Erdbeerkönigin - Silke Schütze

  • 391 Seiten


    Kurzbeschreibung


    Vor 20 Jahren wurde Eva in ihrem Heimatdorf zur Erdbeerkönigin gekürt und traf in Hamburg für ein paar Stunden den attraktiven Daniel. Sie hat ihn nie vergessen – und erfährt nun, dass er gestorben ist und sie zu seiner Grabrednerin bestimmt hat. Aber warum? Für Eva beginnt eine Spurensuche voller unerwarteter Entdeckungen...



    Über den Autor


    Silke Schütze, Jahrgang 1961, lebt in Hamburg. Nach ihrem Studium der Philologie war sie Pressechefin bei einem Filmverleih und Chefredakteurin der Zeitschrift CINEMA. Sie hat bereits zahlreiche Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht und hält Schreiben für die zweitschönste Sache der Welt. 2008 wurde Silke Schütze vom RBB und dem Literaturhaus Berlin mit dem renommierten Walter-Serner-Preis ausgezeichnet.



    Meine Meinung


    Eva ist genervt - von ihrer Kaffeemaschine, von ihrem 17-jährigen Sohn Benny, von ihrem Mann Nick, vom Alltag. Da erhält sie einen Brief von einem Anwalt: Daniel, den sie vor 20 Jahren für ein paar Stunden getroffen hat, wünscht sich Eva als Grabrednerin.


    Sie ist verwundert, packt aber spontan ihre Sachen und reist nach Hamburg und begibt sich auf Spurensuche. Sie lernt Daniels Freunde und Bekannte kennen, darf in seiner Wohnung übernachten und erinnert sich Stück für Stück an diese eine magische Nacht, die sie vor langer Zeit mit Daniel verbracht hat.


    Ich muss zugeben, während der ersten rund 100 Seiten war ich etwas enttäuscht von dem Buch. Mir schien die Geschichte zu konstruiert und irgendwie passierte nicht viel. Doch trotzdem wollte ich wissen, was es nun mit Daniel und Eva auf sich hat. Und ich bin froh, dass ich durchgehalten habe, denn nach und nach zog mich das Buch in seinen Bann und hat mich sehr berührt.


    Gut gefallen hat mir, dass Eva und Daniel auch Ecken und Kanten haben und dass besonders vom verstorbenen Daniel auch die weniger schönen Eigenarten zum Vorschein kommen.
    Wie realistisch es ist, dass die brave Eva so plötzlich ausbricht und dabei ihre Ehe aufs Spiel setzt und dass sie in Daniels Freundeskreis so toll aufgenommen wird, sei mal dahingestellt. Aber ihre Geschichte hat mich gefesselt und ich war fasziniert, dass diese eigentlich traurige Geschichte gleichzeitig sehr lebensbejahend ist. Und sie bringt einen zum Nachdenken über die eigenen Wünsche und Freundschaften. Ebenso wie die Fragen aus dem Spiel "Gesprächsstoff", mit denen jedes Kapitel beginnt. Wenn man das Buch zuschlägt, hat man plötzlich Lust alte Freundschaften wieder aufzufrischen.


    Das Buch ist im Präsens geschrieben. Eigentlich eine Tatsache, die mich in Büchern nervt. Hier fiel es mir erst auf Seite 150 überhaupt auf - vielleicht muss ich meine Abneigung gegen Geschichten im Präsens doch nochmal überdenken. ;-)


    Bezaubernd fand ich die Nebenfiguren, egal ob die alte, aber lebensfrohe Ärztin Dr. Lenchen, den ständig flirtenden Franzosen Filou oder Daniels 13-jährige Tochter Mia.


    Alles in allem: 9 Punkte für wunderbare Lesestunden!

  • Ich hatte so meine Schwierigkeiten mit Eva - wobei ich ihr Ausbrechen sehr gut verstehen konnte. So wie sich Mann und Sohn verhalten haben, vor allem noch die ersten Aussagen nach ihrer Abreise wäre ich auch nicht zurückgegangen. Es war viel heilsamer für sie, als sie mal alleine zurecht kommen mussten. Die Freundschaften fand ich alle sehr schön, die sagten sich auch mal die Wahrheit, es gab nicht viel Vorgeheucheltes. Aber jeder hat die Vor- und Nachteile der einzelnen Personen gesehen, das fand ich sehr realistisch. Eva hat Daniel halt viel bedeutet - warum auch immer - seine Freunde haben sich bemüht, das Besondere in ihr zu sehen.


    Oft ist es ganz hilfreich, sein Leben von aussen zu betrachten und Meinungen völlig Fremder zu hören, dann wird der Blick wieder klarer auf das, was man eigentlich möchte. Das drückt das Buch ganz gut aus, genauso, wie wichtig gute Freundschaften sind. Vor allem, dass man sich als Freund die Wahrheit sagen kann. Der Schreibstil im Präsens ist mir überhaupt nicht aufgefallen, wobei ich den ansonsten eigentlich auch nicht mag, aber er durch viele Rückblenden wechselte er irgendwie ständig - ich könnte mich jetzt nicht auf einen festlegen. Zumindest passte er aber von vorne bis hinten.


    LG
    Patty

  • Ich fand das Buch klasse - irgendwie hat es bei mir absolut einen wunden Punkt getroffen, obwohl meine Kinder ja noch kleiner sind. Aber ich konnte mich von Anfang an in Eva reinversetzen, habe mit ihr mitgelitten und mich mit ihr gefreut und war am Ende dann doch nochmal ziemlich überrascht! :-)


    Das Buch gehört auf jeden Fall zu meinen Highlights des Jahres 2012 und bekommt von mir satte 10 Punkte!


    LG, Bella

  • Von Silke Schütze hatte ich zuvor noch kein Buch gelesen. Aber dieses Buch von ihr wird wohl nicht das letzte gewesen sein, denn es hat mir sehr gut gefallen!


    Schon der Klappentext hat mich neugierig gemacht. Eva, die Hauptfigur in diesem Roman, führt ein eher unspektakuläres Leben. Die Gemeinsamkeit mit ihrem Ehemann Nick ist aufgrund der Alltagssorgen ein wenig ins Hintertreffen geraten, der pubertierende Sohn raubt ihr den letzten Nerv. Bei ihrer besten Freundin hat sie sich schon Ewigkeiten nicht mehr gemeldet, die Freundschaft steckt in einem Winterschlaf. Hinzukommt, dass ihre Mutter vor drei Wochen verstorben ist und sie ihre Trauer noch nicht wirklich verarbeitet hat. In diese Situation herein platzt ein Brief von einem Hamburger Anwalt, der ihr vom Tod ihrer quasi ersten großen Liebe, Daniel, und dessen letzten Wunsch berichtet: Sie, die sie seit Jahren keinen Kontakt zum Verstorbenen hatte, soll die Grabrede halten!


    So nimmt die Geschichte ihren Lauf – Eva bricht aus ihrem Alltag aus und reist völlig überstürzt nach Hamburg, wo sie ohne Umschweife in das Leben Daniels eintaucht und dieses mit allen Facetten kennenlernt. Es hat großen Spaß gemacht, Eva auf Daniels Spuren zu begleiten, mit ihr zu lachen und mitzuleiden. Denn es ist nicht nur Daniels Leben, das sie reflektiert, nach und nach stellt sie sich auch Fragen zu ihrem eigenen Leben und der Liebe zu ihrem Mann Nick. Ihre Zeit in Hamburg gleicht dabei einer Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen, überbordender Lebenslust und tiefer Traurigkeit, die sie mit Hilfe neu gewonnener Freunde und der aus dem Winterschlaf erwachten Alissa mutig überwindet. In Rückblenden wird zudem von Evas Begegnung mit Daniel erzählt, so dass man als Leser nach und nach versteht, welche Bedeutung diese Zeit für beide hatte.


    Am Ende steht die „Grabrede“, die immer wieder Thema ist und in mehreren Versionen im Verlauf der Geschichte sichtbar wird. Das große Finale ist dann doch ein anderes, aber sehr passendes, was einen das Buch mit wohliger Zufriedenheit zuklappen lässt – auch wenn das Thema, Daniels Tod, alles andere als einfach ist.


    Der Roman ist weder kitschig oder zuckersüß noch über alle Maßen traurig. Silke Schütze ist eine ausgewogene Mischung von locker-leichter und gleichzeitig ernster Unterhaltung mit starken Charakteren gelungen. Ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt, mehrere Male geschmunzelt und gelacht, aber, insbesondere zum Ende hin, auch das ein oder andere Tränchen verdrückt (und das ist echt selten). Ein Buch das ich gerne weiterempfehle – 9 Eulenpunkte.