Frank Schulz las am 27.April 2012 in Kiel
Seit Monaten kamen aufmerksame Literaturbegeisterte nicht an den Plakaten und Anzeigen für eine Lesung mit Frank Schulz vorbei, dessen Agentur offensichtlich ihren Job gemacht hatte: eine erstklassige Veranstaltung zu bewerben.
Dem Aufruf, sich an diesem lauen Abend im Kulturforum einzufinden, waren ungefähr zweihundert Leser gefolgt, die offensichtlich nicht nur eingefleischte Anhänger des Sprachakrobaten Schulz waren, sondern auch dem Milieu in seinem aktuellen Roman "Onno Viets und der Irre vom Kiez" nahestanden - wenn auch auf der anderen Seite - und augenscheinlich aus dem Bereich der Sozialarbeit kamen.
Ganz wohl fühlte ich mich an diesem Abend jedenfalls nicht, kannte ich doch noch keines der Bücher von Frank Schulz, senkte den Altersunterschied des Publikums um mindestens ein Jahrzehnt und war wenig alternativ angezogen, was mir den ein oder anderen abfälligen Blick bescherte.
Egal, jedenfalls freute ich mich auf den Schriftsteller, der so auftrat, wie ich mir Literaturabende immer gewünscht hatte: ein Tisch, ein Stuhl, ein Buch, ein Wasserglas und ein Schriftsteller.
Pünktlich um 20 Uhr betrat Schulz, bekleidet mit einem schwarzen Hemd, dunklem Jackett und einer Jeans die Bühne.
Nach ein paar einführenden Worten, einem zurückhaltenden Kompliment an den Norden und einer Entschuldigung für den mangelnden Augenkontakt während der Lesung, der der Beleuchtung geschuldet war, begann Frank Schulz aus seinem neuesten Roman zu lesen, der auf dem Hamburger Kiez spielt.
Im Mittelpunkt des Romans steht Onno Viets, der die fünzig überschritten hat, Hartz-IV-Empfänger ist und dringend Geld benötigt, um seine Schulden beim Finanzamt bezahlen zu können und seiner Edda ein Fahrrad zum Geburtstag schenken möchte.
Onno, der eigentlich nichts gut kann, bleibt nichts anderes übrig als einen Job als Detektiv anzunehmen.
Sein erster Auftrag gilt der Überwachung von Fiona Popo, einer Gewinner einer zweifelhaften Castingshow und Freundin des Popmagnaten Nick Dolan, der sich der Treue seiner Freundin nicht mehr sicher ist.
In der ersten Stunde führte Frank Schulz seinen Protagonisten ein und las aus Abschnitten vor, in denen Onno sich in seinem Tischtennisclub herumtreibt und später erste Observationen vornimmt.
Schnell wurde dem Publikum klar, dass hier jemand liest, der es versteht mit Sprache umzugehen, bei dem jeder Satz sitzt und ein Kunstwerk ist, das den Leser fordert udn es sich bei Frank Schulz um einen Ausnahmeschriftsteller nadelt, der einen Blick für seine Umwelt hat, jede noch so kleine und unwichtige Beobachtung aufgreift, um sie zu verarbeiten und es schafft, seine Milieustudien mit einer ausreichenden Portion Ironie zu versehen.
Dass es dabei wenig boshaft zugeht, ist bei Frank Schulz wohl darauf zurückzuführen, dass er in seinen Protagonisten Opfer sieht und sich mit ihnen verbunden fühlt, während er sich die Seitenhiebe in Anlehnung an all die verkommenen TV-Shows für die vornehmlichen Gewinner aufhebt.
Nach einer halbstündigen Unterbrechung hörte das Publikum gespannt der weiteren Verfolgung zu und durfte erleben, wie Fiona in Onno ihren Beschützer findet.
Mit wechselnden Stimmen verlieh Frank Schulz an diesem Abend in bestem Missingsch seinen Figuren, die - jede für sich genommen - Marke oder Hamburger Original sind, nicht nur Authentizität, sondern stellte erfolgreich seine Qualitäten als Sprecher unter Beweis.
Der Abend endete erwartungsgemäß mit einem Cliffhanger und der Frage, wie es mit Onno und Fiona weitergeht und veranlasste das Publikum sich mit tosendem Applaus für eine außergewöhnlichen Lesung zu bedanken.