"Die September von Schiras" - Dalia Sofer

  • Titel der englischsprachigen Originalausgabe: "The Septembers of Shiraz"



    Teheran, 1981. Der Schah und seine Frau haben vor zwei Jahren das Land verlassen, Khomeini und sein Wächterrat haben die Macht übernommen, der Iran befindet sich im Krieg mit dem Irak. Der stadtbekannte Juwelier Isaak hatte sich in den 70er Jahren hochgearbeitet, sogar die Kaiserin mit Schmuckstücken beliefert, was ihm einen sicheren Platz in Teherans feinster Gesellschaft gesichert hat. Sein Leben hat er in vollen Zügen genossen. Schöne Autos, tolle Reisen in ausländische Metropolen, mehrere Ferienhäuser, Bedienstete. Dass Isaak Jude ist, spielte dabei kaum eine Rolle, denn er fühlt sich in erster Linie als Iraner und ist weder religiös noch politisch besonders engagiert.


    Doch nun wird er in seinem Büro im Auftrag der Revolutionswächter verhaftet. Dass er ein wohlhabender Jude ist, macht ihn in der Islamischen Republik verdächtig, ohne dass er selbst sich jedoch einer Schuld bewusst ist. In den zahlreichen Verhören bleibt er daher auch immer bei seiner Unschuld, was seine Peiniger zunehmend wütend macht. Im Gefängnis trifft er auf andere Leidensgenossen, zum Teil auch Bekannte, die unter den Mullahs zu den ungewünschen Elementen der Gesellschaft gehören: Kommunisten, Künstler, Regimekritiker, Leute, die von andere Leuten verraten wurden. Ohne jemals offiziell angeklagt zu werden, durchläuft Isaak die Folterkeller des Gefängnisses, erlebt wie andere Insassen ohne Prozess hingerichtet werden und verliert nach und nach immer mehr seine Würde und die Hoffnung, sein Familie jemals wiederzusehen.


    Seine Frau Farnaz hatte Isaak wohl vor allem geheiratet, weil er ihr versprochen hatte, dass er gesellschaftlich aufsteigen wird. Obwohl er dieses Versprechen erfüllt hat, ist sie schon lange von ihm enttäuscht und innerlich haben die beiden sich weit voneinander entfernt. Dass sie Isaak vermisst, wird ihr erst bewusst, als er nicht mehr nach Hause kommt. Sie muss mit seiner Verhaftung und den Veränderungen in der Gesellschaft zurechtkommen. Menschen, die nie besonders gläubig waren, werden plötzlich zu fanatischen Anhängern der islamischen Revolution. Die Menschen aus den unteren Schichten akzeptieren die soziale Ungerechtigkeit nicht mehr. Farnaz erfährt dies am eigenen Leib durch ihre langjährige Haushälterin und deren Sohn, die vor Jahren von der Familie aufgenommen und unterstützt wurden, die aber nun wenig dankbar sind und ihre Missgunst - jeder auf seine Art - deutlich zeigen.


    Auch Shirin, Isaaks neunjährige Tochter muss sich umstellen. Vorher auf einer feinen Schule nur unter ihresgleichen, wurden nun die Schulklassen neu durchmischt und sie findet sich plötzlich als Freundin eines Mädchens aus den untersten Schichten wieder, deren Vater auch noch Revolutionswächter ist und zu denen gehören könnte, die ihren Vater ins Gefängnis gebracht haben.


    Und schließlich im fernen New York lebt Parvis, Isaaks achtzehnjähriger Sohn, der von seinen Eltern zum Studium ins Ausland geschickt wurde, bevor er zum Wehrdienst eingezogen werden konnte. Parvis wohnt als Untermieter in Brooklyn bei einer chassidischen Familie, mit deren Religiosität und strengen moralischen Ansichten und Regeln er jedoch nichts anfangen kann. Parvis kommt mit der Anonymität New Yorks nicht zurecht und wird zunehmend depressiver. Er verliebt sich schließlich in Rachel, die Tochter seines Vermieters, die Liebe scheitert jedoch an den strengen religiösen Ansichten ihres Vaters, denen sie sich unterwirft. Parvis' einziger Bekannter Mr. Broukhim steht für das Schicksal vieler Exil-Iraner. Er führt in Brooklyn einen kleinen Blumenladen, im Iran war er ein bekannter Kardiologe.


    Der Roman erzählt kapitelweise immer reihum die Geschichten von Isaak, Farnaz, Shirin und Parvis und dabei anhand der Schicksale dieser Familie auch die Geschichte des Landes. Auffällig ist, dass jedes Familienmitglied seine eigene Geschichte hat, es aber wenig Berührungspunkte gibt. Jeder lebt sehr einsam vor sich hin und bleibt mit seinen Gefühlen ziemlich allein.


    Obwohl die Hauptfiguren jüdisch sind, steht interessanterweise gar nicht so sehr die Unterdrückung der jüdische Bevölkerungs des Irans im Vordergrund, sondern es wird vielmehr deutlcih, dass in der islamischen Republik jederzeit jeder zum Verfolgten werden kann. Angeklagt wird von der Autorin, meiner Meinung nach, weniger ein vermeintlicher iranischer Antisemitismus, sondern blinder religiöser Fanatismus - egal welcher Richtung. Dass jedoch auch unter dem Schah nicht alles klasse war, wird deutlich am Beispiel der Kommunisten, die unter beiden Regimes verfolgt wurden.


    Tolles Buch. Gestört hat mich nur, dass es in der Gegenwartsform geschrieben ist.


    Über die Autorin


    Dalia Sofer wurde im Iran geboren und floh 1982 im Alter von zehn Jahren mit ihrer Familie in die USA. Sie machte ihren Abschluss als Master of Fine Arts in Fiction und war Stipendiatin in Yaddo, einer Stiftung für Künstler in Saratoga Springs. Dalia Sofer lebt heute in New York.
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