Seiten: 250
Format: Taschenbuch
Verlag: Knaur.
Anmerkung: Ich habe mich für die Rezi in dieser Rubrik entschieden, hauptsächlich deshalb, weil dort ausdrücklich „Camping“ als Beispiel stand. Das Buch hätte aber ebenso gut unter „Humor und Satire“ stehen können.
Rückentext:
Eine skurrile Zeitreise in die 70er Jahre
"Jeden Sommer brachen wir mit dem VW-Bus auf in Richtung Süden nach Egal-es-ist-überall-heiss-und-scheiße-Land oder irgendwo anders hin, wo es düstere Felsen, düsteres Meer und düstere Ortschaften mit düsteren Menschen gab. Was es dort nicht gab, war so etwas wie ein Klo oder eine Dusche. Denn meine Eltern waren nicht einfach nur Camper. Nein, sie waren überzeugte Wildcamper! In unseren Urlauben war alles dabei, was Camping damals so außergewöhnlich machte, inklusive der ein oder anderen launigen Nahtoderfahrung. Zumindest wenn man mit meiner Familie unterwegs war."
Für alle, die sich nur zu gut an die Familienurlaube ihrer Kindheit erinnern.
Autor:
Tommy Krappweis, geboren 1972, ist unter anderem Comedian, Musiker, Stuntman und Erfinder der Kultfigur Bernd das Brot, für die er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Nach Stationen in der Westernstadt "No Name City" und bei "RTL Samstag Nacht" arbeitet er heute als Produzent und Autor und verarbeitet nebenbei die traumatischen Erlebnisse seiner Kindheit.
Meine Zusammenfassung:
Urlaub in der Kindheit! Mit den Eltern in fremde, exotische Länder fahren, das Meer sehen und dort dann sogar noch campen! Was für viele Kinder in den 70ern (vielleicht) wie ein Traum klang und heute wehmütige Erinnerungen heraufbeschwört, war für Tommy Krappweis das Fegefeuer auf Erden. Von Geburt an eher ein stubenhockerischer Einzelgänger der seine Freizeit wahlweise am liebsten mit Hörspielkassetten, lesen oder Lego verbrachte, war Tommy scheinbar vom Storch bei den falschen Eltern abgeliefert wurden. Denn egal wie chaotisch, skurril und manchmal auch lebensgefährlich die Szenarien in den verschiedene Urlauben sich abspielten, für seinen Vater Werner Krappweis bedeutete es "wirkliches Leben" und auch seine Mutter plante sofort nach der Heimkehr schon am nächsten Urlaub mit. Was kann man in einer solchen Situation als Kind tun? Richtig, man kann sich verweigern, mit allem was man als Kind so aufzubieten hat. Das das aber meist nicht ausreicht um einen vor Verletzungen oder Traumata zu schützen, davon erzählt dieses Buch.
Meine Rezension:
Ich bin über Tommy Krappweis' Facebook-Seite das erste mal auf dieses Buch aufmerksam geworden. Als ich es dann kürzlich im Buchladen meines Vertrauens gesehen habe, durfte es mich nach Hause begleiten. Man mag vielleicht glauben, dass der Buchuntertitel „Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte“ übertrieben oder seinem Beruf als Comedian geschuldet ist. Ich kann aber nach der Lektüre nun behaupten, dass Tommy Krappweis nicht zu unrecht froh ist, noch am Leben zu sein. Selbst sein Vater muss zugeben, dass mehrere der geschilderten Situationen wirklich lebensgefährlich waren.
Das fand ich im Übrigen eine wirklich gelungene Idee. Natürlich nutzt Tommy dieses Buch um Frust und Ärger von damals auf fast schon therapeutische (aber für den Leser nichts desto weniger amüsante) Weise zu verarbeiten. So könnte man auf den Gedanken kommen, dass er im Rückblick viele Dinge überzeichnet oder effektheischerisch aufplustert. Und dann liest man die ersten Beiträge von Werner Krappweis, der im Buch immer wieder die Gelegenheit bekommen hat, selbst Stellung zu den einzelnen Kapiteln seines Sohnes zu nehmen. Und man begreift, dass das wirkliche Ausmaß vermutlich die Vorstellung übersteigt.
Erzählt werden meist unabhängige Episoden aus verschiedenen Urlauben von Tommy und seiner Familie (meist in das berühmte „ Egal-es-ist-überall-heiss-und-scheiße-Land“), dazwischen die erwähnten Einschübe des Vaters, der auch mal in seine eigene Kindheit zurückblickt und vom ersten eigenen Campingurlaub berichtet, was wiederum von Tommy kommentiert wird. So bildet sich eine Art Dialog, der beide Seiten zu Wort kommen lässt, was auf jeden Fall ein differenzierteres Bild zeichnet, als viele andere „Motzbücher“ die es aktuell so auf dem Markt gibt.
In den letzten, zusammenhängenden Kapiteln schildert Tommy Krappweis den ersten Campingurlaub ohne Eltern (aber deswegen nicht ohne Zwang) und die unvermeidlichen Probleme eines Teenagers in den 80ern.
Der Schreibstil ist natürlich dem Thema geschuldet sehr locker und humorvoll, gerne auch mit „dezenter“ Ironie durchsetzt und hat mich persönlich absolut angesprochen, weil er einfach meine Art von Humor war. Manchmal glaubt man sogar, die defätistische Stimme von Bernd dem Brot aus den Zeilen zu vernehmen... („Mist.“)
Begleitet werden die Geschichten von einem Mittelteil mit Fotos die damals zuhauf geschossen wurden. Wem das nicht reicht, der kann sich auf den 29. April freuen. Denn ab da laufen Tommys Erlebnisse als 12-teilige Serie auf ServusTV. Zusammen mit Vater Werner und unterstützt von ihren alten Video 8-Aufnahmen und Zeichentrickeinspielern.
Wer sich schon mal ein Bild davon machen will, kann das hier tun (oben rechts gibt es ein kurzes Video): http://www.servustv.com/cs/Sat…%C3%B6lle-011259416050806
Fazit: Ich habe diese amüsanten „Abenteuergeschichten“ abends vor dem Einschlafen häppchenweise genossen und konnte mich oft zwischen lachen, ungläubig kopfschütteln und gelinde entsetzt sein nicht entscheiden. Von unserer heutigen, sicherheitsbesessenen Zeit betrachtet erscheint uns vieles unverantwortlich fahrlässig (und vermutlich wird Tommy Krappweis da zustimmen). Andererseits liefert es ihm bis heute Stoff um Menschen zu unterhalten. Und das wirklich äußerst gelungen. Ich könnte mir vorstellen, dass er da noch einiges mehr in petto hat, um vielleicht eine Fortsetzung zu gestalten.
Edit: Und immer wieder findet man Fehler...