verpennt und muss nun ein wahnsinniges Arbeitstempo vorlegen. Sie geht in Schreibklausur und bekommt dadurch einige Entwicklungen in ihrem Umfeld nicht mit. Was Freundin Charlotte ihr nun mitzuteilen hat, haut sie deshalb komplett aus den Latschen. Doch das schlimmste seht ihr noch bevor, hat sie sich doch zur Teilnahme an einer Expertendiskussion im Fernsehen breitschlagen lassen ...


    Vom Prolog an macht die Protagonistin die Leserin zur Komplizin. Sie spricht nämlich mit ihr: „Oh. Hallo Sie da! Was für eine nette Überraschung! Sie lesen wohl gerne? Das trifft sich gut, denn ich schreibe. Allerdings nichts Spannendes – nur Ratgeberbücher. Zum Thema Ordnung im Büro. Nicht so Ihr Ding? Offen gestanden – meins eigentlich auch nicht.“ (Seite 7) Und schon hat sie die Leserin am Händchen gepackt und mitten in die Geschichte gezogen. Fortan steht man wie ein unsichtbarer Begleiter neben Veronika und wird immer wieder persönlich angesprochen. „Würden Sie jetzt noch meine Bücher lesen? (...) Sehen Sie. Ich nämlich auch nicht.“ (Seite 15). Man ertappt sich dabei, ihr tatsächlich antworten zu wollen, wenn sie nach einem merkwürdig verlaufenden Gespräch verwirrt fragt: „Hat er vorhin schon erzählt, in welchem Bereich er tätig ist und habe ich es bloß überhört? Erinnern Sie sich etwa daran?“ (Seite 129)


    Humorvoll und sympathisch ist sie, die kaffeesüchtige Veronika mit ihrer Vorliebe für Kalorienbomben aller Art. Da ist man auch kein bisschen neidisch, dass sie rank und schlank bleibt und die permanenten Schlemmereien überhaupt nicht bei ihr anschlagen. Was sie definitiv nicht ist: erwachsen. Das sieht ihre unkonventionelle und lebenslustige Tante Amanda, 81, ganz richtig. Und mit 35 wird’s langsam Zeit, dass man Alltag, Arbeit und das Liebesleben so auf die Reihe kriegt, dass nicht ständig irgendwelche Mitmenschen Babysitter, Coach und Lebensretter spielen müssen. Das sieht unsere Heldin zwar ein, aber wie sie das bewerkstelligen soll, ist ihr ein Rätsel. „Warum kann ich auf der großen Tastatur des Lebens nicht einfach Strg + Z drücken? Auf einen Schlag alles ungeschehen machen und dann sofort abspeichern – dass es auch für immer so bleibt?“ (Seite 237) Schöne Idee, Veronika! Aber so funktioniert das leider nicht. Für deine Probleme wirst du schon andere Lösungen finden müssen ...


    „Dass man sich je nach Rolle – etwa Chef, Mitarbeiter, Ehepartner, Elternteil, Kind, Bankkunde, Patient etc. – immer etwas unterschiedlich verhält, ist ja völlig normal.“, sagt die Autorin Heike Abidi. „Bei meiner Heldin wirkt der Kontrast Ordnungsexpertin / Chaotin besonders amusant, was naturlich Absicht ist ... Wenn ich aber spontan sagen soll, was beiden Teilen ihrer Persönlichkeit gemeinsam ist, dann ist es wohl das Talent, aus allen Lebenslagen das Beste zu machen. Sei es ein unverhoffter Paris-Aufenthalt oder eine ungeplante Karriere.“ (Quelle: Pressemappe des Verlags)


    Es besteht also noch Hoffnung für unsere chaotische Ordnungsexpertin. Das habt ihr euch schon gedacht, nicht wahr? Schließlich handelt es sich hier um einen heiteren – und gänzlich kitschfreien - Frauenroman, und da enden die Geschichten nun mal nicht tragisch. Diese Literaturgattung will uns weder belehren noch verstören sondern „nur“ gut unterhalten. Und das schafft ZIMTZUCKERHERZ mit links!



    Foto: Verlag


    Die Autorin
    Heike Abidi wurde 1965 in Birkenfeld/Nahe geboren. In Gießen studierte sie Sprachwissenschaften, Neuere Geschichte und Mediendidaktik und lebt heute als freiberufliche Werbetexterin und Autorin mit ihrer Familie in der Pfalz bei Kaiserslautern. Sie beschreibt sich als glückliche Ehefrau, glückliche Mutter, glückliche Hundebesitzerin und glückliche Texterin.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

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