Daniela Meisel: Gegen einsam
Picus Verlag 2012. 215 Seiten
ISBN-13: 978-3854526797. 19,90€
Verlagstext
Eine ungewöhnliche Liebe verändert das Leben zweier Menschen
Manuel ist durchschnittlich. Er ist durchschnittlich groß, durchschnittlich schwer und hat einen durchschnittlichen Beruf. Bloß in einem will er nicht durchschnittlich sein: Siebzehntausend Dinge besitzt ein Mensch im Durchschnitt, und Manuel hat sich zum Ziel gesetzt, vierunddreißigtausend Dinge zu besitzen. Das ist sein Versuch, sich gegen die Einsamkeit zu wehren. Maja ist ebenfalls einsam. Ihre Arbeit ist langweilig, ihre beste Freundin ist eine taubstumme ältere Dame, ihre Freizeit verbringt sie damit, WG-Zimmer zu besichtigen. Anders als Manuel, der Gegenstände sammelt, sammelt sie Begegnungen. Als die beiden aufeinandertreffen, wissen sie zunächst nichts miteinander anzufangen, so unterschiedlich sind ihre Lebensentwürfe. Doch bald schon spüren sie, was sie für einander sein können und versuchen, mehr unbewusst als bewusst, gegen das Einsamsein anzukämpfen. Die Folgen für beide sind nicht absehbar … Daniela Meisels Porträt zweier sonderbarer Außenseiter packt und berührt gleichermaßen. Mit viel Gespür für Stimmungen und die Nähe von Skurrilem und Tragischem eröffnet sie ein Pandämonium an Innenwelten.
Die Autorin
Daniela Meisel wurde 1977 im niederösterreichischen Horn geboren. Nach dem Biologiestudium publizierte sie im wissenschaftlichen Bereich. Nach Auslandsaufenthalten in Südafrika und Kalifornien arbeitete sie an der Medizinischen Universität Wien. Ihr erster Roman »Die Seherin« erschien 2010. Daniela Meisel arbeitet und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Pfaffstätten.
Inhalt
Manuel ist 1,78m groß und entspricht damit dem Durchschnitt österreichischer Männer. Manuel Müller? Schmidt? Mancher merkt sich noch nicht einmal Manuels Familennamen. Wer in seinem bisherigen Leben nie gelobt oder getadelt wurde, ist in seiner Durchschnittlichkeit leicht zu übersehen. Manuel sammelt. Der Postbeamte hat keine konkreten Sammelobjekte, die er begehrt, sondern will den katalogisierten und alphabetisch geordneten Bestand an Gegenständen in seinem Haushalt von 17 000 auf 34 000 Objekte steigern. Auch Maja Kramer sammelt. Sie zeichnet die Zahl der Zusagen auf, die sie erhält, wenn sie sich als angebliche Studentin um Wohngemeinschaftszimmer bewirbt. Die Wege der beiden sonderbaren Menschen kreuzen sich, als Manuel wegen seiner Sammlung in eine größere Wohnung zieht und sich Maja mit ihrer zweiten Identität auf seine Vermietungs-Anzeige für ein Zimmer meldet. Was Manuel sammelt und warum, bleibt für Maja schwer zu verstehen. Sie macht ihm allerdings unmissverständlich klar, dass sie selbst keine Trophäe zum Protzen ist.
Auch Maja, die Steuerberaterin, wirkt durchschnittlich. Hinter ihrer Fassade von Zuverlässigkeit lauert jedoch ein anarchischer Zug, der Maja nach dem Besonderen suchen lässt. Eine Besonderheit war bisher ihre Freundschaft mit der betagten Marie, die durch einen Unfall ihr Gehör verlor und das Lernen der Gebärdensprache kategorisch ausschließt. Maja und Maria kommunizieren miteinander auf Notizzetteln. Nachdem selbst die Katze, die Manuel aus dem Tierheim holte, ihm die kalte Schulter zeigt und sich zur Katze der Nachbarin erklärt, wird Manuel von den Werbeschriften, Kundenkarten und Factory-Outlets der schönen neuen Konsumwelt wie von einer Naturgewalt förmlich verschlungen. Vom Licht des PC-Bildschirms innerlich gewärmt, muss er nicht einmal das Haus verlassen, um das Wachstum seines Bestands nutzloser Gegenstände online zu verfolgen. Bis zu diesem Punkt zweifelte ich daran, ob Daniela Meisels sonderbare Käuze es noch zu einem Lebensentwurf schaffen würden. Eine überraschende Wende ergibt sich in Zusammenhang mit dem auf dem Buch abgebildeten Papageienfisch.
Fazit
Daniela Meisel skizziert ihre Figuren, denen das Temperament abhandengekommen zu sein scheint, sehr knapp und lädt Leser des in der Länge überschaubaren Romans zu Gedankenreisen in deren eigene Welt des Konsums ein. Neben ihren sensibel beobachteten Personen hat mich der präzise Blick der Biologin als Autorin auf die Natur begeistert.
Textauszug
"Die Stimme von Jutta Weigestorfer weckt mich. Sie ruft. Ein Klopfen an meiner Eingangstür. Eine andere Stimme, die ich nicht kenne. Das Klopfen wird lauter. Ich setze mich auf. Meine Lungenbläschen verklebt. Ich huste. Es ist hell im Zimmer. Rauchig und warm. Mein Kopfweh hat sich ausgebreitet. Mein Nacken schmerzt. Mein Hals. Stiche in meiner Kehle. Ein Brennen. Ich sehe die verschwommenen Umrisse meiner Couch. Meine Stehlampe hat zwei Schirme. Sie schaukeln ineinander. Der Boden wankt. Ich kippe." (S. 56)
9 von 10 Punkten