24 hour party people/Tony Wilson

  • Inhalt:
    Es dreht jemand einen Film, „24 hour party people“ über das Label „Factory Records“ und die Musikszene in Manchester in den 1980ern und 90ern, wobei er einen tatsächlich existierenden Menschen, Tony Wilson, als zentrale Figur nimmt. Doch anstatt einen gewöhnlichen Film zu drehen, wird die Geschichte teilweise fiktionalisiert, was den echten Tony Wilson nicht restlos glücklich macht. Was ist also die logische Konsequenz?


    Natürlich, Wilson schreibt selbst ein Buch. Aber nicht etwa eine die Tatsachen wieder zurecht rückende Autobiographie – wie langweilig! - sondern den „Roman zum Film“, unter Verwendung der gleichen fiktionalen Teile, teilweise der Dialoge, aber doch noch etwas mehr und doch einiges wieder richtig (?!) stellend. So wie der Wilson im Film heraustritt, um Kommentare abzugeben, tut dies auch der „Romanschreiber“ (nicht wirklich!) Wilson, wenn er eigentlich in der dritten Person über den halb-fiktiven Film-Wilson schreibt. Alles klar?


    Autor:
    Anthony Howard Wilson (geboren 1950 in Salford, gestorben an Krebs 2007 in Manchester) war Gründer und Mitbesitzer des Plattenlabels „Factory Records“, zu dem u.a. die Bands Joy Division, New Order und Happy Mondays gehörten, sowie des Manchester Clubs „Hacienda“. Außerdem („never give up the day job“) war er TV-Moderator und Journalist. Er war eine umstrittene Figur, die aber ein höchst interessantes und vor allem der Liebe zu Musik, den Musikern und Madchester Manchester gewidmetes Leben geführt hat. Es sollte jemand mal einen Film über ihn drehen. Oh!


    Meinung:
    Dazu gibt es eigentlich nicht allzu viel zu sagen, ich habe mich in den – mehr oder weniger – zugrunde liegenden Film verliebt und als ich von diesem Buch erfahren habe, musste ich es nicht nur haben, ich wusste bereits, dass es schon sehr eigenartig zugehen müsste, würde ich es nicht mögen. Sehr. Es hat geklappt.


    Ich bin mir nicht sicher, ob Wilson ein begnadeter Romanautor war, denn was er hier tut, ist letzten Endes doch unter der Verkleidung des Romans zum Film (inkl. UFO und Gott) nichts anderes, als seine Autobiographie zu schreiben. Man findet den Film schon wieder – und ihn zu kennen, wenn man die Hintergrundgeschichte nicht kennt, hilft, sich hier zurecht zu finden -, aber doch noch etwas mehr. Und es macht, wie der Film, höllischen Spaß.


    Wilson benutzt eine nicht gerade feinsinnige Sprache, milde ausgedrückt, aber das macht das Buch irgendwie lebendig. Man hat förmlich den Eindruck, Wilson würde neben einem stehen und das alles erzählen. Und es ist eine höchst interessante Geschichte über Musik und die Menschen die sie machen und die sie lieben, aber auch darüber, wie man keine Geschäfte macht. Oder vielleicht geht das gar Hand in Hand? Zeitweise wundert man sich darüber, wie er so gelassen bleiben kann, aber als er das Buch geschrieben hat, waren die härtesten Zeiten wohl schon vorbei und irgendwie glaubt man ihm, dass er nichts bereut.


    Mein Lieblingssatz war der hier, als Wilson den Stilwechsel von Joy Divison zu New Order bereits früher vermutet und ein paar Lieder als Beispiel nennt:

    Zitat

    „Sorry to make you play the records again, although if this book has any other point it eludes me ….“ S. 147


    Knapp gefolgt wird er von diesen Sätzen hier, aus dem Vorwort:

    Zitat

    „Do I thank the characters in this book? … No. I just need to love 'em. Dead or alive.“ S. 6


    Mit den Toten meint er wohl vor allem Ian Curtis, Rob Gretton (Wilsons Geschäftspartner und Manager von Joy Division und New Order) und Martin Hannett (Musikproduzent und auch zeitweise Partner). Durch Wilsons eigenen vorzeitigen Tod bekommt der letzte Satz eine morbide Doppelbedeutung.


    PS: Wo stelle ich das Buch ein? Es ist eigentlich eine Autobiographie, tut aber so, als wäre es ein Roman. Oder ist es umgekehrt? Tun wir es hierher.


    PPS: Eine deutschsprachige Ausgabe zu diesem Buch würde mich schon sehr wundern.
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