Die heutige Geschichte handelt von einem Mann, der in Greifswald geboren wurde und in Berlin starb. Er war sein Leben lang in ganz Deutschland unterwegs. Somit ist es keine Brandenburger Geschichte im engeren Sinne, aber sie passt in unsere Reihe, da wichtige Stationen seines außergewöhnlichen Lebens in Berlin stattfanden. Der Gründer der Brandenburger Geschichten, Hans Dummer, plante eine Geschichte über ihn, die er nicht mehr in Angriff nehmen konnte. Dieser Beitrag wird nicht annähernd vollständig den wechselvollen Lebenslauf des streitbaren Mannes wiedergeben können. Wir beschränken uns deshalb auf einige Schlüsselereignisse.
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Am 17. Oktober 1911 treffen in aller Frühe am Uhufelsen nahe Rudolstadt zwei Gymnasiasten aufeinander. Beide sind mit Pistolen bewaffnet. Sie stehen sich gegenüber und richten die Waffen aufeinander. Ein Schuss fällt. Einer der Jungen bricht getroffen zusammen. Als der andere feststellt, dass der Schuss nicht tödlich war, schießt er erneut aus nächster Nähe auf den am Boden Liegenden. Dann richtet er die Waffe gegen sich selbst und gibt zwei Schüsse ab. Der Junge heißt Rudolf Ditzen. Er wird wenig später schwer verletzt von einem Bauern aufgefunden und in ein Hospital geschafft. Für den anderen jungen Mann kommt jede Hilfe zu spät.
Diese tragische Episode markiert für Ditzen den Tiefpunkt einer traumatisch erlebten Kindheit. Die späteren Untersuchungen ergeben, dass das Pistolenduell fingiert war. Rudolf hatte sich mit seinem Freund zu einem gemeinschaftlichen Freitod entschlossen - motiviert durch Todessehnsüchte, die ihn durch seine gesamte Kindheit begleitet hatten.
Rudolf Ditzen wird für unzurechnungsfähig erklärt und in eine geschlossene Anstalt eingewiesen. Dort entdeckt er unter Förderung seiner Tante Adelaide seine Liebe zur Literatur. 1913 wird er als geheilt entlassen. Ohne Schulabschluss muss Ditzen sich eine Existenz aufbauen. Er startete eine Laufbahn in der Landwirtschaft. Eine Station führt ihn nach Berlin, wo er Kontakte zu Literaten und Künstlern knüpft. Er begegnet Hans Rowohlt, der im Begriff ist, einen Verlag aufzubauen. Eine weitere wichtige Bekanntschaft ist die mit Anne Marie Seyerlein. Seyerlein entdeckt sein schriftstellerisches Talent und ermuntert ihn, die Geschichte seiner Kindheit in einem Roman zu verarbeiten. Ditzen beginnt die Arbeit an dem Buch „Der junge Goedeschal“. Die Arbeiten geraten in eine Krise. Ditzen verfällt in schwere Depressionen und erscheint nicht mehr zur Arbeit. Anne Marie Seyerlein organisiert medizinische Hilfe. Der Arzt verschreibt Morphium. Damit gelingt es Ditzen zwar seine Lethargie zu überwinden, gleichzeitig stellt es aber den Keim für eine schwere Drogensucht dar, die sein gesamtes Leben prägen wird. Unter einem Pseudonym veröffentlicht Ditzen 1920 seinen ersten Roman bei Rowohlt, ohne dass dieser von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Die folgenden Jahre sind geprägt von der Morphium-Sucht, erfolglosen Entziehungskuren und häufigem Wechsel von Wohnort und Arbeitsstelle. Sein Lebensweg führt ihn quer durch Deutschland. Er schreibt einen zweiten Roman „Anton und Gerda“, der auch von Rowohlt verlegt wird aber ebenso wenig Anerkennung findet. Um seine Sucht zu finanzieren missbraucht er seine Position als Finanzverwalter in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Für diese Unterschlagung muss er 1924 eine sechsmonatige Haftstrafe absitzen. Ein ähnlicher Vorfall ereignet sich 1925. Diesmal muss er für zweieinhalb Jahre hinter Gitter.
1927 lernt er Anne Margarete Issel kennen, die von allen nur Suse genannt wird. Diese Bekanntschaft stellt einen vorläufigen Wendepunkt in seinem Leben dar. Die Beziehung motiviert ihn zu neuer Kreativität. Er arbeitet als Zeitungsredakteur und beginnt ausgelöst durch politische Bewegungen der Zeit einen neuen Roman: „Bauern, Bonzen und Bomben“. 1929 heiratet er Suse Issel. Kurz darauf trifft er zufällig Hans Rowohlt wieder. Rowohlt holt ihn nach Berlin, wo er Ditzen die Leitung der Rezensionsabteilung in seinem Verlag überträgt. Rowohlt veröffentlicht Ditzens dritten Roman. Der Verlag gerät jedoch in finanzielle Schieflage, so dass Ditzen entlassen werden muss. Auch das Honorar für den Roman bleibt aus. In nur vier Monaten schreibt er jetzt einen weiteren Roman, die letzte Hoffnung nicht nur für Ditzen selbst, sondern auch für den Rowohlt-Verlag. 1930 erscheint der Roman „Kleiner Mann was nun“. Dieses Buch wird ein durchschlagender Erfolg und macht Ditzen unter dem Pseudonym Hans Fallada weltbekannt.