Gibt es einen "Point of no return" beim Schreiben?

  • Um zu verdeutlichen, wie meine Frage gemeint ist ein Beispiel.
    Wenn ich mich mit einer Idee hinsetze und anfange zu tippen, dann passiert es manchmal, daß ich schon nach dem ersten Absatz merke, daß das nix wird und höre mit der Story einfach auf ohne jemals wieder darauf zurückzukommen.
    Ein anderes Mal habe ich vielleicht schon zwei Seiten vollgetippt, bevor ich merke, daß ich mich dermassen verfranst habe, daß es so keinen Sinn mehr macht. Insgeheim denke ich mir aber, daß die Idee zu gut ist, um sie endgültig zu begraben und doktere dann doch irgendwie daran weiter herum.


    Wie ist das bei den Profis? Habt Ihr auch schon mal eine Geschichte, die schon etwas fortgeschrittener war dann doch noch fallengelassen oder gibt es da wirklich einen "Point of no return", ab dem man sich einfach zusammenreisst und das Ding irgendwie zu Ende zimmert?


    Gruss,


    Doc

  • Bei mir gibt es diesen Punkt. Einmal kam er nach 300 Seiten. Irgendwie klang plötzlich alles falsch und grottenschlecht. Naja, ich habe noch zwei Wochen lang versucht, das Ding zu retten und dann habe ich es gelöscht. Der zweite Versuch war entschieden besser. Aber 300 Seiten löschen ist die absolute Ausnahme. Es kommt häufiger vor, dass ich die Arbeit eines Tages oder einer Woche lösche.
    Bei Konzepten ist das anders. Da wird eigentlich nur gelöscht. Und was dann noch übrig bleibt, wird verscherbelt.

  • Ich hatte Doc so verstanden, daß er wissen wollte, ob es einen Punkt gibt, bei dem man die Brocken nicht mehr schmeißt, sondern das Ding fertigmacht, auch wenn man denkt, daß es nichts geworden ist.


    Also zunächst mal ... den Punkt, daß man vor seinem Text steht und das Gefühl hat: "Verdammter Mist, was hast du da bloß gemacht? Das geht ja nie auf!", den erreicht man jede Woche mindestens einmal. :grin Das ist normal.


    Ines, Tom und ich (und m.W. auch Gheron und Sysai) arbeiten mit Konzepten, d.h. die Story ist schon weitgehend festgelegt und auf ihre innere Logik abgeklopft, bevor man anfängt. Was aber keineswegs für alle Stränge gilt. Vor Überraschungen (guten wie bösen) ist wohl niemand gefeit. Manchmal stellt sich heraus, daß eine Weiche falsch gestellt ist, eine Figur sich anders entwickelt, als geplant, oder man stößt beim Nachrecherchieren auf Infos, die einen geplanten Verlauf der Handlung schier unmöglich machen. Dann stellt sich die Frage, wie man diese Klippe umschifft, ohne daß der Kahn an den Felsen zerschellt ...
    Aber dafür sind wir ja erfinderisch. :-]


    Den "Point of no return", den du meinst, kenne ich eigentlich nur aus der Planungsphase. Wenn die Geschichte dabei nicht aufgeht, dann kommt sie in den Ordner namens "Tonne" (gleichbedeutend mit "Zur Wiedervorlage vorgesehen"). :lache

  • "Bei Konzepten ist das anders. Da wird eigentlich nur gelöscht. Und was dann noch übrig bleibt, wird verscherbelt. "


    was, bitte, heisst das?
    gibt es leute, die für IDEEN (für ein buch) GELD bezahlen?
    (keine bange, ich hab keine idee zu verkaufen *g*. ich hätte eine zu verschenken an jemanden, der mir dann ein gaaanz schönes buch dazu schreiben soll (und zwar einen EINTEILER(!!)))
    jemand interesse?
    zeitraum: frz revolution - 1971
    schauplätze: marseille, paris, wien, mexiko, wien, usa, berlin :lache :wave

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)


  • Verschenken? Du bist jut!
    Und wenn ein/e AutorIn das übernimmt und es wird ein Millionenerfolg, dann stehst Du vor der Tür und willst Anteile?
    Oder wie sehe ich das?
    Ideen sind Ware und keine billige.
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Wenn man nicht mehr zu den Debütanten zählt, verkauft man in der Regel keine fertigen Bücher mehr, sondern nur noch Konzepte. Diese werden den Verlagen angeboten, dann kommt es im besten Fall zu einem Vertrag und erst dann schreibt der Autor den Roman.


    Lieber Frosch1,
    dass du eine Idee verschenken möchtest, ist bestimmt sehr löblich. Die meisten Autoren bekommen auf jeder zweiten Lesung, auf jedem dritten Familientreffen, von Urlaubsbekanntschaften usw. ähnlihce Angebote. "Ich habe da eine GEschichte gehört, ausgedacht, erlebt, die musst du unbedingt schreiben."
    Die Autoren, die ich kenne, haben jedoch selbst so viele Ideen, dass die meisten meinen, ein Autorenleben würde gar nicht ausreichen, um all das aufzuschreiben.
    Der zweite Punkt gilt dem Markt. Nicht alle Ideen sind marktkompatibel. Und da wir vom Markt leben, müssen wir alle mehr oder weniger "am Markt entlang" schreiben.

  • siehste, ines, genau DAS hab ich mir gedacht...
    naja, also werd ich wohl irgendwann selbst schreiben müssen :-)
    die chancen für euch, eines tages einen bestseller von "friederike frosch" (mein pseudonym fiel mir gerade ein *g*) in den händen zu halten und bei der tv-übertragung der verleihung des literaturnobelpreises euren lieben sagen zu können: "und mit DER hab ich einmal in einem forum geschrieben!!!" sind aber sehr gering, wenn ich bedenke, wieviel zeit ich hier verbringe. :lache :wave

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)

  • Was Ines schreibt, ist grundsätzlich richtig. Wenn ich inzwischen Romanprojekte angehe, entwerfe ich zuerst ein Konzept, möglicherweise ein, zwei Probekapitel, schreibe ein Expo und diskutiere das mit meinem Agenten. In diesem Gespräch findet sich recht rasch (heraus), ob die Idee einen verkaufsfähigen Roman tragen würde, was man ggf. ändern müßte und ob und welche Interessenten es dafür geben könnte. Wenn nicht, dann wandert das in die große, große Schublade, weil die Möglichkeit besteht, daß ein Teil dieser Idee eine andere tragen helfen kann, irgendwann. Inzwischen weiß ich, mit welcher Art von Ideen und Vorschlägen ich überhaupt zu meinem Agenten gehen kann. Man lernt dazu.


    Bei Kurzgeschichten war es früher bei mir so, daß ich eine Situation im Kopf hatte, aus der heraus ich irgendwas entwickelt habe. Das ging mal gut, meistens aber nicht, in 80% der Fälle, würde ich sagen. Häufig habe ich dann aus Spaß an der Sache weiter- und zuendegeschrieben. Tonnenweise Material, das auf diese Art entstanden ist, lagert auf diversen Festplatten, teilweise sogar in Papierform (im Keller). Das ist auch gut so, da muß man durch. Ob eine Story funktioniert oder funktionieren wird, das merkt man manchmal als Autor leider auch erst sehr spät, aber ein "zu spät" in diesem Sinne gibt es nicht, denn seine Schreibe verbessert man beim Üben, und beim Üben entsteht Ausschuß. Wie gesagt, inzwischen mache ich mir sehr viel mehr Gedanken über den weiteren Verlauf, und deshalb hat sich der Ausschuß etwas reduziert. Einfach Drauflosschreiben gibt's kaum noch. Und überhaupt nicht mehr bei Romanprojekten, siehe oben.

  • du, das ist ganz lieb, ines.
    aber wenn ich so eure erfahrungsberichte lese...
    ich glaube nicht ernsthaft, dass ich das kann.
    und: weglaufen tut mir die möglichkeit ja nicht... :knuddel1 :wave

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)

  • Hallo Doc,


    in meinen frühen Tagen habe ich auch verdammt viele Texte angefangen und nach wenigen Absätzen oder Seiten wieder verworfen und etwas neues begonnen. Von fünf Versuchen habe ich vielleicht einen fertig gemacht. Ich halte das für ganz normal, denn auch für einen Autoren gilt, seine eigenen Grenzen zu erkunden, und diese im Lauf der Zeit immer weiter zu stecken. Da muss man auch einmal an eine ganz verrückte Idee gehen, auch wenn man hinterher über das Ergebnis den Kopf schüttelt.


    Ob ich je diesen Point of no return gespürt habe, weiß ich nicht. Irgendwann kehrte sich das Verhältnis zwischen fertig gestellten und fallen gelassenen Stories um und ab einer gewissen Zeit gab es keine Abbrüche mehr. Ich könnte sie mir jetzt auch nicht mehr leisten. Wenn ich heute einen Text beginne, weiß ich meistens bereits den Termin, an dem der fertige Roman beim Verlag sein soll.


    Viele Grüße


    Eric :write

  • Och, was soll’s, ich geb jetzt auch noch meinen Senf dazu... Wenn ich mich wirklich entschieden habe, eine Geschichte anzufangen, habe ich sie bisher auch zu Ende gebracht. Eine fortgeschrittene Geschichte fallen gelassen, habe ich noch nicht. Kommt vielleicht noch, ich bin ja noch nicht so lange dabei. Einzelne Szenen, auch längere Abschnitte, werden durchaus gestrichen, wenn ich den Eindruck habe, das wird nix. Wenn es zu sehr schmerzt, kommen sie in den „Könnte man vielleicht doch-Ordner", wo sie dann meist vergessen werden.
    Obwohl ich die Idee vor Schreibbeginn meist lange in meinem Kopf hin und her schiebe - aufschreiben tue ich da selten was - ist mein Konzept vor Arbeitsbeginn sehr grob und verfeinert sich erst während des Schreibens. Hilfreich ist, daß ich furchtbar gerne überarbeite.


    Solas :write

  • bisher habe ich meine geplanten bücher auch fast alle umgesetzt, obwohl ich manchmal ganz schön ändere, zwischendurch, weniger die inhalte, als den aufbau, gilt aber meist für fachbücher, die ich aber versuche so zu schreiben, dass der Leser kein fremdwörterlexikon zum lesen braucht oder nach 2 seiten einschläft.
    allerdings bei einem thema, das mich wahnsinnig reizt, als sachbuch oder als roman oder als mischung, so wie manche amerikaníschen managementbücher, finde ich einfach nicht den richtigen dreh, ich habe schon mindestens 5 verschiedene möglichkeiten versucht, noch nichts hat gepasst, aber wenn die nächsten 3 bücher endlich beim verlag abgeliefert sind, dann werde ich nichts anderes mehr anfangen, sondern mich nur auf das thema konzentrieren. es muss irgendwann klappen und es wird.

  • Ich bin zwar kein Profi, aber ich würde sagen: Ja, es gibt ihn!!!


    Warum? Ich hatte bis vor kurzem das gleiche Problem wie du, dass ich angefangen habe und nach einer Seite dachte: S***!!! Das ist absoluter Müll!!!
    Aber manche Idden setzten sich dabei im Kopf fest und gehen einfach nicht mehr raus!!! Im Moment hab ich eine KOMPLETTE Geschichte im Kopf. Ich müsste sie nur noch aufschreiben, an einen Verlag schicken und hoffen, dass ein Buch draus wird...
    Diese ganzen unfertigen Anfänge von Geschichten sind für mich eine Art "Aufwärmtraining", durch das einem dann die richtigen Ideen im Kopf wachsen.

    Ich, ohne Bücher, bin nicht ich.


    Bücher sind lebensnotwendig. Ohne Bücher existiere ich. Aber ich lebe nicht.

  • Mesitens schreibe ich die ersten Gedanken so runter. Danach entwickle ich ein Konzept, und nach mehrmaligen Überarbeiten, kann es sein das mir eine Idee nicht mehr gefällt.Ich lege sie erstmal beiseite und grabe sie später wieder aus.


    Zofie :-]

  • Also, bevor ich anfange zu tippen, muss in meinem Kopf keine bloße Idee sein, sondern eine Handlung. Das heißt, ich muss immer wissen, wie alles anfängt und wohin ich überhaupt will. Natürlich kann auch mich beim Schreiben etwas überraschen, wenn die Handlung sich in die Richtung entwickelt, die ich vorher nicht vorausgesehen habe, aber das ist ja auch gut so. Während des Schreibens kommen immer gute Ideen, wo einige Szenen dazukommen oder wegfallen.
    Das bedeutet, wenn ich schreibe, bin ich sehr von dem Thema überzeugt und will die Geschcihte auch bis zum Ende bringen.
    Wenn ich plötzlich verstehe, dass alles Msit ist, lasse ich den Text nicht in der Schublade verschwinden, sondern überlege, warum mir das Ganze nicht mehr gefällt.
    Ist es zu schwammig geschrieben? Sind Charaktere zu blass? Kommt die Handlung nur schleppend voran?
    Und wenn ich weiß, was mir nicht gefällt, ändere ich das. Also, wenn ich an der Story arbeite, dann bleibe ich auch dran. Aber es ist sehr wichtig, sich im Klaren zu sein, warum einem der Text nicht gefällt. So lernt man auch sehr viel für die Zukunft. Oft sind Fehler einfach festzustellen, wenn man den Text "ruhen" lässt. So lange, bis man den nötigen Abstand dazu gewonnen hat.


    LG,
    Ira
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