"Elles - Das bessere Leben"

  • "Elles - Das bessere Leben"


    Erscheinungsjahr: 2011


    Co-Produktion: Deutsch-französisch-polnische Produktion


    Produzentin: Marianne Slot


    Regisseurin: Malgorzata Szumowska


    Schauspielerinnen: Juliette Binoche, Anaïs Demoustier, Joanna Kulig


    Trailer: Kino-Zeit


    Über den Inhalt:
    Die Elle-Journalistin Anne berichtet über die Situation zweier studentischer Prostituierten in der französischen Metropole Paris.
    In Interviews mit Lola und Alicja befragt sie die beiden jungen Frauen nach ihren Motiven, Wünschen und was sie bewegt, ihnen an ihrer Tätigkeit gefällt und sie anwidert. Die Gespräche bewegen Anne dazu, ihr Leben mit ihrem Ehemann Patrick und den zwei Söhnen zu überdenken.


    Meine Meinung:
    Mit der deutsch-französisch-polnischen Co-Produktion hat die die polnische Regisseurin Malgorzata Szumowska sich eines Themas angenommen, das ein Ziel nicht erreichen wird: die Scharen ins Kino zu locken.
    Im Mittelpunkt dieses Films mit stark dokumentarisch geprägten Zügen stehen die Journalistin Anne und ihre zwei Interviewpartnerinnen Lola und Alicja.
    Beide sind Studentinnen, die eine Französin, die andere stammt aus Polen, sind in die verheißungsvolle Metropole an der Seine gekommen, raus aus ihrem tristen und beschaulichen Zuhause und die Welt kennenlernen. Bereits bei der Wohnungssuche müssen sie feststellen, dass Paris sie nicht mit offenen Armen empfängt, denn ein Zimmer ist mit studentischem Budget
    unbezahlbar. So schwer wie eine Unterkunft zu finden ist, so leicht ist es, an Angebote von Männern zu gelangen, die bereit sind, Preise für einen Escortservice zu bezahlen. Mit dem Wohlstand gewöhnen sich die Studentinnen an die Prostitution.


    Mit "Elles - Das bessere Leben" haben die Filmemacher einen ganz außergewöhnlichen und facettenreichen Streifen abgeliefert,
    der neben einem nachhaltigen Eindruck eine Vielzahl von Emotionen beim Zuschauer weckt.
    Juliette Binoche spielt wie gewohnt mit gekonnter Mimik und Gestik, die anfänglich abgeklärte und investigative Journalistin Anne, die sich offen und doch mit ihrer eigenen Scheu dem Thema Prostitution widmet.
    Sie selbst hat erreicht, wonach ihre Lola und Alicja streben: eine Karriere in der Modehauptstadt mit Designerkleidung, -handtaschen und -schuhen, einem Gehalt mit dem sich ein Leben finanzieren lässt und einer scheinbar glücklichen Familie.
    Nach und nach berichten die Mädchen davon, wie das Geschäft mit dem Sex begonnen hat. Ungeschönt und realistisch erzählen sie von den Männern, die zu ihnen kommen und die sich offensichtlich nicht von denen unterscheiden, die als Ehemänner auf der heimischen Couch sitzen.


    So normal wie irgend möglich beschreibt Lola, die im wahren Leben Charlotte heißt, den Sex mit fremden Männern.
    Als Anne, die Lola in einem Park befragt, Näheres über Abscheu und Ekel gegenüber den Freiern wissen möchte, zeigt diese Situation eine der grotesken Seiten des Films, denn Lola sieht sich nicht als durchschnittliche Straßenprostituierte, sondern als Edelhure, die keine Befürchtungen zeigt, sich mit HIV zu infizieren, sondern eher angst davor hat, den Geruch von Sozialwohnung und eines Milieu anzunehmen.


    Einen schwereren Zugang findet Anne zu Alicja, auf deren Anzeige die Jorunalistin geantwortet hat und sie daraufhin in einem luxuriösen Hotelzimmer trifft. Die anfänglichen Barrieren überwinden sie, als die polnische Studentin die toughe Anne überlistet, Wodka zu trinken und das Eis zwischen ihnen bei einem gemeinsamen und ungezwungenen Essen bricht.
    Kniend sitzen sie in diesem noblen Hotelzimmer, stopfen Nudeln in sich hinein, reden mit vollem Mund und lachen. Wie zwei Freundinnen in einem sehr innigen Moment werden sie zu Verbündeten.
    Genau diese Episoden machen "Elles - Das bessere Leben" nicht nur zu einem zartbitteren Film, sondern auch zu einem hoffnungsvollen und menschlichen Film, der die quälenden Sexszenen ertragen lässt.


    Mit den Berichten von Lola und Alicja wechseln sich die Blenden in das Leben von Anne ab, die nur vordergründig ein erfolgreiches Leben führt und mit ihrem Ehemann und ihren Kindern zufrieden ist. Die bürgerliche Fassade bröckelt und Patrick scheint nicht der normale Ehemann zu sein, an den Anne immer geglaubt hat. Mit ihrer Recherche für ihre Geschichte zweifelt Anne immer mehr an ihrem Leben und an der Alltäglichkeit ihrer Existenz.
    Regisseurin Malgorzata Szumowska hat die beiden Handlungsfäden - die Tätigkeit der Studentinnen und das Leben von Anne - kunstvoll verwoben, auch wenn der Strang um Anne nicht völlig ohne Klischee auskommt.


    Sehenswert ist dieser Film allemal, weil er bei all der Trostlosigkeit den Zuschauer nicht mit dem Gefühl entlässt, die Protagonistinnen in ihrer ausweglosen Situation im Stich zu lassen.
    Eher ist es die Kinobesucherin, die sich nach dem Besuch dieses Film fragt, was normal ist und ob man dem Menschen, den man liebt, wirklich kennt und vertrauen kann.


    So bleibt am Ende nur eine Empfehlung an die Freunde des Programmkinos auszusprechen und die zögerlichen Filmbesucher auf einen Sendeplatz bei arte zu vertrösten, die diesen Film unterstützt hat.


    Edit: Formatierung.

  • Meine polnische Freundin hatte mir kuerzlich schon von dem Film erzaehlt, aber gesehen hat sie ihn auch noch nicht. Unsere Buecherei hat oft gute auslaendische Filme, aber der ist (noch?) nicht dabei.


    Werd also sicherlich die Augen aufhalten und hoffen, dass er mir noch ueber den Weg laeuft.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich