Kann Literatur Kinder beeinflussen?

  • Da ich über diese Thematik in letzter Zeit des Öfteren gestolpert bin, möchte ich sie hier doch mal zur Diskussion stellen: Wie weit sind Kinder durch Literatur überhaupt beeinflussbar?


    Das fängt bei Bilderbüchern an, die kindliches Wohlverhalten fördern sollen (einschlafen, aufs Töpfchen gehen, Schnuller wegschmeißen) und hört bei Moral (Freunden helfen, die Natur schützen, Ausländer akzeptieren) nicht auf. Abgesehen von vorlesenden Eltern, die vom erhobenen Zeigefinger genervt sind, haben solche Bücher, soweit ich das mitgekriegt habe, keinerlei Einfluss auf die Wertvorstellungen oder das Verhalten von Kindern.


    Und wie ist das bei „problematischen“ Inhalten? Gerade ältere Kinderbücher verbreiten teilweise doch sehr veraltete Rollenbilder und Moralvorstellungen, aktuell ging es mir so bei der Biene Maja, wo unterschwellig bedingungslose Opferbereitschaft und Unterwerfung unter die Vorgaben der „Gesellschaft“ postuliert werden. Vernehmen Kinder auch diese Botschaft nicht und sehen einfach nur eine hübsche Bienen-Geschichte? Oder bleibt nicht doch irgendwas von solch fragwürdigen Botschaften hängen?

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Natürlich bleibt da was hängen- das erklären zumindestens die Kinderpsychologen immer. Ich habe seitenweise Ausführungen in meinem Berufsleben verarbeiten müssen, wenn sich in Sorgerechtsprozeßen der/die Kinderpsychologe/in mit der Frage auseinandersetzt ob das Kind liest und wenn ja was und auf Einfluß welcher Eltern, vorallem aber so Fragen ob es den Kindeswohl dient, wenn Papa das Kind dies oder jenes lesen lässt, was Mama aus erzieherischen Gründen verbietet. Auch wenn sich hier in Leipzig leider mehr ums Thema Fernsehen dreht, kommt das Lesen durchaus auch vor. Spannend waren die Ausführungen zu einem Kinderbuch, das ich aus meiner Kindheit kenne- Mama wollte das nicht und Papa fand es einfach Tradition. Das war so ein Osterhasenbuch, das ein sehr traditionelles Frauenbild verbreitet oder Janosch (kenne ich kaum) soll auch so negativ sein.


    Das soll aber zweitwichtigstes Beeinflussungsmerkmal sein, nach Vorleben durch die Eltern (Ich liebe den Spruch: Wir können aufhören unsere Kinder zu erziehen, sie machen uns doch alles nach!), aber noch vor Fernsehen.

  • Ich denke nicht, daß es die Bücher alleine sind, die irgendwelche Botschaften vermitteln. Wenn nicht darüber gesprochen wird, bleibt da meines Erachtens auch nix hängen.


    Wir haben hier mal eine Geschichte gelesen, da ging es um einen Jungen der zum Spaß um Hilfe gerufen hat und dem dann nicht mehr geholfen wurde, als es dann tatsächlich ernst wurde. Die Geschichte hat meine Mädels lange beschäftigt udn auch heute noch, einige Jahre später kommen sie immer mal wieder drauf zu sprechen.
    Wir haben ihnen damals halt ausführlich erklärt, warum es wichtig ist nur dann um Hilfe zu rufen, wenn auch Hilfe benötigt wird.
    Wenn das mal wieder nicht klappt, reciht meistens nur der kurze Satz: Erinnert ihr euch noch an den Jungen mit den Schafen? und schon sehen sie ein, wie es richtig zu laufen hat.


    Von daher denke ich, ist es wohl immer abhängig vom Anlass und der Umgebung, in der solche Bücher gelesen werden, inwieweit da die Moral von der Geschicht dann hängenbleibt.


    Ich denke von alleine kommt kein 6-jähriger auf die Idee die Biene Maja sozialkritisch zu betrachten, ich denke da ist es eher die nette Bienengeschichte, die interessiert.


    ecit meint: Also, wenn die Kids mit nem Buch kommen, daß man selber nicht so toll findet, sollte man halt drüber reden, warum das so ist und sich damit auseinandersetzen.
    Ab nem gewissen Alter hat man dann eh nur noch wenig Zugriff auf die Buchauswahl....

  • Interessante Frage, DraperDoyle :)


    Prinzipiell wuerde ich sagen: Ja, Kinder werden beeinflusst. Ich meine ich bin so jung, dass ich mich durchaus noch erinnern kann wie es bei mir war. ;-) Und meine Vorbilder waren nun mal in der Regel Portagonisten in Romanen, vor allem da ich sehr wenig Fernsehen geguckt habe und zumindest ganz frueher natuerlich auch noch nicht so sportbegeistert war, war das neben dem 'echten Leben' meine einzige Quelle.


    Allerdings wusste ich auch genau, welche Vorbilder mir gefallen und welche nicht. Ich denke mein groesstes Vorbild waren eben doch meine Eltern, die mir bestimmte Werte vermittelt haben, u.a. eben auch Eigenstaendigkeit, Selbstbewusstesein und Verantwortungsbereitsschaft. Ich weiss nicht, ob es daran liegt, aber ich konnte mit Biene Maja, wenn du sie jetzt schon als Beispiel nennst, nie sehr viel anfangen, weil mich in der Geschichte nichts angesprochen hat.


    Ich hatte aber schon das Gefuehl, dass ich aus anderen Buechern etwas "mitgenommen" habe. Dazu muss man aber auch sagen, dass ich als Kind extrem viel gelesen habe, und da ich mich mit Fernsehen, Hoerspielen usw. nur sehr eingeschraenkt beschaeftigt habe (weil ich lieber lesen wollte, meine Eltern haben mir da freie Auswahl gelassen) waren Buecher die einzige Form von Entertainment, die ich aus diesem Bereich mitgenommen habe.


    Ich glaube aber, dass Kinder sehr wohl mehr zwischen realer Welt und Fiktion unterscheiden koennen, als wir ihnen manchmal zutrauen wollen. ;-) Ich denke also schaden wird das Lesen keinem Kind. :grin

  • Jein.


    Bei der Kindererziehung fliessen doch soviele Faktoren mit ein. Bücher spielen sicherlich eine Rolle, doch wie gross sie ist lässt sich nicht einfach bemessen. Sie können unterstützend wirken oder z.B. den Eltern bzw. Vorleser helfen einen Aufhänger zum Gespräch zu finden. Selbst wenn es einfach nur die Zeit ist, die man miteinander und einem Buch verbringt, so stellt das in sich ja auch schon eine gewisse Wertvorstellung da.


    Will sagen, wenn die Botschaft eines Buches beim Kind hängen bleibt, dann eigentlich meist, wenn zusätzlich diese Botschaft eh schon im Umfeld vermittelt wurde.


    Wenn ich eines meiner Kinder nach einer Romanfigur aus meiner Kindheit benannt habe, so ganz sicherlich auch, weil mich dieses Buch beeinflusst hat. Der Klang des Namens allein war es nicht.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von Beatrix


    Wenn ich eines meiner Kinder nach einer Romanfigur aus meiner Kindheit benannt habe, so ganz sicherlich auch, weil mich dieses Buch beeinflusst hat. Der Klang des Namens allein war es nicht.


    [OT on] Ich stelle mir gerade vor, wie sich meine (nicht existenten) Kinder "Pipilotta", "Atreju" und "Urmel" freuen wuerden, wenn ich auf die Idee kaeme :lache [/OT off]


    Bei dem Kommentar ist mir noch etwas eingefallen, was ich sagen wollte: Obwohl ich sagte, dass Kinder Romane und Wirklichkeit gut trennen koennen, fuehlten sich meine Lieblingsfiguren doch immer an wie Freunde. Wenn die Eltern aber bei der Erziehung einiges richtig gemacht haben, dann lernen die Kinder auch, dass man nicht alles nachmachen sollte, was Freunde tun, ohne es vorher zu hinterfragen. :-)


    Es gibt sicher Kinder bei denen in der Erziehung Dinge falsch laufen, das ist dann aber am wenigsten Schuld der Buecher. ;-)

  • Zitat

    Original von Beatrix


    Will sagen, wenn die Botschaft eines Buches beim Kind hängen bleibt, dann eigentlich meist, wenn zusätzlich diese Botschaft eh schon im Umfeld vermittelt wurde.


    Das ist sicherlich, wie ja auch beo meinte, richtig: Biene Maja wurde von einem Kind während der Nazi-Zeit sicherlich anders gelesen als von heutigen Kindern. Trotzdem würde mich brennend interessieren, was beos Kinderpsychologen so sagen.


    Und wie ist das mit diesen Hilfebüchern? Der Opa ist tot, der Papa ist ausgezogen, es gibt ja für alle Lebenslagen Kinderbücher. Trösten die wirklich oder helfen die nur dem Gewissen der Eltern?

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Die helfen den Eltern. Wir müssen ja unterscheiden wie du lesen verstehen willst. Ich ging jetzt von 08 - 14 jährigen Kindern aus, die selbst lesen und Lesewünsche äussern.. Kleiner Kinder erfahren gelesenes ja durch die elterliche Autorität. Das geht doch oft so weit, dass Papa das Kinderbilderbuch vom Test her auswendig kann, weil er es so oft vorgelesen hat. Da vermischt sich für das Kind das Medium Buch mit dem Vorbild Papa.


    Wobei bei den Hilfebüchern meine ich die helfen den Eltern etwas kindgerecht "rüberzubringen", nicht die helfen den Eltern ihr Gewissen zu beruhigen.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Zitat

    Original von DraperDoyle: Wie weit sind Kinder durch Literatur überhaupt beeinflussbar?


    Ja, meines Erachtens werden Kinder durch Bücher beeinflusst, aber in anderer Weise als wir es Erwachsenen uns vorstellen und vielleicht beabsichtigt haben.
    Ein Blick in die eigene Kindheit dürfte dafür genügen ;-).


    Hier mal ein Beispiel: Vor einigen Jahren besuchten wir eine befreundete Familie, die wir lange nicht gesehen hatten. Der Nachwuchs, ein knapp drei Jahre altes Mädchen wollte unbedingt erst dann schlafen gehen, wenn der Besuch auch zu Bett gehen wollte. Auf Nachfrage kam dann heraus, dass das Mädchen unbedingt unsere Schlafanzüge kontrollieren wollte, die nach ihrer Vorstellung blaue Punkte haben sollte. Wir Erwachsenen schüttelten darüber natürlich nur den Kopf. Am nächsten Morgen schleppte das Mädchen dann ihr Lieblingsbuch an, in dem Moritz (der Protagonist und heimliche Held) selbstredend einen weißen Schlafanzug mit blauen Punkten trug und sich dann herausstellte, dass in der Vorstellung des Kindes Jungs solche Schlafanzüge tragen müssen.
    (Ach ja, Herr SL und ich mussten mit unserer Nachtwäsche enttäuschen :lache.)


    Noch ein Wort zu Biene Maja:
    Auf Biene Maja kamen ein Freund und ich kürzlich zu sprechen.
    Wir, beide haben die 30 schon überschritten, stolperten über den Namen einer Konzertpianistin, deren Vorname Thekla lautete. Ich meinte dann nur, dass die Eltern bereits bei der Namensgebung schon die Karriere im Blick gehabt hätten, während der Freund (DD, er ist Biologe :lache) erwiderte, sein Kind niemals Thekla zu nennen, denn dieser Vorname würde ihn ausschließlich an die Kreuzspinne aus Biene Maja erinnern :grin.


    Die Beispiele sind sowohl subjektiv als auch plakativ, zeigen aber, dass es nicht immer um Gutmenschentum, Geschlechterrollen, etc. geht, sondern auch andere, völlig nebensächliche Aspekte beeindrucken, mit denen wir Erwachsenen überhaupt nicht rechnen.


    Kurzum, was ich sagen möchte, vielleicht sollten wir Erwachsenen bei Kinder- und Jugendbüchern nicht immer nur den pädgogisch-wertvollen Scheuklappenblick aufsetzen, sondern vielerlei Bücher anbieten und darauf vertrauen und zulassen, dass die Sprösslinge mit zunehmender Erfahrung sich eine eigene und möglicherweise auch andere Meinung als die der Eltern bilden.

  • Zitat

    Original von DraperDoyle: Und wie ist das mit diesen Hilfebüchern? Der Opa ist tot, der Papa ist ausgezogen, es gibt ja für alle Lebenslagen Kinderbücher. Trösten die wirklich oder helfen die nur dem Gewissen der Eltern?


    Das hier hilft den Kindern, nicht den Eltern ;-).

  • Zitat

    Original von ScoobyDoo


    [OT on] Ich stelle mir gerade vor, wie sich meine (nicht existenten) Kinder "Pipilotta", "Atreju" und "Urmel" freuen wuerden, wenn ich auf die Idee kaeme :lache [/OT off]


    Nun, genau gesagt, hab ich den Namen einer Nebenfigur genommen, der dann doch etwas alltagstauglicher war als der der Protagonistin ;-)

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von beowulf
    Wobei bei den Hilfebüchern meine ich die helfen den Eltern etwas kindgerecht "rüberzubringen", nicht die helfen den Eltern ihr Gewissen zu beruhigen.


    So sehe ich das auch. Nicht immer fällt es den Eltern leicht die richtigen Worte zu finden. Ein Kinderbuch zum Thema kann dann dabei helfen.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von Beatrix
    Nun, genau gesagt, hab ich den Namen einer Nebenfigur genommen, der dann doch etwas alltagstauglicher war als der der Protagonistin ;-)


    Wobei Pipilotta auch wesentlich alltagstauglicher ist als die anderen Vornamen Viktualia Pfefferminzia Rollgardina Ephrahimstochter (für die Reihenfolge übernehme ich keine Gewähr)

  • Kinder werden durch alles und jedes beeinflusst, also auch durch Bücher. Und diese Beeinflussungen "prasseln" quasi ungefiltert auf die Kinder ein. Nun liegt es an den Eltern ggf. auch an der Schule, diese Beeinflussungen zu kanalisieren, sie zu ordnen und sie den Kindern im positiven Sinn verständlich zu machen. Passiert das nicht, können diese unkontrollierten Beeinflussungen ein ziemliches Chaos anrichten, das irgendwann nur schwer - wenn überhaupt - beseitigt werden kann. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Die Frage ist natürlich, wie sie beeinflusst werden. Wenn's dumm läuft, versucht ein Autor, eine wahnsinnig pädagogische Geschichte, mit der Botschaft zu schreiben, dass man alten Leuten über die Straße helfen soll, und beim Kind bleibt nur hängen, dass Omas eine geblümte Kittelschürze zu tragen haben, siehe Salonlöwins Pyjama :grin


    Richtig gelungen finde ich da Riso, Oskar und die Tieferschatten. Tiefbegabt ist bei ihr zu einem völlig wertfreien Adjektiv geworden, dass sie für Menschen mit geistiger Behinderung verwendet, wie sie auch deren Haarfarbe oder Kleidung beschreiben würde.
    Das hat freilich nur funktioniert, weil sie schon in einen integrierten Kindergarten und jetzt Schule ging, den fast gleichaltrigen schwerstbehinderten Sohn einer Bekannten kannte und wir zuhause auch nicht von Spastis oder Doofis reden.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Was heißt hier schon Kinder?
    "Sofies Welt" wurde von Gaarder zum Beispiel geschrieben, um junge Menschen mit Philosophie(geschichte) in Kontakt zu bringen - hat bei mir super geklappt.


    Auch jüngere werden sicherlich von Büchern, die sie lesen beeinflusst - wenn sie jetzt nicht gerade zum Lesen gezwungen werden. Natürlich analysieren Kinder nicht bewusst, aber ich weiß von einem 10jährigen Jungen, dem beim Lesen der "Stadt der Wilden Götter" auffiel wie pauschalisierend Allendes Geschlechterbild ist. (z.B. ein Dialogauszug aus der Fortsetzung "Im Bann der Masken":
    (Frage an eine Stammesführerin die ihr Volk lehreen soll in Frieden zu leben): "Wie wollen Sie vorgehen?" - Antwort:" Ich fange bei den Frauen an, die sind mit Güte gesegnet.")
    Also: auch Kinder evaluieren (unterbewusst). Natürlich hängt die Entwicklung des Kindes auch von ganz vielen anderen Sachen ab, aber letzten Endes werden wir von allem beeinflusst und verändert, oder?

    "It is necessary to distinguish [...] between languages as such and their speakers. Languages are not hostile one to another. They are, in the contrast of any pair, only similar or dissimilar, alien or akin."
    -J. R. R. Tolkien, "English and Welsh"

  • Beruflich bedingt liegt mein Augenmerk bei dem Thema ganz klar bei den Kleinen.
    Bis 6 Jahre kann ich mitreden *g*


    Ich finde es nicht wichtig, das Bücher-Themen bei den Zwergen hängen bleiben.
    Gerade in dem Alter, der Einstieg im Umgang mit Bildern, Büchern, Geschichten.... muss das ganze Spaß machen. Da kann es in dem ganzen Buch auch einfach mal um einen Kleinen Maulwurf gehen, der wissen will, wer ihm auf den Kopf gemacht hat. (Ich liebe es ! *lach*)


    Wichtig ist für mich das miteinander. Ich kann den Kindern das tollste Buch vor die Nase legen, erst wenn wir es gemeinsam bearbeiten.
    Mit Sprache spielen (in dem Alter lieben die Kleinen Reimformen, die man wunderbar mitsprechen und weiterspinnen kann), die Fantasie gemeinsam schweifen lassen oder gewissen Dingen auch einfach mal auf den Grund gehen.


    Die Bücher einfach spannend machen. Dann bleibts auch hängen ;-)

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Kinder werden durch alles und jedes beeinflusst, also auch durch Bücher. Und diese Beeinflussungen "prasseln" quasi ungefiltert auf die Kinder ein. Nun liegt es an den Eltern ggf. auch an der Schule, diese Beeinflussungen zu kanalisieren, sie zu ordnen und sie den Kindern im positiven Sinn verständlich zu machen. :wave


    Ich denke auch die Eltern sollten auf jeden Fall hinsehen, was ihre Kinder lesen. Bei manchen Büchern ist es so, wie streifi auch schon sagte, dass es hilft, warüber zu reden. Meine Eltern, die beide damals nicht gern gelesen haben, hatten kein Verständnis dafür, dass ich Büchermengen aus der Bibliothek mit nach Hause schleppte und sie fragten gar nicht nach, was ich denn da las. Es gab so manches Buch, dass ich viel zu früh gelesen habe und gar nicht so wirklich verarbeiten konnte. Ich erinnere mich, dass ich in unserer Tageszeitung eine Fortsetzungsgeschichte von Konsalik las "Ein Komet fällt vom Himmel" und lange Zeit riesige Angst davor hatte, dass das demnächst passieren würde. Der nächste Roman handelte von einem Mörder, der sich nachts in Kinderheime schlich und die schlafenden Kinder ermordete und ich schlief danach Monate lang unter meinem Bett, damit man mich nicht sehen konnte...


    Die Dinge, die wir als Erwachsene in manchen Büchern sehen, fallen Kindern vielleicht gar nicht auf -für mich war die Biene Maja auch nur eine Bienengeschichte. Trotzkopf und Pucki waren nette Schmöker, bei denen ich erst Jahre später, bei einem erneuten Leseversuch über das Frauenbild entsetzt war. Als Kind habe ich diese Bücher geliebt.
    Meine Freundin hatte mir ein "DDR-Buch" mitgebracht, das hieß "Zirkuskinder" und ich habe es zig mal gelesen und die spannende Geschichte hat mich immer wieder begeistert. Als mir das Buch vor einiger Zeit in die Hand fiel, war ich total erstaunt, wie sehr in diesem Buch versucht wurde, politischen Einfluss auf die Kinder zu nehmen. Das hatte ich damals überhaupt nicht wahr genommen.

  • Zum Glück funktionieren Kinderbücher nicht so simpel, dass Kinder brav ihr Zimmer aufräumen, nachdem ihnen ein Buch mit darin enthaltenem pädagogischen Zeigefinger vorgelesen wurde. Wie oft Suchfragen in Bücherforen gestellt werden nach "Mein Kind wäscht sich nicht, mein Kind räumt nicht auf", verblüfft mich allerdings immer wieder.


    Vorlesen und gemeinsam Bücher ansehen wirkt m. A. nach ganz anders. Mit Kindern, die für eine ganze Geschichte noch viel zu klein sind, funktioniert das Bücheransehen wie ein Dialog - ich zeige dir etwas, du zeigst mir etwas, wir haben Spaß dran, das Buch zu entdecken.


    Später vermittelt Vorlesen Sicherheit, immer wieder die selbe Geschichte, immer wieder findet der kleine Hund oder der kleine Tiger zurück zu Mama, nachdem er sich in die Welt hinausgewagt hatte. Eine wichtige Funktion hat Kinderliteratur, in dem sie Kinder stellvertretend ihre Ängste aushalten lässt und ihnen Figuren bietet, auf/in die sie ihre Gefühle projizieren können. Ich glaube, Bruno Bettelheim sagte, Kinder haben keine Angst vor Hexen in Büchern, sie möchten dringend selbst diese Hexe sein. Die meisten Eltern erleben irgendwann die schiere Lust, mit der Kinder genießen, dass ein anderes Kind im Buch böse Dinge tut - und ihr Kind über diesen Boshaftigkeiten einfach den Buchdeckel schließen kann.


    Eine weitere Funktion hat die - inzwischen - Jugendliteratur, wenn darüber Gespräche im Freundeskreis geführt werden. Die Phase, wenn die Lieblingsbücher der Freunde ins Haus kommen, finde ich wichtig und auch für Eltern anregend. Kinder, die viele lesen und über ihre Lektüre sprechen, fand ich in ihrer Einfühlungsfähigkeit in andere immer erfreulich weit entwickelt.


    Kritisch diskutiert wird häufig, wozu Problembücher gut sein sollen, die penetrant als solche zu erkennen sind. Eltern und Erzieher sollten auf diesem Gebiet nicht in simplen Ursache-Wirkung-Kategorien denken. Die typischen Außenseiter-Geschichten wie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", die einem im Deutschunterricht begegnen, haben viele wichtige Funktionen. Sie lassen Jugendliche über den eigenen Tellerrand blicken und sie können der Bildung einer Unterstützer-Szene dienen. Wenn ich aus einem Jugendroman von Selbstverletzung, Magersucht oder Depressionen weiß, reagiere ich - so hoffen viele - entschlossener und zügiger, wenn die eigene Freundin sich merkwürdig benimmt. Diskussionen am Familientisch, wie realistisch oder wie konstruiert solche Szenarien sind, haben mir gezeigt, dass die Bücher bereits einen Zweck erfüllt haben, wenn Kinder untereinander oder Eltern und Kinder miteinander sprechen.

  • Ein Beispiel noch auf die unterschiedliche Rezeption von Kindern und Erwachsenen:


    Drei Kinder (drei, drei und fünf Jahre alt) sehen mt dem Babysitter Beo zusammen fern, irgendwas kindgerechtes, denkt sich Beo in seinem damaligen Jugendlichen Leichtsinn. Als ich dann auf dem Klo war schaltete der älteste auf einen Western um, großes Geballere, Belagerung eines Trecks durch Indianer, wüstes Geheule, Tote vom Pferd fallende Indianer, den Kopf gespalten bekommende Weiße. Absolut kindeswohlgefährdend, meinte ich (und meine ich heute eigentlich immer noch). Die Kiddies aber schauten da nur fasziniert auf den Bildschirm. Bewegte Bilder, die nichts mit ihnn zu tun hatten. Historischer Roman. Woche drauf, some procedure es läuft Biene Maja- großes Geheule. Biene Maja flog durch ein Gewitter und hatte Angst. Das war etwas aus der realen Erlebniswelt der Kinder, diese konnten (und wollten offensichtlich) sich mit Maja und ihren Freunden identifizieren und hatten auch Angstgefühle.