Rotes Gold - auch für den Leser?
Meine selbst gestellte Frage möchte ich mit einem entschiedenen "Jein" beantworten. Einerseits finde ich, dass sich der Autor in manchen Punkten verbessert hat - der ganz große Wurf ist ihm aber immer noch nicht gelungen.
Zugegeben - es muss vielleicht nicht immer der große Wurf sein. Überaus gefällig geschrieben war das Buch allemal, es las sich sehr flüssig, und war auch nicht ohne humoristische Elemente. Ich fand es in diesem Band einfach glaubhafter, dass Xavier auf die Suche "geschickt" wird, und auch noch ein wenig widerwillig. Ich fand es schon im ersten Band nicht gut begründet (besser gesagt, überhaupt nicht), warum er selber zum Ermittler wird. Hier ist es der Bürgermeister von Paris, dessen Ruf auf dem Spiel steht - denn bei seinem Dinner starb schließlich der Starkoch Ryuunosuke Mifune.
Der sympathische, weil leicht übergewichtige und den Genüssen zugeneigte Koch Xavier Kieffer nimmt hier eine viel natürlichere Rolle ein als in "Teufelsfrucht". Er ist in der Sushi-Szene selber relativ fremd, und so ist es nur logisch, dass ihm nach und nach Informationen von den Beteiligten "zugespielt" werden. Er stolpert ein wenig durch die Handlung, zieht aber die entscheidenden Schlüsse selber, was ich nachvollziehen konnte. Denn ein wirklicher, knallharter Ermittler ist er halt immer noch nicht - dazu passte auch der Schluss, der diesmal weitaus weniger James-Bond-artig, wesentlich undramatischer, aber eben doch hintersinnig, ausfiel. Er begegnet dem Täter "von Mann zu Mann", und in dieser Szene habe ich den Hut vor Xavier gezogen. Das passte zu ihm, und hat das Buch zu einem recht harmonischen Abschluss geführt. Sehr nett auch der Epilog - hier konnte man nur erahnen, was aus dem Versteck des Täters geworden ist. Das fand ich sehr nett gemacht.
Die Handlung selber kann man gar nicht näher beschreiben, weil es da wenig zu beschreiben gibt. Xavier erhält Hinweis auf Hinweis, und fährt dann die Orte ab, und spricht mit Menschen, die etwas wissen könnten. Die Handlung ist also nicht im eigentlichen Sinne "spannend", weswegen ich auch keine 5 Sterne geben möchte. Allerdings, und das muss ich dem Autor wirklich zugute halten, hat er es diesmal noch eleganter verstanden, Hintergründe zu allen möglichen Themen einzuarbeiten. Und zwar nicht nur zur Sushi-Szene und zur Thunfisch-Jagd! Es ging genauso um Brüssels Bürokraten, um moderne Trends in Restaurants ("W-Lan"!), um die Entwicklung von Stadtvierteln, und die Geschichte Luxemburgs und dessen Bevölkerungsentwicklung. Gepunktet hat der Autor bei mir ferner dadurch, dass er humorvoll die Eigenheiten von gewissen Bevölkerungsgruppen aufs Korn genommen hat. Besonders die Überlegungen dazu, wie sich Reisegruppen in Restaurants verhalten, haben mich schmunzeln lassen! Aber auch der ignorante, amerikanische Multimillionär beim Gala-Dinner hat mich amüsiert.
Was mir weniger gefiel, war die recht lieblose Behandlung von Nebenfiguren. Wie ich schon anhand der Leseprobe vermutet hatte, spielt Valérie, Xaviers Freundin, mehr oder weniger die Rolle einer hübschen Dekoration. Aber eine tiefere Bedeutung für die Handlung hat sie nicht. Nett fand ich zudem zwar auch, dass Xaviers trinkfester Freund, der Finne, wieder auftaucht - aber auch seine Rolle hätte besser herausgearbeitet werden können. Nun gut, er ist sozusagen moralisch gesehen die "andere Hälfte" von Xavier, und bringt ihn durch seine immerzu provozierenden Kommentare auf andere Gedanken. Aber eigentlich hätte man ihn weglassen können. Schade.
Außerdem sind mir, besonders zu Beginn des Buches, diverse zeitliche Anschlüsse zwischen den Kapiteln negativ aufgefallen - weil sie nämlich überhaupt nicht stimmten. Beispiel gefällig? An einem Mittwoch (!) besucht Xavier den Bürgermeister in seiner "Jagdhütte", und bewundert dabei seine Leberpastete. Kaum zurück in seinem Restaurant, hat seine Sous-Chefin ein Gericht just mit Leberpastete kreiert, da sie in der Vorratskammer ein großes Paket, geschickt vom Pariser Bürgermeister, fand - und zwar "gestern" angekommen. Das wäre dann der Dienstag gewesen - was jedoch logisch unmöglich ist, da der Bürgermeister erst am Mittwoch von Xaviers Begeisterung für diese Marke erfuhr. Da gab es noch ein oder zwei weitere Dinge, die ich aber hier nicht breittreten will. So etwas dürfte eigentlich nicht passieren. Da hat wohl das Lektorat geschlampt.
Insgesamt pendelt sich meine Meinung also auf den besagten vier Sternen ein - das Buch hat gut unterhalten, viel Wissenswertes über Sushi und moderne Koch-Trends vermittelt, und hat mir den Koch Xavier Kieffer persönlich ein wenig näher gebracht. Nur wirklich "gepackt" hat es mich - noch? - nicht.