Originaltitel: Darkside (2011)
Manhattan Verlag 2012, 382 S.
Über den Inhalt:
Mitten im Winter schockiert der Mord an einer hilflosen alten Frau den kleinen Ort Shipcott im englischen Somerset. Während der Schnee die Bewohner von der Außenwelt abschneidet, versucht Dorfpolizist Jonas Holly den Killer zu finden. Doch dann reißen Beamte aus der Stadt die Untersuchung an sich, und Holly wird zu einer Statistenrolle verdammt. Daraufhin treffen immer bedrohlichere anonyme Botschaften bei ihm ein, in denen ihm vorgeworfen wird, seine Pflicht nicht zu tun. Als weitere Morde geschehen, werden aus den Vorwürfen unverhohlene Drohungen. Irgendjemand scheint Jonas die Schuld an den Ereignissen zu geben. Selbstanklagen und die Sorge um seine schwerkranke Frau bringen ihn langsam an den Rand des Zusammenbruchs. Zumal er sich fragen muss: Wer jagt hier wen?
Über die Autorin:
Belinda Bauer wuchs in England und Südafrika auf. Sie arbeitete als Journalistin und Drehbuchautorin und wurde mit dem renommierten Bafta Award for Young British Screenwriters ausgezeichnet. Ihr Romandebüt legte sie mit dem von der Kritik wie Lesern gefeierten Werk „Das Grab im Moor“ vor, der als bester Spannungsroman des Jahres mit dem Gold Dagger ausgezeichnet wurde. Belinda Bauer lebt in Wales.
Meine Meinung:
Es ist tiefster Winter im kleinen englischen Dorf Shipcott, als ein Mord geschieht. Wer kann ein Interesse daran haben, eine alte hilflose Frau zu töten in dieser eingeschworenen Gemeinde, in der jeder jeden kennt und in der kein Fremder unbemerkt bleibt? Dorfpolizist Jonas Holly hat keine andere Wahl, als die Ermittlungen an die städtische Kriminalpolizei zu übergeben. Detective Chief Inspector Marvel hält Jonas für einen Hinterwäldler und verweigert die Zusammenarbeit mit ihm. Dann erhält Jonas anonyme Botschaften, die ihn in seiner sowieso schon sehr angespannten Situation noch mehr unter Druck setzen.
Die Autorin hat einen sehr eingängigen, flüssigen Schreibstil. Sie erzählt eine ruhige, atmosphärisch dichte Geschichte, in der das Hauptaugenmerk auf den Figuren liegt. Mit sanftem Humor und einigen komischen Szenen lockert sie die düstere Stimmung immer wieder auf.
Nachdem seine Fau Lucy an Multipler Sklerose erkrankt war, hatte Jonas Holly seine Karrierepläne begraben und war mit ihr zurück in sein Heimatdorf gezogen. Auf der einen Seite haben wir hier den sympathischen Dorfpolizisten, der sich neben seinem Job hingebungsvoll um seine immer stärker von der Krankheit gezeichnete Frau Lucy kümmert.
Während Jonas versucht, seiner beruflichen und privaten Situation gerecht zu werden, kämpft Lucy tapfer um ihre Unabhängigkeit, sie ist ein starker und sympathischer Charakter.
Auf der anderen Seite steht Großstadtpolizist Marvel, der mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat und an Unausstehlichkeit kaum zu überbieten ist. Mit den schrulligen Dorfbewohnern hätte selbst ein Inspector Barnaby so seine Mühe gehabt.
Nach etwa einem Drittel des Buches begann sich meine Ahnung, wer der Mörder sein könnte, zu verfestigen. Ich kann mir gut vorstellen, dass das von der Autorin beabsichtigt ist, schon weil die sehr geringe Anzahl an Tatverdächtigen es schwierig macht, die Identität des Täters zu verbergen. Ein Buch liest sich natürlich anders, wenn der Täter bereits ausgemacht ist, das Augenmerk richtet sich gezielter auf ihn. Doch geschickt werden Hintergrund und Motiv erst im Verlauf der Geschichte aufgedeckt. Belinda Bauer gelingt es, für überraschende Wendungen und unerwartetes Verhalten bei ihren Figuren zu sorgen, so dass der Handlung keine Vorhersehbarkeit angelastet werden kann, höchstens dass sie an einigen Stellen etwas zu langatmig geraten ist. Auch erscheinen mir Situationen wie die, dass vier Polizisten mehrere Wochen vor Ort ermitteln, ohne brauchbare Ergebnisse vorzuweisen, etwas unrealistisch. Erst zum Ende hin nimmt die Geschichte an Fahrt auf und kulminiert dann in einem dramatischen, für mich verblüffenden Schluss.
Insgesamt habe ich das Buch trotz der Kritikpunkte gern gelesen und würde auch zu einem weiteren Buch der Autorin greifen.
Ach ja: Der Schauplatz ist übrigens der gleiche wie in Belinda Bauers erstem Roman „Das Grab im Moor“ und Steven Lamb, einer der dortigen Protagonisten, tritt hier als Nebenfigur auf.