(Das Buch ist der 1987 zuerst und inzwischen in überarbeiteter Fassung ausschließlich bei "Zweitausendeins" erhältliche Vorgänger zu "Morbus Fonticulli oder Die Sehnsucht des Laien")
Bernhard Lassahn wird das Zitat "Ein Tag ist vierundzwanzig Stunden
lang, aber verschieden breit" zugeschrieben. Wenn Bodo "Mufti" Morten
bierselig in der Hamburger "Glucke" abhängt und mit dem "Filosophn"
Sprüche austauscht, klingt das so: "Ein Tach iß fianzfanzich Schdund lang
aba faschiedn breid."
Das Zitat faßt den Inhalt von "Kolks blonde Bräute" vortrefflich
zusammen. Ende der Achtziger sind Kolki und Bodo aus dem "Kaff" nach
"Hambuich" umgezogen; Kolki arbeitet für die Post, während Frührentner
Bodo hauptsächlich säuft. Kolki säuft natürlich auch, sogar während seiner
Arbeitszeit, und das ist letztlich der Auslöser für eine Kette von
Mißverständnissen, in deren Zentrum eine strapstragende Blondine steht,
der Kolki schweinische Postkarten zustellen muß, außerdem "Rudi, der
Arsch", ein schmieriger "Jubbi" und die "ßgahd"-Runde aus dem heimatlichen
Kaff, will sagen: Neben Kolki und Bodo noch Satschesatsche, Heiner und der
"Panzerknacker".
Frank Schulz läßt Bodo Morten dreizehn Jahre danach von diesen
Mißverständnissen und ihren Implikationen erzählen, in deren Folge
Kolki vermeintlich das Gehör auf dem linken Ohr verloren hat. Ob das
stimmt und inwiefern, das spielt letztlich keine große Rolle, denn Schulz
beschreibt in der Hauptsache die Kultur des gemeinschaftlichen Saufens,
vom "kleinen" bis zum "mittelschweren Lollimann" (Zustände des
Besoffenseins), von der Erhabenheit des Kotzens, von Furz-Raps, die sich
"Rudi, der Arsch" ausgedacht hat, von der feinen Differenzierung zwischen
"Biberismus" und Alkoholismus. Er zeichnet seine abgefuckt-normalen
Hauptfiguren mit liebevoller Hingabe, beobachtet mit mikroskopischer
Genauigkeit, ohne je pedantisch zu werden; ganz im Gegenteil zu seinen
Protagonisten setzt Schulz wohldosiert ein, was in der Übertreibung zur
Satire würde - eine Satire ist "Kolks blonde Bräute" nämlich mitnichten.
Sondern ein liebevolles Lesebuch über Freundschaft, das Erwachsenwerden
und, natürlich, das Saufen in all seinen Facetten, mit all seinen Folgen,
hauptsächlich aber seinen Reizen. Zu kritisieren gibt es nichts, wiewohl
die zumindest teilweise Läuterung nicht zuletzt aus gesundheitlichen und
oder sozialen Gründen am Ende des viel zu kurzen Buches steht.
"Lokalkolorit" in all seinen Bedeutungen ist das Oberthema, und
Schulz erzeugt dies insbesondere dadurch, daß er seine Figuren
lautsprachlich wiedergibt, was den Leser gelegentlich dazu zwingt,
sich Sätze selbst laut vorzulesen, um dem Sinn wenigstens nahe zu
kommen. Wenn sich ein gewisser Gewöhnungseffekt eingestellt hat,
erkennt man schließlich beim ersten Hinsehen, welche Speise sich z.B.
hinter "Tschiggknmägnaggedß" verbirgt.
Läßt man sich darauf ein (und die Zielgruppe ist eingeschränkt), ist
"Kolks blonde Bräute" ein wunderbares, extrem spaßiges Buch, eine gute
Vorbereitung für "Morbus fonticulli", die kongeniale Fortsetzung, und man
versteht, warum Harry Rowohlt über Schulz sagt: "Sowieso mein
Lieblingsautor."