Die Nacht des Zorns -Fred Vargas

  • Die Nacht des Zorns – Fred Vargas
    Übersetzerin: Waltraud Schwarze
    ISBN: 978-3351033804
    Aufbau Verlag
    453 Seiten, 22,99 Euro


    Über die Autorin: Fred Vargas geb. 1957 und von Haus aus Archäologin – Sie ist heute die bedeutendste französische Krimiautorin und eine Schriftstellerin von Weltrang. 2004 erhielt sie für „Fliehe weit und schnell“ den Deutschen Krimipreis. Ihre Werke sind in über 40 Sprachen übersetzt.


    Die Übersetzerin: Waltraud Schwarze studierte Romanistik und Bibliothekswissenschaft, betreute über 30 Jahre im Aufbau Verlag die Literatur aus den romanischen Sprachen und entdeckte Fred Vargas für den deutschen Buchmarkt. Sie lebt als Übersetzerin und freie Lektorin in Berlin.


    Buchrückentext: Ein jahrhundertealter Mythos führt Kommissar Adamsberg in die dunklen Wälder der Normandie. Ein Heer aus Schattengestalten soll dort wüten und ungesühnte Verbrechen strafen. Lina, eine junge Frau aus der Normandie, hat es jüngst in der Nacht über den Waldweg reiten sehen. Und nicht nur das: Die Reiter hatten vier Menschen in ihrer Gewalt, deren Tage – der Legende nach – gezählt sind. Und tatsächlich dauert es nicht lange bis das erste Opfer stirbt. Adamsberg ist überzeugt, dass sich jemand der mittelalterlichen Sage bedient, um ungestört zu morden.


    Meine Meinung: Es fällt schwer für Kommissar Adamsberg und damit für den einzigartigen Schreibstil von Fred Vargas die richtigen Worte zu finden. Sie selbst beschreibt ihre Hauptfigur als „irgendwie aufgelöst, nicht klassifizierbar oder zumindest nicht konform“ und das ist es, was seinen Charme ausmacht. Er schwebt immer irgendwie in den Wolken und löst seine Fälle durch unnachahmliches Querdenken. Aber es ist nicht nur Adamsberg allein, der hier so außergewöhnlich ist, auch die anderen Figuren in ihren Büchern entsprechen nicht den üblichen „Mitspielern“ in einem Kriminalroman. Jede einzelne von Vargas entworfene Person hat ihre Eigenheiten und ist auf die eine oder andere Weise ungewöhnlich.
    Ungewöhnlich sind auch die Fälle, auf die Vargas den Kommissar und seine Kollegen loslässt. Es beginnt mit einem jahrelang unter dem Putzwahn seiner Frau leidenden Ehemann, der sie mit einer Brotkrume erstickt, geht weiter mit einem reichen Industriellen, der in seinem Auto, das scheinbar von einem stadtbekannten Brandstifter angesteckt wurde, stirbt, doch nicht genug, ist da noch die ganz private Ermittlung des Kommissars, um einen Tierquäler zu finden, der einer Taube, die sich nun in der Pflege seines Stiefsohns befindet, die Beine zusammen gebunden hat. All das allein wäre schon ausreichend Stoff für einen Kriminalroman, doch Vargas reicht das nicht aus; sie legt das Hauptaugenmerk auf eine alte Legende, wonach ein wütendes Heer, das in ganz Europa seit Jahrhunderten immer wieder gesehen wird und das dieses Mal von einer jungen Frau in einem kleinen Ort in der Normandie erblickt wird. In der „wilden Jagd“, wie sie auch genannt wird, reiten 4 Menschen mit, und allen, die davon hören ist klar, dass diese vier sterben bald müssen. So war es schon immer und so wird es sein. Der Fall wird an Adamsberg gegeben, der sich dieser Legende annehmen muss, da sie schon ein erstes Opfer gefordert hat.


    Auf jeden Fall ist es dieser mystische Hauch einer wahren Legende, der diesem Buch zusätzlich etwas Unheimliches verschafft und wieder einmal ist es als Leser unglaublich spannend, die Ermittlungen von Adamsberg und seinen Kollegen an den Schauplätzen und den vielen Nebenschauplätzen zu verfolgen. Ganz zum Schluss und auch nur durch die Querdenkerei des Kommissars beginnt man zu ahnen, wer der Täter sein könnte, doch da ist schon fast alles vorbei.


    Es ist der Schreibstil von Fred Vargas, der mich immer wieder so begeistert und es sind die ungewöhnlichen fast verwunschen wirkenden Fälle, die vielen kleinen Handlungsfäden, die sie so perfekt am Ende zusammenführt, doch vor allem sind es die absolut eigenwilligen Figuren, die sie erschafft und die alle irgendwie kauzig und ganz besonders sind – das alles macht für mich den Zauber ihrer Bücher aus und ich bin fast ein wenig traurig, dass ich dieses Buch in nur zwei Tagen gelesen habe, denn nun beginnt die lange Wartezeit auf das nächste Buch…



    Nachsatz: Link zur Legende

  • Ich bin ärgerlich nach dem Lesen dieses Buches:



    Daraufhin schied ich Émeri als Täter aus - und dann war er's doch. Ich fühle mich vergackeiert.


    Im allgemeinen mag ich Vargas' Romane, kann aber nicht mehrere hintereinander lesen. Diese geballte Kauzigkeit geht mir irgendwann auf den Senkel.


    Grüße von Zefira

  • Fred Vargas gehört für mich zu den besten Krimi-Autorinnen. Sie gewinnt ja alle möglichen Preise und Auszeichnungen, aber für die oberste Liga wird es leider nicht reichen, weil ja das Krimigenre bei den maßgeblichen Leuten doch ein wenig verächtlich abgetan wird. Dabei hätte sie durchaus das Zeug, wirklich hervorragende Literatur zu schreiben.
    Mit diesem Roman beweist sie das sehr anschaulich.


    Für mich ist dieses Buch ein kleines Kunstwerk. Hier passt einfach alles: angefangen vom Erzählstil über die Charaktere und gepflegte Sprache. Großartig auch, wie sie ihre eigene Bildung in die Äußerungen Danglards einfließen lässt. Und Kommissar Adamsberg ist ohnehin eine Klasse für sich. Mit völlig unüblichen Methoden, mit viel Gelassenheit und doch Verbissenheit ruht er nicht, bis alles aufgeklärt ist. Gegen Ende gibt es dann noch mehrere Wendungen, nachdem Vargas ihre Leserschaft auf ein paar falsche Fährten gelockt hat.


    Ein klassisches Wer-ist-der-Täter-Rätsel also, und doch weit über diese Einschätzung hinausgehend. Wie die Autorin es versteht, die Landschaft, die Wesenheit der Landbevölkerung einzubauen und dadurch Atmosphäre zu schaffen, alles das hat mich fasziniert.
    Und dazu noch ein sehr persönlicher Handlungsstrang mit Adamsberg plötzlich aufgetauchtem Sohn, einem zu Unrecht verdächtigten Brandstifter und einer gefolterten Taube. Adamsberg ist kein Auftrag zu klein und kein Rätsel zu mysteriös.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde