Muss Grass sagen, "Was gesagt werden muss" ?

  • Zitat

    Original von Oblomov
    Iran ist für westlichen Antisemitismus nicht verantwortlich, für den Holocaust erst recht nicht. ... Was soll also der ständige Verweis auf Ahmadinejads Ansichten, so unerfreulich sie auch sein mögen? ...


    Bei anderen Völkermorden sind wir selbst ja auch nicht so zimperlich. Die Verleugnung des armenischen Genozids als offizielle türkische Staatspolitik hat uns z.B. noch nie davon abgehalten, türkische Präsidenten und Ministerpräsidenten bei uns zu empfangen.


    So richtig der Gedankenansatz ist, so unangemessen ist leider die Wortwahl: Wiederholt fordert die iranische Führung vehement die Auslöschung Israels und seiner Bewohner. Da kann man wohl kaum von "unerfreulich" sprechen ...


    Und so wahr das Verhalten der westlichen Demokratien gegenüber der Leugnung des einstigen Genozids an den Armeniern (und der tagtäglichen Unterdrückung anderer Minderheiten wie Aleviten und ja, auch Kurden)durch die türkische Regierung und breite Teile der türkischen Öffentlichkeit eine schändliche ist (Frankreich hat zumindest unlängst einen Versuch gemacht, aus dieser Phalanx der "Weggucker" auszuscheren), so problematisch finde ich den Ansatz, Völkermorde zu vergleichen.
    Jeder davon war und ist unerträglich. Und jeder wiegt gleich schwer.

  • Zitat

    Original von Dieter Neumann
    So richtig der Gedankenansatz ist, so unangemessen ist leider die Wortwahl: Wiederholt fordert die iranische Führung vehement die Auslöschung Israels und seiner Bewohner. Da kann man wohl kaum von "unerfreulich" sprechen ...


    Gerade dazu, was die iranische Führung wirklich sagt, gibt es durchaus unterschiedliche Ansichten, falls ich hier einen von mir vorhergehend geposteten Link noch einmal wiederholen darf: Washington Post

  • Zitat

    Original von Dieter Neumann


    So richtig der Gedankenansatz ist, so unangemessen ist leider die Wortwahl: Wiederholt fordert die iranische Führung vehement die Auslöschung Israels und seiner Bewohner. Da kann man wohl kaum von "unerfreulich" sprechen ...


    Die iranische Führung hat die Auslöschung Israels und seiner Bewohner nicht verlangt und schon gar nicht wiederholt. Das Zitat, auf das man sich damit bezieht, stammt aus der Rede von 2005, und es ist zwischenzeitlich vielfach belegt worden, daß die Übersetzung falsch ist.
    Im besten Fall ist sie strittig.


    Sich auf eine strittige Textstelle zu berufen, um zu behaupten, daß jemand einen Völkermord fordere, wirft ein bezeichnendes Licht auf die, die es wissentlich tun.


    Ich sage nicht, daß es hier jemand wissentlich tut. Ich beklage bekanntlich seit Beginn der Diskussion, daß diejenigen hier, die sich pro-zionistisch geben, kaum Information über das heutige moderne Israel zu haben scheinen.



    Was die Türkei und Armenien angeht, so kann ich nur sagen, daß das für unsere Regierung eine sehr bequeme Möglichkeit ist, je nachdem, wie's beliebt, mit dieser Anklage Druck auszuüben. Hübsch für ein Land, das 1915 schon weggesehen hat. Schließlich waren wir verbündet.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    ... Ich beklage bekanntlich seit Beginn der Diskussion, daß diejenigen hier, die sich pro-zionistisch geben, kaum Information über das heutige moderne Israel zu haben scheinen. ...
    Was die Türkei und Armenien angeht, so kann ich nur sagen, daß das für unsere Regierung eine sehr bequeme Möglichkeit ist, je nachdem, wie's beliebt, mit dieser Anklage Druck auszuüben. Hübsch für ein Land, das 1915 schon weggesehen hat. Schließlich waren wir verbündet.
    magali


    1. Wer versucht, die Diskussion abgewogen zu führen und zu versachlichen, mag nicht in allem recht haben, aber er ist dennoch nicht automatisch gleich "pro-zionistisch". Das ist wieder so eine Schublade, ohne die manche offenbar nicht auskommen.


    2. Der Genozid an den Armeniern hat den deutschen Kaiser seinerzeit in der Tat wenig beeindruckt. "Unsere Regierung" aber hat 1915 weder weggesehen noch war sie mit dem osmanischen Reich verbündet. Das war das deutsche Kaiserreich. Und das ist, der Geschichte sei´s gedankt, nun wahrhaftig nicht mehr "unsere Regierung"!

  • Dieter Neumann


    wir bedienen uns hierzulande unserer Geschichte, wie es uns beliebt. Darauf zielte mein Hinweis.
    'Verbündet' war der falsche Ausdruck, ich bezog mich auf die deutsch-osmanische Allianz, die maßgeblich dazu beitrug, daß das Osmanische Reich auf Seiten der Mitelmächte in den 1. Weltkrieg eintrat.


    Ich benutze den Ausdruck 'pro-zionistsich' vor allem dann gern in Diskussionen, wenn ich den Eindruck gewinne, daß die Mit-DiskustantInnen wenig Ahnung davon haben, wovon sie sprechen, wenn sie die israelische Außenpolitik befürworten.
    Tun sie das nämlich in ihrer Ahnungslosigkeit, so verbreiten sie ahnungslos zionistische Propaganda.
    Und wie Du so richtig sagt, ist das eine Schublade, in der nicht jede liegen will.


    Ich habe Dich mit dem Vorwurf nicht angesprochen. Ich finde Deine Beiträge nicht ahnungslos. Und Deine Versuche, zu versachlichen, schätze ich.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Bei all den Dingen, die unsere braven Leitartikler und Journalisten heute schreiben, ist auch bemerkenswert, worüber eisiges Schweigen bewahrt wird.
    Die Ermordung iranischer Wissenschaftler, Stuxnet, die Verletzung iranischen Luftraums durch Drohnen, die Einkesselung des Landes durch Kriege, Militärbasen, Flugzeugträgerverbände - kein Wort.
    Dies passt offenbar nicht ins Bild eine klar benennbaren Aggressors und eines Opfers.


    Selbst Israels Verteidigungsminister Barak hat in einem amerikanischen Fernsehinterview letzthin folgendes eingeräumt:


    Asked by Rose whether he would strive for nuclear weapons had he been in Iran's shoes, Barak said, "Probably…I don't delude myself that they are doing it just because of Israel. They have their history of 4,000 years. They look around, they see the Indians are nuclear, the Chinese are nuclear, Pakistan is nuclear…Israel allegedly has it (military nuclear capability)."

  • Zitat

    Original von magali
    [Ich verstehe das Argument immer noch nicht,. Otto Müller hat den Text nicht geschrieben. Ein Schriftsteller mit langjähriger Berufserfahrung hat's getan.
    In meinen Augen lassen sich die beiden Fakten nicht voneinander trennen.
    Ich kann nicht diskutieren, was passiert, wenn der Himmel grün wäre. Wir sehen ihn blau, das beruht auf bestimmten physikalischen Gegebenheiten.
    Wenn ich sage, nehmen wir an, der Himmel wäre grün und dann frage: was passiert dann? was liegt dann vor? (...)



    Ich meinte das in der Art, dass man auch (unabhängig vom Inhalt und dessen Brisanz) über die Form sprechen dürfen muss. Das "Wenn ... hätte" ist also so zu verstehen, dass es mich einfach "wundert", wie ein solcher Mann solch einen Text als "Gedicht" bezeichnen kann. Aber ich bin natürlich nicht so dreist zu sagen, dass es keins ist. Vielleicht kapier ich es nur auch nicht. Was meine eigenen lyrischen Ergüsse angeht, so maße ich mir auch hier nicht an zu sagen, dass das jetzt die "große Kunst" sei - ich schreibe "Gebrauchslyrik", also auf keinen Fall experimentell. Gilt übrigens auch für den Rest meiner Schreibe, die ich als "gehobene Unterhaltung" bezeichnen möchte, also durchaus mit einem Grundanspruch an Sprache und Form, aber natürlich auch dies keine "hohe" Literatur. Gilt auch für meine restliche künstlerische Ader, also Malerei & Co.
    Wenn man aus dieser Ecke kommt, kann man natürlich immer leicht "widerlegt" werden, aber den grünen Himmel habe ich nur deshalb mal angenommen, weil ich es reizvoll finde Dinge zu relativieren.


    Was ich von Grass erwartet hätte, wenn er sagt: Dies ist ein Gedicht. Und es heißt: Was gesagt werden muss, dass er das, was er sagen zu müssen glaubt, in mehr "indirekte" Worte fasst, also: Eine Sprache, die das, was er sagen will, verdichtet. Kann Dir natürlich kein Beispiel geben, WIE. Aber das Interessante an Gedichten ist für mich, dass man sie zweimal lesen kann - einmal auf den ersten Blick, und dann auf den zweiten ganz anders. Das fehlt mir hier - dieses angenehme Aha-Erlebnis einer gut gelungenen sprachlichen Komposition.


    Zitat

    Original von magaliWelchen Schluß kann man daraus ziehen? Daß sich Otto Müller nicht einfach so an eine Zeitungsredaktion wenden kann.
    Weiterer Schluß: will Otto Müller gegen Israels Säbelrasseln protestieren, muß er sich etwas andere einfallen lassen. Er kann privat Flugblätter drucken und verteilen, er kann es den NachbarInnen übern Gartenzaun erklären, er kann einen Leserbrief schreiben (und hoffen, daß der gedruckt wird, was nicht selbstverständlich ist), er kann sich politischen Gruppen anschließen, die in diesem Bereich arbeiten und vielleicht kann er sein Gedicht eines Tages bei einer Veranstaltung solcher Gruppen vorlesen.
    Kurz: er nutzt die Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen.


    Ja, das ist der zweite Schluss, der inhaltliche. Hier gehe ich mit dir konform: Natürlich hat die Stimme eines Literaturnobelpreisträgers ein Gewicht. Das ist gut und richtig so! Aber damit sind wir beim Inhalt, den man dann wiederum richtig, falsch, gut oder schlecht dargestellt finden kann. Und an dem sich herrlich ablesen lässt, was geschieht, wenn jemand an einem Tabu rührt. Ich vermute mal, das war bis zu einem gewissen Grade auch beabsichtigt. Ob in dieser Intensität - das weiß ich nicht.


    Was ich wollte war, darauf hinzuweisen, dass die Aussage und die gewählte künstlerische Form durchaus getrennt betrachtet werden können.
    Dass Grass gehört wird, ist gut (Nicht auf den Inhalt bezogen, sondern auf das "überhaupt"). Dass es ihm (meiner Meinung nach) nicht gelungen ist, es in einer künstlerischen Form zu tun, die überzeugt, finde ich schade. Hier wurde eine Chance vertan, Kunst & Politik zu verbinden. Es bleibt für mich nur ein Statement, ein (lyrisch gesetztes) Positionspapier. Ich finde das für einen Literaturnobelpreisträger einfach ein bisschen zu wenig.
    Das hatte ich versucht, rüberzubringen.


    Im Gegensatz zu Grass allerdings darf ich mir es ja erlauben, mich auch mal so auszudrücken, dass meine Gedankenknoten andere nicht gleich entwirren können. :chen


    Ich hoffe aber trotzdem, dass ich mich jetzt ein bisschen genauer hab erklären können :wave
    Herzlichst
    Nikola

  • Zitat

    Original von beowulf
    magali : ich wollte das in jenem anderen Faden nicht fragen, aber: stehst du auf Pferde? :grin


    beowulf


    ich wünschte, ich würde Dich verstehen. :cry


    Ehrlich!


    Ich habe Deinen Satz jetzt fünfmal durchgekaut.
    Solltest Du meinen, daß ich im Galopp quer durch alle Vorgärten presche und dabei auch mal Gartenzwerge zu Bruch gehen, hast Du recht. Aber das ist nicht neu.
    Ich rätsle weiter.


    :grin



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Nikola_Hahn


    danke. Nun habe ich es kapiert. Ich denke hin und wieder um zuviele Ecken gleichzeitig. Mein Fehler.
    Super Beitrag von Dir. :anbet


    Ganz bestimmt kann man gut darüber diskutieren, ob Grass' Text als Gedicht durchgehen kann und warum.


    Ich neige dazu, zu sagen, ja, es ist ein Gedicht.
    Als erstes Argument führe ich die Umbrüche an. Im Unterschied zu einem Prosatext, wo der Umbruch rein drucktechnisch dadurch bedingt ist, wieviele Zeichen auf die bestmögliche Art auf eine bestimmte Menge von Papier verteilt werden, setzt Grass die Umbrüche, um Sinneinheiten herzustellen, die untereinander einen größerern Sinnzusammenhang ergeben.


    Er gliedert dann in noch größere Abschnitte, Gedanken - oder auch Argumentationsketten, die 'Strophen' darstellen. Das liegt dem klassichen Gedicht am nächsten. Jeder Strophe erzäht etwas, führt aus, erweitert die 'Geschichte'.


    Er akzentiert, rhythmisiert, ich habe ansatzweise Silben gezählt, kam aber bezüglich de Metrums zu keinem befriedigenden Ergebnis. Trochäus, der dem Ganzen diesen 'Predigtton' gibt, taucht auf, aber auch anderes. An dem Punkt könnte man auch das Argument von stark rhythmisierter Prosa verteidigen.


    Was Deine Fragen nach Verdichtung, Zuspitzung des inneren Erlebens, aber auch des Hinausreichens über den bloßen Text sowie die Übertragbarkeit betrifft, sind das zwar berechtigte Forderungen an ein Gedicht, aber eben nicht unbedingt ans politische Lehrgedicht. Die kommen durchaus plump daher. Man merkt den Zweck und ist verstimmt. (Was man an den Reaktionen in den Medien ja auch sieht :grin)
    Daran hängt wohl auch die Frage nach dem lyrischen Ich. Es ist da, aber es ist zugleich und ganz eindeutig Grass. Daran reibt man sich bei der Lektüre auf jeden Fall.


    Daß man ein Gedicht zwei - oder mehrmals lesen muß, ehe sich der Sinn erschließt, ist sehr wahr. Aber das muß nicht unbdingt an der Wortkunst der Dichterin liegen, es kann auch auf die Wucht der Gedanken zurückzuführen sein.
    Was Grass uns vorsetzt, hat Wucht. Es ist laut, grob. Es ist nicht zart. Es ist völlig ohne Humor und läßt keinen Raum für Ironie. Es ist fordernd.


    Hier würde ich einwenden, daß Grass gegen herrschende Konventionen verstößt. Wer heutezutage nicht ironisch ist, ist verdächtig. Das gilt nicht, am Ende muß ein Lacher stehen. Wer ernst ist, ist verdächtig. Wir sind ie Fun-Gesellschaft. Auch das ist ein Tabu, gegen das Grass mit seinem Text verstößt. Einen Teil der Prügel bezieht er genau dafür.


    Wenn wir uns aber mal erinnern, etwa an Enzensberges Warngedichte oder an Erich Fried, der in seinem Beim Nachdenken über Vorbilder all die, die Menschen in den Krieg schicken, auffordert, selbst zu gehen und zu sterben (wenn sie uns vorsterben wollten, wie leicht wäre das Leben).
    Das ist aufs Beste präsentiert und perfekt formuliert, deswegen wird einer beim Lesen die Brutalität, die dahinter steckt, nicht gleich klar. Diese Brutalität entspricht aber genau der, die Leute, die Kriege führen, an den Tag legen und gehört deswegen dazu.
    Fried schreibt sehr, sehr brutale Gedichte.


    Grass macht in seinem, anders als Fried, keine Umwege, er knallt es uns hin. 'Eins in die Fresse, mein Herzblatt', sagte Biermann mal (als er noch verständig war.)
    Grass geht es um harte Realitäten und deswegen schreibt er hart.


    Seine Formulierungen mögen stilistisch nicht das Beste sein, aber das kann ich nicht beurteilen, weil ich seinen Stil überhaupt nicht mag, auch seine Prosa nicht.
    'Lyrisch gesetztes Positionspapier' ist eine gute Bezeichnung.
    Ich finde allerdings, daß er Kunst und Politik schon allein dadurch verbunden hat, daß er sich dezidiert als Künstler zu einem politischen Vorgang äußert.



    Zum Schluß etwas ganz anderes (oder auch nicht), die letzten Zeilen eines Liebes(?)gedichts(?) von Florian Günther, erschienen 2009


    ...
    Glaubst du mir jetzt,
    daß ich deine Gedicht mag?


    Ich blickte auf und sah sie an, und sie sah mich
    an. Und in diesem Augenblick wußten wir
    beide, daß wir noch eine Menge Ärger miteinander
    haben würden.


    ;-)



    Danke noch mal für Deine Geduld!



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von churchill
    @ magali
    Ich hatte bei beo gestern einen Querverweis auf den Thread über Maren Frank vermutet ...


    Ja.
    Ich versteh es auch unter diesem Aspekt nicht. Ich hab's versucht.




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Du schreibst etwas über die Verstorbene und nimmst daraufhin Bezug auf ihre Pferdeliebe.


    Ich wollte dich fragen ob du die Charaktereigenschaften die du da aufzählst der Person, die du morgens beim Aufstehen fragend im Spiegel betrachtest nicht ebenso zuschreiben würdest?

  • :keule


    :grin


    Da gibt es ein paar kleinere Unterschiede. ;-)


    Und nun sei lieb und sag nichts mehr über Maren, okay? Bei mir steht ihretwegen aus persönlichen Gründen wirklich grad die Flagge auf Halbmast.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ach, der oster-aufreger *gäähn*


    ich fands in der La Repubblica


    las es und zuckte mit den schultern


    quid novi?


    dass auf der welt da erst a ruh is, wenn die ganze doppeltweise spezies bis runter zum letzten säugling ausgerottet is?


    Des is do ned neu, des is a altbekanntes factum.


    Drum bau ma a so viele atombomben
    - und atomreaktoren,
    leern gift ins wasser, in die erd
    und ins eigene fressn


    Oba des ungeziefer (h.s.s.) is imma nu do


    Und es wird sogar imma mehr.


    Ma ora mi chiedo, chi e Maren?


    ah, Edith erkennt:


    i hör das erste mal was von am menschn


    und er is scho tot...


    - na, des war jetzt off-topic zum obigen off-topic


    weil... der Grass, der lebt no


    und der Grasser aa


    wennst des nu daliest, lebst aa nu


    wennst hien bist, ist's a scho wuascht, brauchst da's nimma lesn.


    no imma schulterzuck :unverstanden

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Zitat

    Original von magali
    Nikola_Hahn
    danke. Nun habe ich es kapiert. Ich denke hin und wieder um zuviele Ecken gleichzeitig. Mein Fehler.
    Super Beitrag von Dir.


    Hallo magali,


    Es ging ja - zumindest von mir aus - nicht primär darum, dass Du mich unbedingt "kapierst", sondern dass wir einen Diskurs austragen über einen Lyriker, der zu einem Thema ein Gesicht geschrieben hat, das für mich keins war :grin . Insoweit kann ich das Kompliment zurückgeben: Was Du schreibst, kann ich absolut nachvollziehen, und das geht in die Richtung, die ich andeutete: Es war MEINE Meinung, MEIN Gefühl, als ich dieses Gedicht las. Natürlich habe ich versucht, es auch aus der Ecke des Schreibers zu sehen, aber eben auch als Leser(in).


    Ich oute mich außerdem, dass ich Grass' Art zu schreiben auch nicht sonderlich mag. Selbst die "Blechtrommel" habe ich nie geschafft, zu Ende zu lesen. Es gibt nur ein Buch von ihm, das mich wirklich "mitgenommen" hat: Seine Geschichte vom Untergang der Wilhelm Gustloff, die Novelle "Im Krebsgang."


    Und seine Zeichnungen - die mag ich irgendwie auch.



    Zitat

    Original von magali
    Danke noch mal für Deine Geduld!


    :gruebel - GEDULD????? Das ist hier ein Diskussionsforum über Literatur und deren Leser, oder? :-) Hat mir wirklich Spaß gemacht, mich auf diese Weise mit Dir auszutauschen!! :wave


    Herzliche Grüße
    Nikola


    PS: Danke auch für das Gedicht!!


  • :pille  ??? ?(

  • Keine Sorge, Dieter. Muss man nicht verstehn.


    Heisst übersetzt: Diese diskussion, die mich in endlosen erörterungen bis nach italien verfolgte, langweilt mich.
    Das thema, das Grass anspricht, auch.
    Dass, wenn es um atombombenbesitzende /atombombenhabenwollende staaten mit zweierlei maß für gute und böse staaten gemessen wird, wissen wir doch, und dass 'wir' bzw 'der westen' auch krieg gegen den iran führen wollen, und er unser nächstes opfer ist, dürfte auch bekannt sein.
    Es ist nur eine weitere etappe im great game der kolonialkriege, in dem fall um den zugriff auf iranisches erdöl, das man (wahlweise einfügen: wir/der westen/die amerikaner) nicht den chinesen lassen will, (die im hintergrund längst dabei sind, das rennen um die weltweiten ressourcen zu gewinnen).
    Einige setzen ins 'man' eine 'jüdische weltverschwörung' ein, ist auch bekannt, dass Grass so denken könnte, wird oft genug angedeutet.


    Ich seh in den israelischen juden - und auch den anderen benachbarten anwohnern dort eher die armen leute, die ein etwaiger-racheschlag zuerst trifft, wenn es wirklich mal mit dieser nächsten kriegsetappe losgehen sollte, und es diese iranische bombe wirklich gibt - ich glaub so wenig dran, wie an die giftwaffen Saddams.
    Die tatsache dass man atombomben zur abschreckung und verteidigung hat/hätte, nutzt nichts, wenn einmal jemand wirklich mit atombomben angreift, damit kann man sich nur gegenseitig ausmerzen.
    Und den regierenden in Teheran traut man eher zu, dass sie, wenn sie erst einmal atombomben haben, diese auch einsetzen werden, ganz einfach weil die frauen schwarze leintücher tragen, und die männer komische kopfbedeckungen haben.
    Dass die gefahr unter umständen von von seltsamen adventistischen heeresführern in amerika mit komischer unterwäsche (ist ein mormonen-witz, muss man auch nicht wissen, denn der betreffende regierende muss gar kein mormone sein) oder ähnlich veranlagten regierenden in israel mit oder ohne komischen zöpfen ausgehen könnte, die beide gern handlanger ihres gottes wären, verdrängt man lieber.


    Man könnte natürlich moralisierend sagen: atomwaffen sind per se schlecht. Und jeder der sie hat, oder haben will, ist automatisch böse. Aber dann hat man wieder ganz neue fronten im reich des bösen.
    Und moralische wertung und dämonisierung eines gegners ist, wie ich grad bei Michael Schmidt-Salomon lese, von vorn herein abzulehnen.


    Ein bisschen ehrlichkeit, dass hier um die letzten tropfen billigen erdöls gerungen wird, bevor man weltweit eine neue technologie einführen muss, wär angebracht.


    Auch die franzosen haben einen komischen kleinen mann als anführer, der in die liga 'unsympathischer regierender' passt, und den man unter umständen zum feind hochstilisieren könnte. Nur zahlt sich das grad nicht aus, die franzosen haben nicht genug interessantes erdöl. British petroleum, wer immer dahinter stand, hatte es, aber die firma muss wegen dem leck im golf hohe bußgeldzahlungen leisten, schwächelt etwas und ist - soweit ich es bislang sah - und ich bin nicht ganz up-to-date mit dem nachlesen der wirtschaftsnews, weil ich keinerlei solcher aktien besitze (ich kenn allerdings nicht das gesamte portfolio meiner schwächelnden fond-gebundenen zusatzversicherungen, kann sein, dass ich sowas sogar hab) - als bewerber um den äh - sagen wir grad heraus: geplanten diebstahl - zentralasiatischen erdöls weg vom fenster.
    (Kann mich allerdings auch irren, und das mit dem knieweichen zustand von BP ist ablenkungsmanöver, und ihre tochterfirmen sind mit im rennen.)


    Wem die entsprechenden erdölverarbeitenden betriebe und waffenfabriken, die schon im irak und afghanistan geschäfte gemacht haben, jetzt wirklich gehören, ist nicht vollständig nachvollziehbar, und letztenendes mangels eigener einflussnahme-möglichkeiten auf deren entscheidungen auch uninteressant. Und wenn ich selbst im aufsichtsrat einer dieser firmen wär, oder sogar mehrheitseigentümer wär, würd ich's vermutlich auch keinem sagen. - Und der frage, ob ein krieg gegen den iran strategisch sinnvoll ist, würd ich - wär's mein geld und meine firma - vermutlich zustimmen. Dazu muss man nominell kein jude sein, nominell christ sein reicht auch.


    Man könnte sagen, es handelt sich dabei um charakterlich schlechte menschen. - Aber so ist das nicht. Es handelt sich dabei nur um ganz normale menschen, und das menschelt stark.


    Dass es im gerangel um die letzten kuchenbröseln jede menge bauernopfer geben wird, wissen wir auch schon.
    Der iran hat viele junge männer, und die seite, die weniger junge männer hat, baut jetzt automatische kriegsroboter, um den eigenblutverlust nieder zu halten (na, ganz so ist's nicht, die iraner haben auch einen kriegsroboter, den sie nach einem persischen feldherr benannt haben, der ist allerdings etwas wacklig unterwegs - und sieht obendrein seinen asiatischen artgenossen verdächtig ähnlich).
    (Und ja, ich habe die firma i-robot - wem immer sie gehört - durch ankauf technischer geräte unterstützt. Dass die staubsauger-technologie unter umständen nicht nur staub beseitigt, war mir von vorn herein bewusst - und wenn ein kampfroboter dieser firma so blöd wie ihr staubsauger-ufo ist - gute nacht, menschheit.)


    Zu diesem künstlichen aufreger:


    Man muss nicht jeder sau, die durch's dorf getrieben wird, hysterisch nachrennen, schon gar nicht als vegetarier.


    Und die meissten eulen wissen, dass ich von lyrik ziemlich wenig halt, drum die komischen absätze im obigen text, der weitgehend im südostbairischen gehalten ist, und nur aussagt, dass ich die von magali angesprochene verstorbene autorin nicht kannte, und mich die finanzschiebereien unseres ex-finanzministers und seiner freunde und der hiesige amigo-sumpf wesentlich mehr interessieren als alles, was die hochliteratur so hergibt... und sich obendrein, wenn's nach mir geht, die menschheit selber ausrotten soll, was sie vermutlich auch schaffen wird, wenn kein komet vorher mithilft - bislang kann ich nur sagen: Grass verträgt sich kaum bis wenig mit meinem lesegeschmack.


    Ich find ihn fad.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


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    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Von welchem Idealisrael träume ich denn? Woraus schließt du das? Erzähl mir bitte mehr davon.


    Angesichts der rechtsreligiösen Regierung, des demütigenden Umgangs mit den Palästinsensern und der illegalen Siedlungen im Westjordanland, sehe ich für Idealisierungen keinen Grund. Aber wenn du schon andere Diskussionsteilnehmer vollmundig als ahnungslos bezeichnest und prozionistisch für dich grundsätzlich schon ein böses Wort ist, dann solltest du uns allen vielleicht mitteilen, was dich im Besonderen für das Thema qualifiziert - und warum du nicht träumst, sondern die Lage völlig rational erkannt hast.


    Zum Grass-Gedicht:


    Wenn die Kernaussage von Grass wirklich nur sei, dass Iran und Israel gleichsam ihre militärischen und zivilen Atomprogramme von einer unabhängigen Instanz kontrollieren lassen sollen, um die Gefahr einer nuklearen Katastrophe zu mindern - ich würde ihm ohne weiteres zustimmen und mich lediglich wundern, warum er dann nicht auch noch Pakistan und Indien hinzuzählt.


    Und ja, das steht in der Tat in dem Gedicht. Allerdings wird das nur geradezu beiläufig in der vorletzten Strophe in wenigen Versen erwähnt.


    Der Großteil des Gedichts besteht, wie du sicher gemerkt hast, aus ganz anderen Gedanken. Grass schwafelt darin zuallermeist von Tabus, die er erfindet, nur um sie selbst zu brechen (z.B. ist es seit Jahren bekannt, dass Israel über Atomwaffen verfügt. Es wurde auch vorher schon ausführlich darüber geschrieben in wissenschaftlichen Abhandlungen ebenso wie in Mainstream-Medien). Warum dieser Tabu-Kult völliger Nonsens ist, habe ich oben bereits ausführlich erläutert. Widersprich mir ruhig, wenn du meinst, dass ich darin falsch liege.


    Viel gravierender ist hingegen, dass er die Gefahren des Irans mit nur wenigen Versen abkanzelt, während Israel im Zentrum seiner Anklage steht. Darum bin ich der Meinung, das er hier eindeutig und völlig bewusst der Eindruck erweckt wird, dass Israel der Hauptschuldige an dem Konflikt ist. Würde er die unbestreitbaren (und dokumentierten) Provokationen und Dummheiten Israels nur benennen und kritisieren, ich würde wetten, der Aufschrei über das Gedicht wäre nur halb so groß.


    Aber Grass geht eben viel weiter, und das ist das ungeheuerliche Moment dieses Gedichts: Er behauptet, Israel würde sich das Recht auf einen atomaren Erstschlag gegen Iran herausnehmen. Was Voltaire befürwortet, muss allerdings nicht einmal für die rechteste israelische Regierung gelten. Ein konventioneller Luftangriff auf die iranischen Atomanlagen wären, wie ich bereits erwähnte, eine Katastrophe, deren Folgen unabsehbar sind. Doch ist das immer noch ein bedeutender Unterschied zum Einsatz von Atomwaffen gegen die Zivilbevölkerung.


    Grass hier nur als harmlosen Mahner der Nation darzustellen, halte ich in diesem Fall für völlig danebengegriffen. Mir persönlich wird auch eher schlecht bei dem Gedanken daran, dass ein ehemaliger Waffen-SS-Soldat sich erdreistet, sich in einem Gedicht zu den "Überlebenden" eines potentiellen Vernichtungskrieges zu zählen, dessen Anzettelung er den Nachkommen der Shoa-Opfer andichtet.
    ___


    Deinen Versuch, die antisemitische Zerstörungsphantasien der iranischen Führung als bloßen Übersetzungsfehler zu deklarieren, finde ich äußerst bescheiden.


    Dass das genannte Ahmanidedschad-Zitat von den Medien falsch übernommen wurde, ist offenbar korrekt. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass Ahmanidedschad und der (in der Rangordnung viel wichtigere) geistliche Führer Ali Khamenei sich bereits vorher und auch nachher in einer Weise geäußert haben, die keinen Zweifel an ihrer Haltung zu Israel erkennen lassen. Außerdem unterstützen sie finanziell und logistisch, die Hamas, die unmissverständlich zur Zerstörung Israels aufrufen.


    Zitat

    TEHRAN, Iran (Reuters) -- Iran's supreme leader Ayatollah Ali Khamenei called on Friday for the destruction of Israel, describing it as a "cancerous tumor" in the Middle East."Iran's stance has always been clear on this ugly phenomenon (Israel). We have repeatedly said that this cancerous tumor of a state should be removed from the region," Khamenei told thousands of Muslim worshippers in Tehran. (15 December 2000) Quelle


    Zitat

    “From now onward, we will support and help any nations, any groups fighting against the Zionist regime across the world, and we are not afraid of declaring this,” Khamenei said during a rare Friday prayer lecture at Tehran University. “The Zionist regime is a true cancer tumor on this region that should be cut off,” the supreme leader said. “And it definitely will be cut off.” Quelle


    Zitat

    IRANIAN President Mahmoud Ahmadinejad has branded Israel a cancer cell that must be removed after Israeli gunfire killed 12 people and wounded hundreds as Palestinians marched in a mass show of mourning over the creation of the Jewish state. "On the anniversary of this regime, people demonstrated in various places, but there were dead and wounded and this regime once again showed its real nature," he said in a television interview. "Like a cancer cell that spreads through the body, this regime infects any region. It must be removed from the body," he added. (16 May 2011) Quelle


    Liebe magali, willst du ernsthaft bestreiten, dass diese Herren es nicht am liebsten hätten, wenn Israel nicht mehr existieren würde?


    @ Oblomov


    Das ist nicht wahr. Über all diese Dinge wurde mehrmals berichtet, selbst in unseren sogenannten "Leitmedien". Was ist denn für dich eisiges Schweigen? Dass diese Geschichten nicht öfter auftauchen, liegt vor allem auch daran, dass Recherchen im Iran für westliche Journalisten beinahe unmöglich sind, da diese gar nicht erst ins Land gelassen werden.

  • Was les ich da grad? *von maßlosem staunen erfüllt*


    'Like a cancer cell that spreads through the body, this regime infects any region. It must be removed from the body'


    Den satz hab ich schon mal wo so ähnlich gelesen, nur mit gangrän statt cancer cell und greed statt regime: Der englische text, Ahmadinejad zugeschrieben, zitiert hier - frei und großzügig - Donna Leon, die Anna Komnena (ebenso sehr frei und großzügig) zitiert: die stelle behandelte die gier eines normannen-führers: dessen gier war in den augen Anna's bzw Donna's ein beispiel dafür, einmal in einem leib festgesetzt, einem gangrän gleichend, das sich immer weiter ausbreitet, und entfernt werden muss, bevor es den körper ganz verseucht...


    Ich weiss das nur, weil ich die stelle in der Alexias extra suchte und nicht so fand.


    Was liest Ahmadinejad des abends vor dem einschlafen? - Oder besser: der/diejenige, der/die seine reden schreibt?


    Sagt jetzt bitte nicht, dass fatale politische formulierungen von krimi-autoren geprägt werden...

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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