Im Café der verlorenen Jugend - Patrick Modiano

  • Hanser Verlag, 2012
    160 Seiten


    Übersetzt aus dem Französischen von Elisabeth Edl


    Hinweis: Das Buch gibt es auch als Hörbuch. Gelesen von Matthias Brandt, Sandra Hüller, Henning Nöhren und Thomas Sarbacher.


    Kurzbeschreibung
    Paris in den 60er Jahren: Schon als junges Mädchen ist Louki aus der Wohnung der Mutter, einer Platzanweiserin im Moulin Rouge, immer wieder weggelaufen. Den Vater hat sie nie gesehen. Ihren Mann, einen wohlsituierten Immobilienmakler, verließ sie ein Jahr nach der Heirat wieder. Mit ihrem Geliebten, dem angehenden Schriftsteller Roland, streift sie tagelang durch die große Stadt. Im Café Le Condé, dem "Café der verlorenen Jugend", glaubt Louki Zuflucht zu finden, während der Detektiv ihres Mannes schon ihre Spur aufgenommen hat. Mit wunderbarer Leichtigkeit erschafft Patrick Modiano, einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autoren aus Frankreich, eine unvergleichliche Atmosphäre. Eine Atmosphäre, die süchtig macht.


    Über den Autor:
    Patrick Modiano, 1945 geboren, ist einer der bedeutendsten französischen Schriftsteller der Gegenwart. Er erhielt zahlreiche Auszeichungen, darunter den großen Romanpreis der Académie française und den Prix Goncourt.


    Mein Eindruck:
    Das ist ein Buch, dass ich auf keinen Fall unerwähnt lassen will.
    Der aktuelle Roman vom großen französischen Stilisten Patrick Modiano schließt auf in sein bisheriges Werk und wird Teil des großen Ganzen.
    Wie seine anderen Bücher ist auch dieses im Hanser-Verlag in ansprechender Gestaltung erschienen.


    Wieder schwelgt Modiano mit seinem besonderen, ihm ganz eigenen Ton in Melancholie und lässt ein Paris der sechziger Jahre aufleben.
    Im Mittelpunkt stellt er Louki, eine junge Frau, die ihren Mann verlassen hat und in dieser Zeit auf der Suche nach innerer und äußerer Freiheit ist.
    Sie findet das in einer Gruppe von Leuten, die sich immer im Cafe Le Condé treffen.
    Hier versammelt sich die “verlorene Jugend”, eine ziellose Boheme, die Konventionen ablehnt und an Literatur und Politik, Alkohol und Drogen interessiert ist.
    Und hier trifft Louki auch Roland, den jungen Schriftsteller, in den sie sich verliebt.


    Ich finde, dass dieser Modiano-Roman trotz einer anfänglichen Harmlosigkeit.zu seinen gelungensten Büchern gehört, da er eine raffinierte Erzählperspektive wählt.
    Verschiedene Erzähler reflektieren die Handlung, darunter zum Beispiel auch ein Detektiv, der Louki im Auftrag ihres Mannes beschattet. Es dauert aber nicht lange, bis der Detektiv, der sich in den exklusiven Kreis im Cafe schleicht, ebenfalls von Louki fasziniert ist und sie selbstlos deckt.
    Es gibt auch einen Rückblick auf Loukis Kindheit und Jugend. Insgesamt gibt es 4 Erzählstimmen, unter denen neben einem Studenten und dem Schriftsteller Roland auch Louki selber vertreten ist.
    So entsteht langsam ein deutlicheres Bild der rätselhaften Frau, ohne ihr das Geheimnis ganz zu nehmen.
    Ob Modianos manchmal düstere Weltsicht, Louki einen glückliche Zukunft gönnt, möchte ich nicht verraten.


    Modiano schreibt detailliert und so haben auch vereinzelte Passagen eine Raffinesse und eigene Wirkung.


    Der Roman ist angenehm zu lesen und ich hoffe, dass er vielleicht sogar noch einmal neue Modiano-Leser erschließt.


    ASIN/ISBN: 342314274X

  • Damit hast Du mich jetzt wirklich am Haken.
    Danke.


    Ich freue mich auch, daß Du so unbeirrt Zeitgenössisches liest und tolle Titel hier anschleppst.
    Ich komme seit Monaten kaum zum Lesen und zu Anspruchsvollen schon gar nicht, seufz.
    Aber das hier muß sein, ich habe grad die Leseprobe bei amazon gelesen.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich bin etwas zwiegespalten.


    Louki treibt durch das Leben und lernt verschiedene Menschen kennen, die uns von ihr erzählen.
    Mir kam nach gut der Hälfte ein Vergleich in den Sinn: ein Mensch, der durch das Weltall von einem Planet zum anderen schwebt, sich für kurze Zeit darauf niederlässt, aber durch die geringe Schwerkraft nicht wirklich Fuß fasst und bald wieder davongetrieben wird.


    Sehr schnell gerät der Leser in eine intensive Atmosphäre aus Melancholie und zeitloser Stimmung. Ich selbst hatte das Gefühl, wie im Traum durch die Stadt zu schweben.


    Louki und auch die anderen Personen bleiben in meiner Vorstellung lückenhaft. Ich hätte gern mehr von ihnen erfahren.


    Leider konnte ich schwer nachvollziehen, wie es möglich ist, dass Louki so eine starke Faszination ausüben kann auf Menschen, die kaum etwas von ihr wissen. Nur durch ihre Abneigung (oder mangelnde Fähigkeit?) sich zu binden?


  • Mir geht es ähnlich, ich hätte auch gern eine tiefere Sicht sowohl in Louki als auch in Roland und die anderen Personen gehabt, hätte gern mehr gewusst, was vorher war, wie es weiter ging, usw.
    Andererseits glaube ich aber auch, dass dann viel von dem Geheimnisvollen, das dieses Buch ausmacht, verloren wäre.